Großhansdorf. Neue Lübecker möchte an Sieker Landstraße sechs Gebäude durch Neubauten ersetzen. Ein Teil ist schon abgerissen. Woran es hakt.
Bezahlbarer Wohnraum ist überall in Stormarn knapp. Ein Grund ist, dass es vielerorts an geeigneten Flächen für den Bau neuer Wohnungen fehlt. In Großhansdorf gibt es eine solche, auch die baurechtlichen Voraussetzungen sind bereits geschaffen. Doch auf dem Areal an der Sieker Landstraße, in bester Lage unweit des Schulzentrums, geht es seit mehr als einem Jahr nicht mehr voran. Bei der Lokalpolitik sorgt das für Unmut.
Die Baugenossenschaft Neue Lübecker (NL) möchte auf der Fläche sechs Mehrfamilienhäuser mit 112 Wohnungen errichten. 20 Prozent der Einheiten sind öffentlich gefördert, das entspricht 23 Sozialwohnungen. Die Mieten für die übrigen Wohnungen sollen deutlich unter dem Großhansdorfer Marktniveau liegen. Bis Ende 2019 waren die beiden Grundstücke Gemeindeeigentum. Damals hatte eine große, parteiübergreifende Mehrheit beschlossen, sie für 1,4 Millionen Euro zu verkaufen. Zuvor waren sie per Erbpacht an die NL vergeben.
Bau von 112 Wohnungen an Sieker Landstraße in Großhansdorf stockt
Die Gemeinde hat den Bebauungsplan bereits Ende 2020 angepasst, außerdem einen Städtebaulichen Vertrag mit der NL geschlossen. Die Neubauten sollen die sechs zweigeschossigen Mehrfamilienhäuser aus dem Jahr 1951 ersetzen. Die Gebäude sind marode, eine Sanierung wäre laut Neuer Lübecker unwirtschaftlich.
Die neuen Häuser sollen mit drei Vollgeschossen höher werden als die alten. Dadurch soll die Zahl der Wohnungen um 60 Prozent von 70 auf 112 steigen. Die angespannte Parkplatzsituation mit bislang nur 17 oberirdischen Stellplätzen soll durch den Bau von zwei Tiefgaragen, die zusammen Platz für 100 Autos bieten, entschärft werden.
Neue Lübecker nennt gestiegene Baukosten als Grund für Verzögerung
Der Neubau soll in zwei Abschnitten erfolgen: Zunächst sollten die drei Gebäude mit den Hausnummern 203 bis 211 rechts der Zufahrt zum Schulzentrum ersetzt werden, anschließend die Nummern 187 bis 197 links davon. Erstere hat die Genossenschaft bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 abreißen lassen. Die ehemaligen Mieter mussten in andere Wohnungen umziehen. Doch seitdem herrscht Stillstand. Zum geplanten Baubeginn im Herbst 2022 kam es nicht, die Fläche liegt seither brach.
Als Grund nennt die NL auf Anfrage die Baukostenentwicklung. „Der Umsetzung des Projektes stehen die nach wie vor extrem hohen Baukosten entgegen, bedingt durch unverändert hohe Materialpreise, aber auch überdurchschnittlich gestiegene Lohnkosten und die allgemeine Zinsentwicklung“, sagt Uwe Heimbürge, Technischer Vorstand bei der Neuen Lübecker. Deshalb habe sich der Baubeginn im Herbst 2022 nicht realisieren lassen.
Genossenschaft möchte an dem Vorhaben festhalten
Ursprünglich hatte die Genossenschaft mit einem Investitionsvolumen von 25 bis 30 Millionen Euro geplant. Eine neue Schätzung sei aufgrund der Lage in der Baubranche nicht möglich, so Heimbürge. „In Absprache mit der Gemeinde pausieren wir das Projekt vorerst“, sagt der Vorstand, der sich gleichzeitig bemüht zu versichern, dass die Genossenschaft an dem Vorhaben grundsätzlich festhalte. „Uns liegt dieses Projekt am Herzen und wir sind bestrebt, den Ersatzneubau zeitnah umzusetzen“, sagt er.
