Ahrensburg. Organisatoren wollten Sensationsfund aus Ahrensburg zurück in die Schlossstadt bringen. Aber dort gibt es „rechtliche Bedenken“.

Die Vitrinen stehen bereits im Keller der Ahrensburger Stadtbücherei: Vom 1. Juni bis zum 15. Juli sollte dort die Ausstellung „Die Welt der Ahrensburger Rentierjäger“ stattfinden. Wertvolle archäologische Funde sollten in der Schlossstadt zu sehen sein, darunter ein Fragment des bislang ältesten entdeckten Pfeils der Menschheitsgeschichte. Davon gingen zumindest Svenja Furken und ihre Mitstreiter von der Interessengemeinschaft Tunneltal aus. Jetzt ist klar: Die Vitrinen können wieder zurück ins Archäologische Landesmuseum nach Hamburg gebracht werden. Die Ahrensburger Verwaltung hat die Ausstellung kurzfristig abgesagt und führt unter anderem rechtliche Bedenken an.

„Ich bin fassungslos und traurig“, sagt Furken. Die Naturpädagogin ist die treibende Kraft hinter den Bemühungen, das 12.000 Jahre alte Pfeilfragment, welches der Prähistoriker Alfred Rust in den 1930er-Jahren im Tunneltal bei Ahrensburg entdeckte und das im Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig lagert, zurück in die Schlossstadt zu holen. Es wurde erst 2013 in Rusts Nachlass wiederentdeckt, nachdem man lange Zeit davon ausgegangen war, dass sämtliche Überreste der von ihm entdeckten Pfeile im Zweiten Weltkrieg verbrannt waren.

Verein schockiert: Ahrensburger Verwaltung sagt Tunneltal-Ausstellung ab

Laut Furken wäre es das erste Mal überhaupt, dass das Holzfragment, dessen Entdeckung so bedeutsam war, dass seine steinzeitlichen Hersteller international den Namen „Ahrensburger Kultur“ erhielten, öffentlich zu sehen ist. Gemeinsam mit dem Pfeilstück sollten andere Exponate aus Gottorf und dem Archäologischen Landesmuseum in Hamburg als Leihgaben nach Ahrensburg kommen. Beide Häuser wollten sie kostenfrei zur Verfügung stellen. Erklärtexte und Vorträge namhafter Wissenschaftler sollten die Ausstellung ergänzen.

Seit 2019 hat Furken gemeinsam mit anderen an der Schau gearbeitet, dafür die Kontakte genutzt, die die Tunneltal-Expertin über die Jahre in die Museen und die Forschung aufgebaut hat. „Es war ein Riesengeschenk, dass Schloss Gottorf bereit war, uns eines ihrer wertvollsten Fundstücke kostenfrei zur Verfügung zu stellen“, sagt sie.

Die Kosten für die Ausstellung liegen bei rund 28.000 Euro

2020 hatten Ahrensburgs Stadtverordnete beschlossen, dass die Stadt als Veranstalterin der Ausstellung fungiert und sich auch an den Kosten beteiligt. Diese liegen bei rund 28.000 Euro, einen Anteil von 13.260 Euro wollte die Aktivregion Alsterland mit EU-Geld fördern. Auch die Sparkasse Holstein und die Sparkassen-Stiftung Stormarn waren laut Furken mit im Boot. Als Zeitraum wurde zunächst der September 2020 anvisiert. Doch wegen der Corona-Pandemie musste der Termin wiederholt verschoben werden. Im Herbst 2022 sei eine Eröffnung im Juni 2023 mit allen Beteiligten abgestimmt worden, so Furken.

Angesichts der Absage seien sie und ihr Team vom Tunneltal-Verein noch immer „in Schockstarre“. Die Verantwortung dafür sieht Furken im Ahrensburger Rathaus, dem gegenüber sie schwere Vorwürfe erhebt. „Kurz vor Ostern habe ich durch Zufall erfahren, dass es im Rathaus Bedenken gebe. Worum es ging, hat zuerst keiner gesagt“, so die Organisatorin.

