Ammersbek. Naturschützer ziehen Fazit aus Massensterben am Lottbeker Teich. Wie eine erneute Katastrophe vermieden werden soll.

Nahezu idyllisch mutet der Lottbeker Teich dieser Tage an. Gänse gründeln in dem Gewässer, Libellen schwirren darüber hinweg und und mit etwas Glück lässt sich eine Ringelnatter entdecken, die sich durch das klare Wasser bewegt. Dass sich an diesem Ort erst vor wenigen Wochen ein regelrechtes Drama abgespielt hat, in dessen Verlauf Tausende geschützter Erdkröten und Teichmuscheln sowie Schnecken und Fische jämmerlich gestorben sind, erscheint heute kaum noch vorstellbar.

Wenn auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich, werden die Folgen für das ökologische System noch lange zu spüren sein, werden sich insbesondere die Populationen von Erdkröten und Großmuscheln nur unter günstigen Bedingungen erholen können. Selbst wenn es gelingt, wird es wohl einige Jahre dauern, bis sie wieder die ursprüngliche Größenordnung erreicht haben. Wie berichtet, hatten ausbleibende Regenfälle in Kombination mit dem ungeregelten Ablauf des Wassers infolge eines defekten Ablaufbauwerks in der Zeit von April bis Juni sukzessive zum Austrocknen des zwischen Ammersbek und Volksdorf gelegenen Stauteichs, der sich im Besitz der Stadt Hamburg befindet, geführt und so das Massensterben verursacht. Das Geschehen rief die Ammersbeker Ortsgruppe des Nabu auf den Plan, die den zuständigen Behörden schwere Versäumnisse vorwarf.

Nach großem Krötensterben am Lottbeker Teich: Nabu fordert Konsequenzen

Einer der Schutzgebietsbetreuer des Nabu für das Naturschutzgebiet „Heidkoppelmoor und Umgebung“, das sich nord­öst­lich des Stau­teichs er­streckt, ist Gerwin Obst. Auf Nachfrage unserer Redaktion hatte er am 19. Juni vom vollständigen Trockenfallen des Gewässers berichtet und erläutert, dass das bei den hohen Temperaturen und den fehlenden Niederschlägen auch nicht anders zu erwarten gewesen sei.

Ein Eimer voller Kaulquappen: Die Retter sammelten die Amphibien ein und transportierten sie anschließend zu anderen Gewässern.
Ein Eimer voller Kaulquappen: Die Retter sammelten die Amphibien ein und transportierten sie anschließend zu anderen Gewässern. © Unbekannt | Nabu Ammersbek

Von den Erdkröten habe es ein Teil zwar so weit geschafft, dass sie als Mini-Kröten aus dem Restgewässer gekommen seien. „Wie ihre Überlebenswahrscheinlichkeit ist, kann ich leider nicht beurteilen“, so Obst. Nach Angaben des Nabu Ammersbek hatten auch engagierte Bürger und zwei seiner Schutzgebietsbetreuerinnen die Initiative ergriffen, eimerweise Kröten eingesammelt und in andere Gewässer umgesetzt. Von den Großmuscheln hätten dank des zunächst dienstlichen und zusätzlich privaten Einsatzes einer Biologin und ihrer Kinder an die 600 Exemplare gerettet werden können.

Sorgen um den Fischbestand macht sich der Nabu trotz der vielen verendeten Fische nicht. „Die wiederbelebte Moorbek bringt Stichlinge und andere kleine Fische mit und Enten tragen in ihrem Gefieder Fischeier ein“, heißt es vonseiten der Naturschützer.

Bezirksamt plant Rückbau des Lottbeker Teichs

Diese Aufnahme entstand wenige Tage bevor der Lottbeker Teich komplett trockenfiel: Muschelretter in Wathosen stehen bis zum Bauch im schlammigen Gewässer.
Diese Aufnahme entstand wenige Tage bevor der Lottbeker Teich komplett trockenfiel: Muschelretter in Wathosen stehen bis zum Bauch im schlammigen Gewässer. © Unbekannt | Nabu Ammersbek

Alles also wieder im Lot? Mitnichten. „Die Planung zum Neubau des maroden Staubauwerkes zieht sich hin und wird wohl noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen“, so Erwin Obst. Wie lange, sei nicht bekannt, denn bis auf Pressemitteilungen des Bezirksamts Wandsbek erhalte der Nabu keine weitergehenden Informationen von der Behörde.

Der Nabu will verhindern, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt. Oder dass ein Umbau des Gewässers zum endgültigen Aus für die schützenswerten Erdkröten- und Teichmuschelbestände führt. Denn das Bezirksamt Wandsbek plant zur Verbesserung des Hochwasserschutzes den Rückbau des Lottbeker Stauteichs. Doch laut Nabu haben Erkenntnisse aus dem Vorfall bestätigt, wie wichtig der Erhalt des Stauteichs ist.

