Ammersbek. Lottbeker Teich ist ausgetrocknet, Verwesungsgeruch liegt in der Luft. Haben die Behörden auf Warnungen nicht rechtzeitig reagiert?
Unsere heimischen Erdkröten zählen zu den besonders geschützten Tierarten. Der Lottbeker Teich, der sich auf dem Gebiet zwischen Ammersbek und Hamburg-Volksdorf erstreckt, ist eines der größten Laichgebiete in der Region für diese Amphibienart. Doch für deren Nachkommen entpuppt sich ausgerechnet dieses Gewässer jetzt aufgrund eines dramatischen Wassermangels als Todesfalle.
Aktuelle Aufnahmen der Ortsgruppe des Nabu Ammersbek, die unserer Redaktion vorliegen, dokumentieren das ganze Ausmaß der Katastrophe. Sie zeigen Massen verendeter, teils noch nicht vollständig entwickelter Jungkröten im Schlamm. Auf anderen Fotos ist zu sehen, wie Kaulquappen versuchen, auf toten, mit dem Bauch nach oben schwimmenden Fischen an die obersten Wasserschichten zu gelangen, die mehr lebensnotwendigen Sauerstoff enthalten.
Grausames Erdkrötensterben im Lottbeker Teich: ein „Krötengrab“
Die Vorsitzende Petra Ludwig-Sidow spricht von einem „Krötengrab“. Das Telefon stehe kaum noch still, täglich erhalte sie Hinweise von Spaziergängern, die entsetzt von der Situation vor Ort seien. Die beschreibt sie so: „Vom Lottbeker Stauteich ist außer einem mittigen Rinnsal und einer Pfütze kurz vor dem Stauwehr nichts mehr übrig.“ Die Pfützenreste, in denen morgens noch Massen von Kaulquappen schwach zappelten, seien abends komplett ausgetrocknet.
„Ein großer Teil der Kaulquappen ist bereits verendet. Die meisten waren in dem Stadium, in dem sie erst ihre Hinterbeine ausgebildet haben und noch auf Wasser angewiesen sind.“ Auch andere Tier wie Fische und Wasserschnecken – darunter die auf der Roten Liste gefährdeter Arten verzeichnete Spitze Sumpfdeckelschnecke – seien betroffen. Über dem Bereich liege inzwischen ein leichter Verwesungsgeruch.
Kein Niederschlag und defektes Wehr lassen Teich trockenfallen
Ein Szenario, das nach Ansicht des Nabu hätte leicht vermieden werden können. Wenn, ja wenn das Bezirksamt Wandsbek früher auf Warnungen reagiert und rechtzeitig gehandelt hätte. Denn die Zuständigkeit für die Wartung und eventuell erforderlichen Reparaturen des Ablaufwerks am Lottbeker Teich liegt bei der Behörde. Bereits im Januar dieses Jahres hatte das Abendblatt darüber berichtet, dass der sogenannte Mönch am Nordende des Stauteichs, der den Ablauf steuert, nur noch eingeschränkt funktionsfähig ist. Bleibt wie in den letzten Wochen auch noch der Regen aus, sind fatale Folgen zu befürchten.
Im selben Monat soll die Behörde auch einen Hinweis des Nabu Ammersbek auf den zu niedrigen Wasserstand aufgrund des defekten Stauwehrs erhalten haben. Die Gruppe ist für die Betreuung des Naturschutzgebietes „Heidkoppelmoor und Umgebung“, das sich nordöstlich des Stauteichs erstreckt, zuständig. Nach ihren Angaben lag der Wasserspiegel im letzten Winter ständig deutlich unter der festgelegten Stauhöhe.
Nabu warnte schon Mitte April vor jetziger Situation
Vor zwei Monaten, am 17. April, dann das zweite Alarmsignal: Der für Biodiversität und Naturschutz zuständige Referent des Nabu Schleswig-Holstein schickte eine weitere E-Mail an die zuständigen Behörden in Hamburg und Schleswig-Holstein. Darin warnte er eindringlich vor dem drohenden Lurchsterben. Er erwähnte außerdem, dass die Laichplätze der Grasfrösche bereits trockengefallen seien und der für das Frühjahr viel zu niedrige Wasserstand des Teiches den Erdkrötenbestand bedrohe. Nabu-Mitglied Angelika Schmidt bestätigt das: „Wir hatten reichliche Niederschläge im Frühjahr, doch da wurde schon klar, dass das Wasser abläuft und der Wasserstand nicht gehalten wird.“ Das Bezirksamt habe gewusst, dass „da was nicht in Ordnung ist“.
