Bad Oldesloe. Vertreter des Forum 21 will am Freitag Einzelabstimmung beantragen. Dann müssen alle Fraktionen Farben bekennen.

Sie waren die großen Gewinner bei der zurückliegenden Kreiswahl Mitte Mai. Mit einem Zuwachs von 1,7 Prozentpunkten verzeichnete die AfD am Ende 8,3 Prozent und stellt damit fünf Abgeordnete im neuen Kreistag. Mehr noch: Mit diesem Stimmenanteil steht der Partei künftig ein Ausschussvorsitz zu.

Dem Vernehmen nach soll AfD-Fraktionschef Arnulf Andreas Fröhlich künftig die Leitung des wichtigen Hauptausschusses übernehmen. Ein Umstand, der im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Kreistags am kommenden Freitag, 23. Juni, ab 16 Uhr in Bad Oldesloe großes Unbehagen und zum Teil heftige Debatten in den anderen Fraktionen ausgelöst hat.

Macht Kreistag Stormarn AfD-Mann zum Ausschusschef?

Hinter den Kulissen hatte man sich schon darauf verständigt, alle vorgeschlagenen Ausschussbesetzungen en bloc abzustimmen. So ist es seit jeher Usus im Kreistag Stormarn gewesen. Und wäre aus Sicht vieler die „geräuschloseste Variante“ gewesen, sich mit der aus der Kommunalverfassung ergebenden Konstellation zu arrangieren.

Der Reinbeker Politiker Heinrich Dierking will am Freitag eine Einzelabstimmung beantragen.
Der Reinbeker Politiker Heinrich Dierking will am Freitag eine Einzelabstimmung beantragen. © BGZ | Ann-Kathrin Schweers

Doch dazu wird es aller Voraussicht nicht kommen. Heinrich Dierking, einziger Vertreter des Südstormarner Forum 21 im neuen Kreistag, sagte unserer Redaktion: „Ich werde für jeden Ausschuss eine Einzelabstimmung beantragen, in dem ein AfD-Abgeordneter Vorsitzender oder Stellvertreter werden soll.“ Damit müssten die anderen Fraktionen nun Farbe bekennen und sich eindeutig positionieren.

Ausschusschef von der AfD: „So wird Arbeit des Kreistags entwertet“

Es sei schon schlimm genug, dass eine völkische Partei überhaupt so viel Zulauf und Zuspruch habe. Es könne aber nicht sein, dass AfD-Vertreter im Kreistag in herausgehobener Position agierten. „Das entwertet aus meiner Sicht die Arbeit des Kreistages. Die AfD ist in der vergangenen Wahlperiode oft den Nachweis schuldig geblieben, dass sie sich konstruktiv einbringen will“, begründet Dierking seinen Entschluss.

Fraktionschef Fröhlich stelle zwar gern viele, zumeist provokative Fragen, beweise damit aber allzu oft, dass er Vorlagen entweder nur überflogen oder gar nicht gelesen habe. „Mit solch einer Arbeitsweise kann er einfach nicht Vorsitzender eines Ausschusses mit besonderen Funktionen und Entscheidungsbefugnissen werden“, so Dierking.

Keine Wahl in herausgehobene Positionen

Verschärft wurde der Druck auf die anderen Fraktionen noch durch eine sogenannte „Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD bei den Wahlen zu führenden Positionen in den Kommunalvertretungen“, den die Landesvorsitzenden von CDU, Grünen, SPD, FDP und des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) kürzlich verbreitet haben.

„Demokratinnen und Demokraten stehen gegen rechten Populismus parteiübergreifend zusammen!“, heißt es darin. In den nächsten Jahren werde die AfD mit Schauanträgen, rechtsradikalen Äußerungen und anderen Handlungen versuchen, die Kreistage, Stadt- und Gemeindevertretungen für sich zu instrumentalisieren und dafür insbesondere herausgehobene Positionen der Kommunalvertretungen zu nutzen.

Papier der Landesvorsitzenden „nicht hilfreich“

Um dem vorzubeugen, wird empfohlen, AfD-Vertreter erst gar nicht in solche Positionen zu wählen. „In einer Demokratie gibt es keinen Anspruch, gewählt zu werden – auch nicht für die AfD“, heißt es wörtlich. Gleichwohl dürften die Abgeordneten vor Ort selbst entscheiden, wie sie abstimmen. Wichtig sei den Landesvorsitzenden jedoch, „dass man sich unter den demokratischen Parteien einig ist“.

Die Fraktionschefs von CDU, SPD und FDP im Kreistag Stormarn ließen unterdessen schon mal durchblicken, dass sie das Papier für nicht sonderlich hilfreich halten. „Natürlich wird es keine enge Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion geben“, sagt CDU-Fraktionschef Joachim Wagner. Andererseits müsse man akzeptieren, dass die AfD erstmals das Vorschlagsrecht für einen Ausschussvorsitz habe. „Das mit aller Macht verhindern zu wollen, würde uns doch nur des Vorwurfs aussetzen, den Wählerwillen zu missachten. Dass uns das bei der nächsten Wahl mehr Stimmen bringt, wage ich zu bezweifeln“, so Wagner.

AfD holte bei Kreiswahl mehr als 8000 Stimmen

Ähnlich deutlich wird sein SPD-Pendant Frank Schmalowsky. „Die AfD wurde von mehr als 8000 Menschen im Kreis gewählt, ob uns das nun gefällt oder nicht. Mit einem Beißreflex ihre daraus erwachsenen Rechte zu missachten, finde ich schwierig“, so der Sozialdemokrat. Es sei nicht klug, sich zum Richter über Moral und Gerechtigkeit aufzuschwingen. Damit würde man nur noch mehr Protestwähler mobilisieren, die sich in ihrem Argwohn gegenüber den alteingesessenen Parteien bestätigt sähen.

Mit einer Abstimmung en bloc hätte man diese ganze unselige Debatte wohl vermeiden können, glaubt Schmalowsky. Durch die Ankündigung eines Antrags auf Einzelabstimmung sei nun aber die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Denn nun kämen SPD-Abgeordnete im Grund nicht umhin, bei der Personalie Fröhlich mit Nein zu stimmen, weil das nun mal Linie der Partei sei. Darauf habe nicht zuletzt der SPD-Kreisvorstand vehement gedrungen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Bellizzi weist derweil schon mal auf die Weiterungen einer Ablehnung von Fröhlich hin. Zwar könne ein gewählter Stellvertreter für maximal fünf Monate den jeweiligen Ausschuss führen. „Doch nach Ablauf dieser Frist stünden wir dann vor dem gleichen Problem, weil bei einer Nichtbesetzung des Vorsitzes der Ausschuss handlungsunfähig wäre“, erklärt der Freidemokrat. Für diesen Fall stehe indes nichts in den Handlungsempfehlungen der Landesvorsitzenden.

Dass diese in Anerkennung der konkreten Verhältnisse vor Ort schon mal ignoriert werden, zeigt ein Beispiel aus dem Nachbarkreis Segeberg. Dort ist der bisherige Vorsitzende des Bauausschusses, Julian Flak von der AfD, gerade erst im Amt bestätigt worden. 24 Ja-Stimmen hatte die CDU beigesteuert. Flak sei seiner Aufgabe kompetent und unparteiisch nachgekommen, hieß es auf Nachfrage.