Bad Oldesloe. Partei wittert Rechtsbruch. Ihr Kandidat Arnulf Fröhlich war bei Wahl zum Vorsitzenden des Hauptausschusses wiederholt gescheitert.

Der Streit um den Vorsitz des Hauptausschusses des Stormarner Kreistags beschäftigt jetzt das Verwaltungsgericht in Schleswig. Die Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) hat Klage gegen das Kommunalparlament des Kreises eingereicht. Sie möchte die Wahl ihres Fraktionsvorsitzenden Arnulf Fröhlich zum Vorsitzenden des Gremiums juristisch erzwingen, nachdem dieser zuvor in drei Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hatte.

Das Verhalten der anderen Fraktionen „richtet sich zentral gegen den im Kommunalrecht verankerten Gleichheitssatz und Minderheitenschutz, der nicht nur für die AfD, sondern auch für jeden x-beliebig anderen Mitbewerber gilt“, begründet Fröhlich den Schritt. Die AfD hatte bei der Kommunalwahl am 14. Mai gegenüber dem Ergebnis von vor fünf Jahren zugelegt und stellt im neuen Kreistag fünf von 66 Abgeordneten.

AfD verklagt Stormarner Kreistag in Streit um Ausschussvorsitz

Mit diesem Stimmanteil steht den Rechtspopulisten der Vorsitz in einem der neun Ausschüsse des Kreistags zu. Gleichzeitig hatten die Landesparteien von CDU, SPD, Grünen, FDP und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) nach der Kommunalwahl ein Papier mit dem Titel „Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD bei den Wahlen zu führenden Positionen in den Kommunalvertretungen“ veröffentlicht.

Darin empfehlen die Landesvorsitzenden, keine Politiker der Rechtsaußen-Partei in kommunalpolitische Spitzenämter zu wählen. Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung am 23. Juni hatten die Stormarner Fraktionen deshalb intensiv gerungen, wie mit den Rechtspopulisten bei der Vergabe von Posten umzugehen ist.

Andere Fraktionen wollten über Spitzenposten en bloc abstimmen

Als Ausweg verständigte man sich, alle vorgeschlagenen Ausschussbesetzungen en bloc abzustimmen. So ist es seit jeher Usus im Kreistag Stormarn gewesen. Die anderen Fraktionen hätten Fröhlich so nicht explizit wählen müssen. Es wäre aus Sicht vieler die „geräuschloseste Variante“ gewesen, sich mit der aus der Kommunalverfassung ergebenden Konstellation zu arrangieren.

Doch dazu kam es nicht, weil Heinrich Dierking, einziger Vertreter der Südstormarner Wählergemeinschaft Forum 21 im Kreistag, für den Vorsitz des Hauptausschusses eine Einzelabstimmung beantragte. Damit müssten die anderen Fraktionen Farbe bekennen und sich eindeutig positionieren, begründete er das.

AfD-Kandidat Fröhlich fiel bei Wahl zum Ausschussvorsitzenden durch

Während vor dem Kreishaus in Bad Oldesloe rund 150 Menschen gegen einen AfD-Ausschussvorsitzenden demonstrierten, scheiterte Fröhlich in drei Wahlgängen deutlich. Und auch sein Fraktionskollege, Karl-Heinz Lenz, den die AfD als stellvertretenden Chef des Jugendhilfeausschusses nominiert hatte, wurde nicht gewählt, verzichtete aber nach dem ersten Wahlgang auf weitere Abstimmungen.

Den Hauptausschuss führt nun kommissarisch der stellvertretende Vorsitzende, Thomas Bellizzi von der FDP, zunächst für fünf Monate. Wie es dann weitergeht, ist unklar. Nach derzeitiger Rechtslage wäre das Gremium handlungsunfähig, sollte bis dahin kein Vorsitzender gewählt sein. Die Landesregierung in Kiel hatte zuletzt aber signalisiert, das Kommunalrecht ändern zu wollen, um genau das zu vermeiden. Denn ähnliche Probleme mit der AfD gibt es auch im Kreistag von Pinneberg. Auch dort hat die Partei inzwischen Klage eingereicht.

