Bad Oldesloe. Stormarns Kreisbrandmeister Olaf Klaus beklagt Missbrauch des Notrufs: Viele erwarten zu schnell Hilfe unter der Nummer 112.
Die Einsatzzahlen der Feuerwehren in Stormarn sind auf einem Rekordhoch. „Die Freiwillige Feuerwehr Bad Oldesloe rückte 2022 zu 560 Einsätzen aus. Normal sind 300 bis 400 Einsätze“, sagt Olaf Klaus, Kreisbrandmeister in Stormarn und Gemeindewehrführer in Bad Oldesloe. Und das Jahr ist noch nicht vorbei.
Ursache der stark gestiegenen Zahlen sind laut dem Kreisbrandmeister nicht nur die starken Stürme, die den Wehren im Kreis Anfang des Jahres eine Menge Arbeit beschert haben. „Die Feuerwehren werden auch immer häufiger zu Einsätzen gerufen, die eigentlich kein Fall für die Feuerwehr sind“, sagt Olaf Klaus im Gespräch mit unserer Redaktion.
Feuerwehr Stormarn: Bei Sturm oder Starkregen rufen viele zu leichtfertig die 112
Vor allem seit diesem Jahr beobachtet er diese Entwicklung, die ihn mit Sorge erfüllt. „Wir hatten in diesem Jahr viele Unwettereinsätze“, sagt Klaus. Besonders im Zusammenhang mit Sturm oder Starkregen habe er erlebt, dass Bürger zu schnell zum Telefon gegriffen haben. Unter anderem die Sturmtiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ hielten die Menschen Anfang des Jahres in Atem.
Klaus: „Wir wurden zum Beispiel zu Einsätzen gerufen, in denen vorab berichtet wurde, dass ein Baum auf der Straße liege. Wir sind ausgerückt und haben vor Ort festgestellt, dass es nur ein Ast war.“ Den hätten die Bürger notfalls auch selbst aus dem Weg räumen können.
Nach einem Sturm ist im Zweifel eher eine Gartenbaufirma zuständig
Die Notrufe für die Feuerwehren gehen bei der Integrierten Regionalleitstelle Süd (IRLS) ein. „Die erfragen zwar genau, was los ist, aber das hilft manchmal auch nicht“, so der Kreisbrandmeister. Etwa, wenn die Menschen Situationen dramatischer darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. Einsätze, in denen die Menschen zu schnell die Feuerwehr alarmiert hätten, fallen Olaf Klaus zahlreiche ein: „Es waren zum Beispiel regenbedingt übergelaufene Straßengullys oder umgestürzte Bäume, die im Garten lagen.“ In letzterem Fall sei die Feuerwehr nicht zuständig, wenn der Baum bereits auf dem Boden liege und die Gefahr gebannt sei.
„Die Beseitigung ist eine Arbeit für eine Gartenbaufirma, aber nicht für die Feuerwehr“, so der Kreisbrandmeister. Wenn ein Baum halb umgestürzt an einer Hauswand lehne oder noch zu fallen drohe, sei das natürlich etwas anderes, betont Klaus.
Wasser im Keller kann in vielen Fällen auch selbst beseitigt werden
Dass Bürger verärgert reagieren, wenn die Feuerwehrleute ihnen mitteilen, für bestimmte Arbeiten nicht zuständig zu sein, hat Klaus auch schon erlebt. „Es kommt vor, dass Leute bei Kleinigkeiten, die wir nicht beseitigen, sagen: Das kann doch nicht angehen, das ist doch euer Job. Das ist es aber eben nicht“, sagt er.
Auch, wenn zum Beispiel Keller unter Wasser stehen, bittet Klaus Bürgerinnen und Bürger, kleinere Aufwischarbeiten selbst zu erledigen. „Wenn es sich um ältere oder körperliche eingeschränkte Menschen handelt, helfen wir natürlich“, sagt Klaus. Auch, wenn die Wassermenge immens ist. „Aber wir kommen nicht zum Feudeln“, sagt Klaus. Denn die Kapazitäten der Feuerwehr werden anderswo gebraucht.