In Großhansdorfs Lokalpolitik sorgt das Vorgehen der NL für Ärger. „Es ist ein großes Problem, dass die Neue Lübecker entgegen der Zusagen nicht anfängt zu bauen“, sagt Carsten Pieck (FDP). Gar als „dramatisch“ bezeichnet die Grünen-Fraktionschefin Sabine Rautenberg die Entscheidung der Genossenschaft, den Baustart zu verschieben. „Der Bedarf an Mietwohnungen in Großhansdorf ist enorm“, sagt sie. Heute würde sie eine gemeindeeigene Fläche dieser Größe nicht mehr veräußern, so Rautenberg. Künftig solle Großhansdorf Areale lieber selbst entwickeln oder sich beim Kreis für die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft einsetzen. „Dann hätten wir die Dinge in der Hand“, so die Grüne.
Neue Lübecker scheitert mit Wunsch nach zusätzlichem Stockwerk
Nach Information der Redaktion ist die Neue Lübecker mit dem Wunsch an die Gemeinde herangetreten, Änderungen an den Bauvorgaben vorzunehmen, um im Gegenzug doch früher mit der Umsetzung zu beginnen. Um Kosten zu sparen und mehr Einnahmen zu erzielen, wollte die Baugenossenschaft demnach die Erlaubnis erwirken, eines der Gebäude um ein viertes Geschoss mit weiteren fünf Wohnungen zu erweitern. Es sollte als Staffelgeschoss zur Straßenseite leicht zurückversetzt errichtet werden. Zudem wollte die NL auf eine der beiden Tiefgaragen verzichten und die wegfallenden 30 Stellplätze stattdessen oberirdisch einrichten.
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Über die Wünsche wurde in den vergangenen Monaten im nichtöffentlichen Teil im Bau- und Umweltausschuss beraten. Während SPD und FDP sich gesprächsbereit zeigen, wollen CDU und Grüne, die in Großhansdorf gemeinsam eine Mehrheit haben, an den bisherigen Planungen festhalten. Die CDU befürchtet einen „Domino-Effekt“ auf andere Bauvorhaben. „Aus unserer Sicht passt eine höhere Bebauung an der Stelle nicht ins Ortsbild“, sagt die Fraktionsvorsitzende Andrea Schmolling.
Grüne pochen auf Vertrag, SPD und FDP zeigen sich gesprächsbereit
Das sehen die Grünen ähnlich. „Ich bin der Auffassung, dass Verträge eingehalten werden sollten“, sagt Fraktionschefin Rautenberg. Zudem sei die Lage in der Baubranche zwar angespannt, aber nicht so, dass sich Projekte wie jenes an der Sieker Landstraße nicht mehr finanzieren ließen. „Andere bauen auch noch“, sagt Rautenberg, die selbst in der Immobilienwirtschaft arbeitet.
Die FDP zeigt sich offen für eine höhere Bebauung, besteht aber auf die Tiefgaragen. „Gerade im Umfeld des Schulzentrums müssen die parkenden Autos unter der Erde verschwinden, um die Verkehrslage übersichtlicher und die Schulwege sicherer zu machen“, sagt Pieck. Zudem wolle seine Partei keine weiteren Flächen versiegeln. Einzig die SPD ist offen für beide Änderungswünsche. „Uns ist wichtig, dass wir möglichst zeitnah möglichst viel Wohnraum schaffen“, sagt Fraktionschefin Apel. Eine höhere Bebauung sei aus ihrer Sicht städtebaulich vertretbar.
Genossenschaft stellt Baubeginn im Frühjahr 2024 in Aussicht
Die Neue Lübecker wird nach Aussage Heimbürges angesichts der Mehrheiten in der Großhansdorfer Politik an den ursprünglichen Plänen festhalten. Wann es mit dem Projekt weitergeht, bleibt aber unklar. Als Zeitfenster für den Baustart im ersten Abschnitt nennt der NL-Vorstand das Frühjahr 2024, „vorausgesetzt die Marktsituation normalisiert sich so weit, dass bezahlbarer Wohnraum erstellt werden kann.“ Bis dahin hat die Genossenschaft laut Vertrag mit der Gemeinde Zeit zu beginnen. Der erste Bauabschnitt könnte demnach zwischen Herbst 2025 und Frühjahr 2026 fertiggestellt sein.