Kreispräsident Hans-Werner Harmuth sieht die Klage gelassen

Die Rechtspopulisten sehen in dem Positionspapier der Landesverbände von CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW den Grund für die Ablehnung ihres Kandidaten Fröhlich. Die Landesvorsitzenden hätten dazu aufgefordert, Vertreter der AfD ohne Ansehung der Person oder Anführung irgendwelcher Gründe einfach deshalb nicht zu wählen, weil diese Mitglied der AfD sind. Konkret sieht die Partei in dem Verhalten der anderen Fraktionen einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und den Minderheitenschutz.

Kreispräsident Hans-Werner Harmuth, der in seiner Funktion Vorsitzender des Kreistags ist, zeigt sich von der Klage unbeeindruckt. „Ich sehe dem gelassen entgegen“, sagt der CDU-Politiker. Das Kommunalrecht begründe keinen Rechtsanspruch für eine Fraktion, dass ihr Kandidat auch gewählt werde. „Es ist ein Unterschied zwischen einem Vorschlagsrecht – welches die AfD unbestreitbar hat – und dem Recht auf eine Wahl“, so Harmuth.

SPD-Fraktionschef bezeichnet Argumentation der AfD als „Quatsch“

Einen Kandidaten zu wählen oder nicht sei eine freie Gewissensentscheidung der Abgeordneten. „Ich kann sie nicht auf juristischen Wege dazu zwingen für etwas oder jemanden zu stimmen, von dem sie nicht überzeugt sind“, sagt der Kreispräsident. Die Wahl der Ausschussvorsitzenden sei im Übrigen ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Diese Einschätzung teilen die Vorsitzenden der anderen Fraktionen. Es gehe den Rechtspopulisten mit dem Vorstoß vor allen darum, in den Schlagzeilen zu bleiben. „Ich sehe für diese Klage überhaupt keine Erfolgsaussichten“, sagt CDU-Fraktionschef Joachim Wagner. Sein Pendant von der SPD, Frank Schmalowsky, bezeichnet die Argumentation der AfD als „Quatsch“. Er sagt: „Wenn ich als Abgeordneter eine Wahl habe, dann habe ich eine Wahl.“

Bundesverfassungsgericht lehnte Antrag der AfD in ähnlichem Fall ab

„Mich kann niemand verklagen, weil ich meine Stimme auf eine bestimmte Weise abgebe“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sabine Rautenberg. Bei jeder Wahl gebe es die Möglichkeit, auch dagegen zu stimmen. „Der Gang vor Gericht steht Herrn Fröhlich zu, er wird damit nur krachend scheitern“, ist FDP-Fraktionschef Thomas Bellizzi überzeugt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem ähnlich gelagerten Fall im März 2022 bereits einen Antrag der AfD zurückgewiesen. Damals ging es um den Anspruch der Partei auf den Posten eines Bundestagsvizepräsidenten. Ihre Kandidaten waren immer wieder durchgefallen, obwohl laut Geschäftsordnung des Bundestags jede Fraktion im Präsidium vertreten sein soll.

Chancen der Rechtspopulisten auf juristischen Erfolg sind gering

Die Karlsruher Richter urteilten, das Recht, einen vorgeschlagenen Kandidaten für ein Amt zu wählen oder nicht, liege allein bei den Abgeordneten. „Könnte eine Fraktion – mittels der von der Antragstellerin begehrten prozeduralen Vorkehrungen oder gar durch ein Besetzungsrecht – einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin durchsetzen, wäre die Wahl ihres Sinns entleert“, so das Gericht. Die Chancen für einen Erfolg der Rechtsaußen-Partei in Schleswig sind also äußerst gering.