Auf Anfrage des Abendblatts verweist Bezirksamtsprecherin Claudia Petschallies auf eine Pressemitteilung vom 2. Juni. Darin heißt es: „Das Bezirksamt repariert aktuell das Ablaufbauwerk am Lottbeker Teich. In den vergangenen Wochen war der Wasserspiegel merklich gefallen. Bei einer Untersuchung wurde eine Leckage in der Bohlwand, die im sogenannten Mönchbauwerk den Wasserstand einstellt, festgestellt.“ Wann genau diese Untersuchung stattgefunden hat, teilt das Bezirksamt nicht mit, ebenso wenig, wann die Reparatur abgeschlossen sein wird. Da es in den vergangenen Monaten ausreichend geregnet habe und so Wasser aus dem Einzugsgebiet nachgeflossen sei, sei die Leckage nicht früher aufgefallen. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes habe man einige Fische und Muscheln in ein anderes Gewässer umgesetzt.
„Das ist schön für die wenigen Fische und Muscheln“, meint Petra Ludwig-Sidow, die sich gewünscht hätte, dass rechtzeitig Maßnahmen zur Rettung der Erdkröten ergriffen worden wären. Doch die Reaktion auf die Warnungen von Menschen vor Ort und die seit fast sechs Wochen anhaltende Trockenheit habe zu lang gedauert, um den Bestand der Population zu sichern. „Der Wasserstand wäre höher, wenn das Wehr an der untersten Staubohle nicht kaputt wäre.“ Schmidt fügt hinzu: „Für das Überleben der Kaulquappen reicht ja auch ein bisschen Wasser.“ „Es wäre ein Leichtes gewesen, kurzfristig ein paar defekte Bohlen auszutauschen, das ist in unseren Augen keine große Sache“, ist Ludwig-Sidow überzeugt.
Feuerwehr will helfen, kann aber nicht an den Teich heran
Angelika Schmidt berichtet von Überlegungen der Ortsgruppe, die Freiwillige Feuerwehr um Hilfe zu bitten und den Schlamm mit Wasser zu glätten. „Das war eine aus der Verzweiflung geborene Idee. Die Feuerwehr ist für außergewöhnliche Aktionen offen und war auch guten Willens, uns zu unterstützen.“ Doch die Zuwegung sei für derartige Feuerwehreinsätze nicht geeignet.
Weil die Zeit drängte, hätten die Betreuer innerhalb des Schutzgebiets begonnen, mithilfe von Eimern Kaulquappen in andere Tümpel umzusetzen, in denen ebenfalls Erdkröten vorkommen. „Die noch lebenden Exemplare ersticken sonst in dem 30 Grad warmen, flachen Wasser.“ Laut Schmidt ist das „aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Menschen hätten traurig und entsetzt am Ufer des ausgetrockneten Teichs gestanden. Ludwig-Sidow ergänzt: „Das ist ja eigentlich eine romantische Ecke und ein ganz bedeutendes Naherholungsgebiet. Was dort passiert, sehen natürlich viele Leute.“ Von privaten Initiativen zur Rettung der Kaulquappen raten die Expertinnen jedoch ab. Besonders geschützte Arten dürfen nicht gefangen oder getötet werden.
Muss Behörde Konsequenzen wegen Unterlassung befürchten?
Doch was passiert, wenn der Tod während der Laich- und Entwicklungszeit der Erdkröten durch Fahrlässigkeit in Kauf genommen wird? „Im Prinzip ist so ein Vorgang artenschutzrechtlich sehr bedenklich“, fährt die Naturschützerin fort. Denn die Unterlassung von geeigneten Maßnahmen habe zu der Entwertung des Laichgewässers geführt. „Das Ergebnis ist tragisch“, pflichtet ihr Schmidt bei. 2020 habe ein Gutachten im Auftrag des Bezirksamtes Wandsbek die hohe Wertigkeit des Gebietes festgestellt.
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Die Gruppe moniert zudem die mangelnde Kommunikation des Bezirksamts. Erst vom Nabu Hamburg habe man Anfang Juni erfahren, dass die Behörde in der Sache „ansatzweise aktiv geworden sei“. Der Ammersbeker Bürgermeister Horst Ansén wiederum hätte sich gewünscht, dass er über das Krötensterben informiert worden wäre. „Der Nabu ist nicht an uns als Gemeinde herangetreten, aber offensichtlich an die Presse“, sagt er. Nachdem er Hinweise auf tote Fische in dem Gewässer erhalten habe, habe er sich am Donnerstag vor Ort ein Bild der Lage gemacht, aber keine toten Kaulquappen oder Kröten bemerkt. „Ich bin aber auch nicht der Experte, mein Blick richtete sich erst einmal auf die toten Fische.“
Wie sich die untere Naturschutzbehörde des Kreises Stormarn zu den Vorwürfen des Nabu und dem Vorgehen des Bezirksamts Wandsbek stellt, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden. Sie war für die Anfrage des Abendblatts am Freitag nicht erreichbar.