Im Gewässer lebten viel mehr Tiere als vermutet

Petra Ludwig-Sidow, Vorsitzende des Nabu Ammersbek, sagt: „Durch die Folgen dieser ungewöhnlichen Frühjahrsdürre sind wir in unserer Abwägung, ob es besser ist, den Bach auf Kosten des Teiches zu fördern oder umgekehrt, zu einem klaren Ergebnis gekommen. Der Stauteich ist artenschutzrechtlich viel bedeutsamer als von uns vermutet, und so etwas wie in diesem Juni darf nicht wieder passieren.“

Gerwin Obst hat einen alternativen Plan erarbeitet, durch den der Erhalt des Lottbeker Teichs gesichert werden soll.
Gerwin Obst hat einen alternativen Plan erarbeitet, durch den der Erhalt des Lottbeker Teichs gesichert werden soll. © Unbekannt | Nabu Ammersbek

Durch das Austrocknen habe sich erwiesen, dass das Gewässer sich nicht nur zu einem bedeutenden, sondern einem der größten Laichgebiete für Erdkröten in der gesamten Region entwickelt habe. „Die außerordentliche Populationsgröße war nun, da sich die Nachkommenschaft auf die letzten Quadratmeter Wasserkonzentrierte, für jeden sichtbar.“ Auch die Zahl der Großmuscheln, die mehr als 30 Jahre alt werden können, sei viel größer als angenommen. „Rechnet man die aus dem Restteich geretteten und die Totfunde auf die ganze Teichfläche hoch, dürften es einige Tausend gewesen sein.“

Experten des Nabu lehnen Rückbau des Stauteichs ab

Thomas Behrends, Artenschutzexperte des Nabu Schleswig-Holstein, sieht sich in seiner Ablehnung des Stauteich-Rückbaus bestätigt. „Man muss die Gesamtsituation betrachten“, gibt er zu bedenken. „Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit eines Fließgewässers ist ein wichtiges Ziel, der Teicherhalt wegen der Erdkröten, der Teichmuscheln und des Wasserrückhalts aber auch.“

Gerwin Obst sagt: „Als Nabu Ammersbek und als Botanischer Verein zu Hamburg haben wir uns sehr deutlich für den Erhalt des Teiches ausgesprochen.“ Er habe Anfang dieses Jahres beim Bezirksamt Wandsbek und der Genehmigungsbehörde, dem Kreis Stormarn, einen alternativen Plan vorgestellt, wie sich sowohl Teicherhalt als auch Bachdurchgängigkeit erreichen ließen. Doch das habe nichts an den Plänen geändert.

Naturschützer stellen Forderungen an Politik und Behörden

Die Umweltexperten der Ammersbeker Gruppe haben das Ereignis jetzt in einem mehrseitigen Papier bewertet. In ihrem Fazit wiederholen sie die Vorwürfe, dass die Hamburger Behörden zu langsam reagiert, Warnungen außer Acht gelassen hätten und ihre Rettungsaktionen nicht den Erfordernissen der Lage entsprochen hätten. Zudem sei das Wehr zwar abgedichtet worden, aber noch immer nicht dicht.

Aus diesen Erkenntnissen resultiert eine Liste an Forderungen, die der Nabu an die Politik und die Verwaltungen in Hamburg und Stormarn stellt. Kernpunkt ist der Erhalt des Lottbeker Teichs in seiner heutigen Größe. Einer vom Bezirksamt beabsichtigten Entschlammung des Gewässers, die im Herbst beginnen soll, steht die Gruppe positiv gegenüber, weil ein größeres Wasservolumen die Resilienz des Teiches gegenüber Dürrephasen erhöhen würde. Er mahnt jedoch Sensibilität bei der Ausführung an, „damit nicht weitere der geschützten Tiere sterben“.

Im Winter müsse auf einen hohen Wasserstand geachtet werden, um ausreichend Wasserreserven für die Amphibienlaichzeiten vorzuhalten. Das Mönchbauwerk müsse vor dem Frühjahr vollkommen instand gesetzt werden. Der Wasserzufluss solle durch den verbesserten Rückhalt von Wasser in der Landschaft verstetigt werden. Hierfür müssten neue Versiegelung im Quell- und Einzugsgebiet vermieden werden und Entwässerungen der Quellregion unterbleiben.

Hamburger Talwiese könnte als Wasserspeicher dienen

Zudem dürfe das Gewässer nicht erneut künstlich mit Fischen besetzt werden, weil das im Hochsommer zum Fischsterben führen könne. Da der Stauteich ein bedeutendes Naherholungsgebiet sei, befürchten die Naturschützer, dass eine Reduzierung der Wasserfläche zu einer Verlagerung der Nutzung und so zur Zerstörung der gesetzlich geschützten Uferbiotope führen könnte. „Dies hätte auch negative Folgen für die wenigen dort brütenden Wasservögel und für die Selbstreinigungskraft des Gewässers“, argumentiert der Nabu.

Statt dessen schlägt er vor, die Hamburger Talwiese parallel zum Bachlauf unterhalb des Mönchs als Retentionsraum für die Lottbek zu nutzen. Dadurch könne ein Eingriff in die Teichstruktur vermieden werden. Weil die Lottbek immer wieder trockenfalle, sei eine ganzjährige Durchgängigkeit des Baches ohnehin nicht mehr gewährleistet. Ob die Behörden auf die Forderungen und Vorschläge des Nabu eingehen, wird sich spätestens im Beteiligungsverfahren zeigen.