Hoisdorf. Stormarns dienstältester Bürgermeister tritt zur Wahl am Sonntag nicht wieder an. Wie er auf drei Jahrzehnte Ehrenamt zurückblickt.
„Man wundert sich doch, wie die Zeit rennt“, sagt Dieter Schippmann und etwas Wehmut klingt in seiner Stimme mit. Hoisdorfs Bürgermeister sitzt an dem großen, dunklen Holzschreibtisch im Gemeindebüro an der Waldstraße. Schon bald wird Schippmann diesen Schreibtisch räumen, auf eigenen Wunsch. Nach 29 Jahren an der Spitze der 3600-Einwohner-Gemeinde tritt der mittlerweile 80-Jährige bei der Kommunalwahl am 14. Mai nicht wieder an.
„Das sollen jetzt mal andere machen“, sagt er in seiner trockenen und zugleich verbindlichen Art, mit der er in den vergangenen Jahrzehnten die Geschicke des Ortes gelenkt hat. Hoisdorf ohne einen Bürgermeister Dieter Schippmann – für die Gemeinde wird es eine Umstellung sein. Viele kennen gar keinen Anderen auf dem Chefsessel, keiner seiner 54 Bürgermeisterkollegen in Stormarn ist länger im Amt als der 80-Jährige.
Hoisdorfs Bürgermeister Dieter Schippmann hört nach 29 Jahren auf
Am 18. April 1994 wählte die Gemeindevertretung den damals 51-Jährigen erstmals zum Bürgermeister. Seitdem wurde Schippmann fünf Mal im Amt bestätigt. „Irgendetwas muss ich also richtig gemacht haben“, scherzt er. Bereits seit April 1982 ist er Gemeindevertreter für die Wählergemeinschaft DGH, wenn sein Mandat am 19. Juni mit dem Zusammentritt des neu gewählten Kommunalparlaments endet, werden es 41 Jahre gewesen sein.
Für seine Heimatgemeinde engagierte sich Schippmann auch schon in den Jahren zuvor. Seit seinem zweiten Lebensjahr ist der gebürtige Hamburger – mir kurzer Unterbrechung von 1956 bis 1968, als seine Eltern mit der Familie in den Nachbarort Schmalenbeck ziehen – in Hoisdorf zu Hause. Zunächst ist er Schulelternbeirat an der örtlichen Grundschule, die er selbst von 1949 bis 1953 besuchte, und Vorstandsmitglied beim Sportverein TuS Hoisdorf.
Bis 2007 ist Schippmann neben dem Ehrenamt voll berufstätig
Bis Oktober 2007 ist Schippmann voll berufstätig, schultert das Ehrenamt nebenher. Als Diplom-Bauingenieur mit dem Fachgebiet Tiefbau ist er zunächst für ein Planungsbüro tätig, später wechselt er zur Hamburger Baubehörde. Als Bauleiter verantwortet der Hoisdorfer Großprojekte wie die Verlängerung der S-Bahn zum Flughafen und den Bau der Ortsumgehung Fuhlsbüttel.
„Ich hatte den Vorteil, dass auf den Bau meist sehr früh angefangen wird“, sagt der 80-Jährige. Unter der Woche ist Schippmann in der Regel morgens um 6 Uhr auf der Baustelle, sodass er am Nachmittag Zeit für das Ehrenamt hat. „Wenn es etwas Wichtiges gab, bin ich nach der Arbeit aufs Amt gefahren, das hat sich mit der Zeit recht gut eingespielt“, sagt er. Trotz allem findet der Familienvater auch noch ausreichend Zeit für Frau, Tochter und Sohn. „Meine Frau hat mich immer unterstützt, das hat mir großen Rückhalt gegeben“, sagt der Bürgermeister.
2013 verleiht das Land ihm die Freiherr-vom-Stein-Verdienstnadel
Neben den abendlichen kommunalpolitischen Sitzungen lädt Schippmann wöchentlich zur Bürgermeistersprechstunde. Wie viel Zeit er jede Woche in das Ehrenamt investiert, darüber habe er sich nie Gedanken gemacht, sagt der 80-Jährige. „Entweder man macht es, weil man Spaß daran hat, oder man lässt es“, sagt er in seiner resoluten Art und ergänzt: „Mich hat ja keiner gezwungen.“
Für sein kommunalpolitisches Engagement wird Schippmann im November 2013 vom damaligen Kieler Innenminister Andreas Breitner (SPD) mit der Freiherr-vom-Stein-Verdienstnadel ausgezeichnet. Im Mai 2015 erhält der Hoisdorfer auch die Deutsche Feuerwehr-Ehrenmedaille, die höchste zivile Auszeichnung, welche die Retter vergeben, für seinen Einsatz für die Belange der freiwilligen Brandbekämpfer.
Schippmann verantwortete zahlreiche prägende Bauvorhaben
Unterm Strich sei ihm wichtig, dass er etwas bewegt habe, sagt Schippmann rückblickend. Das wird wohl keiner in Hoisdorf infrage stellen. Der Schreibtisch, an dem er nun sitzt, ist gewissermaßen Schippmanns erstes Werk. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister bringt er den Bau des Gemeindebüros mit auf den Weg.