In vielen Szenarien sollte unbedingt die Feuerwehr gerufen werden
Es gibt nämlich viele Szenarien, in denen unbedingt die Feuerwehr gerufen werden sollte, sagt der Kreisbrandmeister: „Wenn nach einem Sturm Bäume auf Straßen und Gehwegen liegen, die nicht selbst zur Seite geräumt werden können. Wenn halb umgestürzte Bäume gegen Häuser drücken. Wenn Fassadenplatten oder Dachziegel lose sind und Menschen zu verletzen drohen.“ Und: Jede Art von Feuer sei ein Fall für de Feuerwehr. „Auch bei piepsenden Rauchmeldern sollte die Feuerwehr alarmiert werden“, sagt Klaus. „Selbst wenn es falscher Alarm war. Da kommen wir lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.“
Die Feuerwehrleute im Kreis sind ehrenamtlich im Einsatz. Wenn sie alarmiert werden, verlassen sie ihren Arbeitsplatz oder ihre Liebsten, um schnellstmöglich zur Stelle zu sein. „Wenn die Leute von der Arbeit wegmüssen, wird der Verdienstausfall zwar ausgeglichen, aber die Arbeit bleibt liegen. Auch wenn die Arbeitgeber verpflichtet sind, ihre Angestellten zur Feuerwehr fahren zu lassen, gebührt ihnen trotzdem großer Dank dafür, dass sie das tolerieren“, sagt Olaf Klaus. „Und natürlich allen Kameraden im Kreis, die das ganze Jahr für die Bevölkerung im Einsatz waren.“
Jeder einzelne Einsatz kostet eine Menge Zeit und weitere Ressourcen
Ein einzelner Einsatz bedeutet eine Menge Aufwand an Zeit und Ressourcen. „Der Notruf geht über die 112 bei der Leitstelle ein, der Disponent nimmt die Daten entgegen und alarmiert parallel die Feuerwehr. Die Feuerwehrleute werden über Funk alarmiert. Der Pieper geht los, sie lassen alles stehen und liegen und fahren zur Feuerwehr. Dort ziehen sie sich um, steigen ins Fahrzeug und fahren zur Einsatzstelle“, sagt er. Bei all dem Aufwand sei es wichtig, dass die Feuerwehrleute nur ausrücken, wenn sie wirklich benötigt werden.
Dass Feuerwehrleute immer öfter zu nichtigen Einsätzen gerufen werden, bestätigt auch Achim Stanisch, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Reinbek. „Wir sind in diesem Jahr bislang zu 291 Einsätzen ausgerückt“, sagt Stanisch. Normal seien zwischen 260 und 290 Einsätze. Damit liegt 2022 für die Reinbeker Feuerwehr im oberen Durchschnitt, was das Einsatzaufkommen angeht. „Vor allem während der Stürme ist es häufiger vorgekommen, dass wir zu Einsätzen ausgerückt sind, die nicht unbedingt hätten sein müssen: Keller mit etwas Wasser oder kleinere Äste und Zweige, die auf Gehwegen und Straßen lagen.“
Oft wird die Feuerwehr bei verschlossenen Türen gerufen
Zudem hätten rund 20 Prozent aller Einsätze mit verschlossenen Türen zu tun. „Auch in solchen Fällen stellen wir uns manchmal die Frage, warum wir alarmiert worden sind“, so Stanisch. „Wir helfen natürlich gern, wenn ein echter Notfall besteht“, betont er. „Zum Beispiel, wenn Menschen in der Wohnung sind, die dringend medizinische Hilfe benötigen, oder jemand vergessen hat, den Herd auszuschalten. Aber manchmal ist auch jemand direkt in der Nähe, der einen Zentralschlüssel hat. Dann hätten wir nicht kommen müssen“, sagt Stanisch.
Auch in Ammersbek sei 2022 ein deutlicher Anstieg der Einsatzzahlen zu verzeichnen gewesen, wie Gemeindewehrführer Norbert Wolfrath auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte: „Wir hatten bislang 125 Einsätze.“ Normal seien eher 40 bis 50. Woran der deutliche Anstieg liegt? „Man kann es nicht genau sagen“, so Wolfrath. „Wir sind hier in Hamburger Stadtnähe. Da wird leicht vergessen, dass wir eine Freiwillige und keine Berufsfeuerwehr sind.“
Weihnachtsfeiertage verliefen im Kreis Stormarn eher ruhig
Seiner Einschätzung nach werde durchaus oft leichtfertig der Notruf gewählt – und vor Ort stellt sich heraus, dass das nicht hätte sein müssen. „Während der Stürme hatten wir einen solchen Einsatz“, erinnert sich der Gemeindewehrführer. „Da hatte uns ein Mann gerufen, weil ein Baum schief stand und der Empfang seiner Satellitenschüssel gestört war“, so Wolfrath.
Übrigens: Die Weihnachtsfeiertage verliefen aus Sicht des Kreisbrandmeisters Olaf Klaus eher ruhig. „Soweit ich weiß, gab es in Bad Oldesloe zwei und in Barsbüttel einen Einsatz“, so Klaus. In Barsbüttel gab es nach einem Verkehrsunfall eine Personensuche. In Bad Oldesloe waren eine unklare Rauchentwicklung und ein Rauchmelder die Gründe für die Einsätze. Im ersteren Fall waren brennende Holzscheite für die Rauchbildung verantwortlich.
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Doch bei aller Ruhe: Der nächste Feiertag steht schon vor der Tür. Üblicherweise hat die Feuerwehr auch zu Silvester mehr zu tun als normalerweise. „In den vergangenen Jahren war durch Corona weniger los. Für dieses Jahr hoffen wir, dass die Leute nicht allzu viel Nachholbedarf haben“, so der Kreisbrandmeister. Denn: „Die Feuerwehren und Rettungsdienste haben ohnehin alle Hände voll zu tun, und die Krankenhäuser sind überfüllt. Wenn das Krankenhauspersonal zu Silvester durch Verbrennungen oder Amputationen noch mehr strapaziert wird, wäre das wirklich schlecht. Deshalb bitte ich alle, in diesem Jahr noch vorsichtiger zu sein als sonst.“