Organisatoren erheben Vorwürfe gegenüber der Verwaltung

Die Verwaltung habe sie wochenlang im Unklaren gelassen, bis sie vor einigen Tagen die Notbremse gezogen und den eingeladenen Wissenschaftlern abgesagt habe. „Warum kommuniziert die Stadt nicht?“, fragt Furken. Sie habe den Eindruck, dass ehrenamtlicher Einsatz von der Verwaltung nicht wertgeschätzt werde.

Ahrensburgs Bürgermeister Eckart Boege stellt die Dinge anders dar. „Es ist richtig, dass der Termin von Juni bis Juli in den Planungen vorgesehen war, aber er wurde nie offiziell kommuniziert und war nicht final“, sagt der Verwaltungschef. Mitte April sei aufgefallen, dass es ein rechtliches Problem mit der Beschlussfassung der Stadtverordneten bezüglich der Kostenübernahme gebe.

Bürgermeister hält erneuten politischen Beschluss für notwendig

„In der seinerzeit beschlossenen Vorlage war ein konkreter Zeitraum für die Ausstellung festgelegt, außerdem sollte sie das Begleitprogramm zu einer wissenschaftlichen Tagung in Ahrensburg bilden“, sagt Boege. Durch die Verschiebung sei beides hinfällig. „In der Folge ist die ursprüngliche Beschlussfassung nicht mehr gültig“, erklärt er. Da die Ausstellung mit einem erheblichen Budget verbunden sei, benötige die Verwaltung eine erneute Beauftragung durch die Politik.

Boege gibt zu, dass sich dieses Problem hätte heilen lassen, wäre es früher bemerkt worden. „Wer sich mit dem Geschehen in der Stadt befasst, weiß aber, dass es eine ganze Reihe anderer Projekte mit hoher Priorität gibt, denen die Aufmerksamkeit der Verwaltung gilt“, sagt der Bürgermeister. Da habe die Ausstellung schlicht „nicht an erster Stelle“ gestanden. Wann das Rathaus das Problem erstmals gegenüber dem Tunneltal-Verein kommuniziert hat, konnte Boege auf Nachfrage nicht sagen.

Furken hat noch Hoffnung auf Ausstellung zu späterem Zeitpunkt

Neben den rechtlichen Bedenken habe es aber noch weitere Aspekte gegeben, welche die Verwaltung veranlasst haben, die Reißleine zu ziehen. Während der Vorbereitungen sei aufgefallen, dass es „bei Konzept und Planung noch große Fragezeichen gibt“, so Boege. „Und dass es die gibt, hat nicht die Stadt zu verantworten.“ Als Beispiel nennt der Verwaltungschef, dass bestimmte Dienstleistungen, etwa das Erstellen der Texte und der Hinweistafeln, hätten öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Zudem sei das Archäologische Landesamt mit „inhaltlichen Hinweisen“ zu der Ausstellung an die Stadt herangetreten. Näheres dazu möchte Boege auf Nachfrage nicht sagen.

Bei Svenja Furken stößt das alles auf Unverständnis. Sie möchte die Hoffnung dennoch nicht aufgeben, dass die Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch stattfinden kann. „Ein endgültiges Aus wäre ein Affront gegenüber den beiden Museen, die viel Herzblut in die Vorbereitung gesteckt haben, und würde dem Ansehen Ahrensburgs sehr schaden“, sagt sie.

Ältester Pfeil käme bei neuem Termin wohl nicht nach Ahrensburg

Boege zeigt sich offen, die Veranstaltung nachzuholen. „Das wird eine politische Entscheidung sein, ob die Stadt das Projekt weiterhin unterstützen möchte“, sagt er. Voraussetzung sei zudem aus Sicht der Verwaltung eine „vernünftige Planung“. Ob dann allerdings das Pfeilfragment nach Ahrensburg kommen könnte, ist laut Furken ungewiss. Es soll bald Teil der neu gestalteten Dauerausstellung in Gottorf werden und dann wohl nicht mehr auf Reisen gehen.