Es folgen zahlreiche weitere ortsprägende Bauvorhaben: 2003 wird die Grundschule erweitert, 2010 der Grandplatz des TuS durch einen Kunstrasenplatz ersetzt, 2015 der zwei Millionen Euro teure Neubau für die Feuerwehr Hoisdorf errichtet und 2017 die Wache im Ortsteil Oetjendorf vergrößert und umfassend saniert. Um all das zu finanzieren, setzt Schippmann gegen Widerstände in der Landesplanung eine Wohnbebauung an den Straßen Krütz und Moorweg durch. Bei allen Projekten profitiert Hoisdorf von der beruflichen Expertise des Bauingenieurs.
Das neue Sportzentrum ist das Herzensprojekt des Hoisdorfers
Das aufwendigste und teuerste Bauvorhaben in der Geschichte der Gemeinde entsteht von Sommer 2019 bis September 2021 an der Oetjendorfer Landstraße. An der Stelle der maroden Peter-Frensch-Halle aus den 1970er-Jahren wird ein modernes Sportzentrum mit 280 Quadratmeter großer Halle, zwei Mehrzweckräumen, Kraftraum mit Fitnessgeräten, zehn Umkleiden, Besprechungszimmer und Vereinsgastronomie errichtet.
Das Investitionsvolumen liegt bei rund 4,5 Millionen Euro. Das Gebäude, das inzwischen das Zentrum des Gemeindelebens in Hoisdorf bildet, war eines der Herzensprojekte des scheidenden Bürgermeisters. Schon zur Kommunalwahl 2018 habe er überlegt aufzuhören, sagt Schippmann. „Aber das Sportzentrum wollte ich noch fertig bauen, habe mir gesagt: Das machst du noch.“ Nicht selten bemühte der Bürgermeister während Bau- und Planungsphase den Terminus eines „Jahrhundertprojektes“. Rückblickend sagt er: „Ich bin froh, dass wir das noch rechtzeitig hinbekommen haben, bei den aktuellen Baukosten hätten wir mindesten 1,5 Millionen mehr bezahlt.“
Schippmann setzt sich für Bewahrung des historischen Dorfes ein
Doch Schippmann erlebt als Bürgermeister nicht nur harmonische Zeiten. Zur Bewährungsprobe wird ab 2014 der Streit um eine Schweinemastanlage, die ein Hoisdorfer Landwirt am Ortsrand errichten möchte. Gegen die von Schippmanns DGH mitgetragenen Pläne formiert sich eine Bürgerinitiative. Auch wenn das Vorhaben bis heute nicht umgesetzt wurde, wird monatelang erbittert gestritten. „Wenn es Ärger gibt, bin ich keiner der kneift, im Gegenteil“, sagt Schippmann und ergänzt: „Man kann nicht allen alles recht machen, ab und an tritt man unweigerlich auch mal Leuten gegen das Schienbein.“
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Besonders setzt sich der Diplom-Ingenieur für die Bewahrung des historischen Hoisdorf ein. Er macht sich für das Abfassen einer Gemeindechronik stark, die schließlich 2001 erscheint und für den Erhalt des Landhauses am Dorfanger, als die Wirtin des Lokals sich Ende der 2000er-Jahre zurückzieht und das Gebäude in der Ortsmitte vom Abriss bedroht ist. Die Gemeinde beschließt eine Dorferhaltungssatzung, bezuschusst außerdem die Sanierung, um den Saal am Landhaus als Versammlungsort zu bewahren.
Seit 2002 hat der Bürgermeister mehr als 150 Paare getraut
2002 lässt sich Schippmann fortbilden und darf seitdem als Bürgermeister im Auftrag des Standesamtes Trauungen im Stormarnschen Dorfmuseum vornehmen. Mehr als 150 Paare hat der 80-Jährige getraut. „Mir ging es darum, dass Hoisdorfer hier in der Gemeinde heiraten können und nebenbei das Museum bekannter zu machen“, sagt Schippmann. Schließlich könne nicht jede Gemeinde von der Größe Hoisdorfs mit einer solchen heimatkundlichen Sammlung aufwarten.
Und was wird der Langzeit-Dorfchef nun machen, nachdem er Mitte Juni aus dem Amt geschieden ist? „Zuerst wird das eine Umstellung, als Bürgermeister ist man ja überall mittendrin“, sagt Schippmann. Alles Weitere wolle er auf sich zukommen lassen. „Ich wurde auch gefragt, ob ich nicht als gewöhnliches Mitglied in der Gemeindevertretung weiter mitarbeiten möchte“, erzählt er. Das habe er abgelehnt. „Man muss auch einen Schlussstrich ziehen können“, sagt der 80-Jährige.
Die Pläne für das nächste Großprojekt hängen schon an der Wand
Als Nachfolger steht bereits der 51 Jahre alte Rechtsanwalt und Notar Alexander Franz bereit, sollte die DGH bei der Wahl erneut stärkste Kraft werden und das Vorschlagsrecht für den Bürgermeisterposten haben. Genug zu tun wird der Neue haben: Im Gemeindebüro, an der Wand rechts neben Schippmanns Schreibtisch, hängen bereits die Pläne für das nächste Großprojekt: Ein neues Gebäude für die Offene Ganztagsschule soll von 2024 bis 2025 errichtet werden. „Die Einweihung überlasse ich dann meinem Nachfolger“, sagt Schippmann und lächelt.