Ahrensburg. Beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis kostenlos Bus und Bahn fahren: Was es in Neumünster schon gibt, ist für Stormarn im Gespräch.
Ein kostenloses Jahresticket für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV): Diese Belohnung erleichtert es älteren Menschen in vielen Regionen Deutschlands, ihren Führerschein freiwillig abzugeben, wenn sie sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr ganz fit am Steuer ihres Autos fühlen. Manche fällen die Entscheidung, weil sie schlechter hören und sehen, andere reagieren langsamer. Einheitliche „Belohnungen“ gibt es bundesweit allerdings nicht.
In Ahrensburg griff die Kommunalpolitikerin Anne Hengstler, Bürgerliches Mitglied der CDU-Fraktion, das Thema jetzt auf. Eine Frau habe ihr berichtet, dass beispielsweise in Hannover Senioren ein Jahr lang kostenlos mit Bussen und Bahnen unterwegs sein dürfen, wenn sie ihren Führerschein abgeben. „Vielleicht lässt sich so etwas ja auch in Ahrensburg oder Stormarn auf den Weg bringen“, sagte Hengstler.
70 bis 90 Stormarner geben jährlich ihren Führerschein ab
Laut des Tarifverbunds Großraum-Verkehr Hannover (GVH) ist die Aktion „Fahrschein statt Führerschein“ sehr erfolgreich. Im ersten Jahr beteiligten sich rund 2800 ältere Einwohner, von denen der Großteil über 70 war. Weil sich in dem zweijährigen Pilotprojekt fast 3400 Rentner die kostenlose Seniorennetzkarte (aktuell regulär 31 Euro im Monat für den Großraum) sicherten, wurde es bis November 2024 verlängert.
Im Kreis Stormarn verzichten jährlich zwischen 70 und 90 Menschen freiwillig auf ihre Fahrerlaubnis, so die Verkehrsaufsicht der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe. Allerdings sind dies nicht ausschließlich Senioren. Die Statistik der Fahrerlaubnisbehörde weist nur die Gesamtanzahl der Fälle aus, aber keine Details.
Fahrerlaubnis: Gründe für Verzicht werden nicht erfasst
„Der Grund für den Verzicht wird nicht explizit gespeichert“, sagt Kerstin Hauschild-Wegener, Leiterin der Verkehrsaufsicht. Viele Personen geben auch in einem Verfahren, in dem es um die Überprüfung der Kraftfahreignung geht, oder in einem Entziehungsverfahren den Führerschein von sich aus zurück.
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Das kann völlig unkompliziert erledigt werden. Der freiwillige Verzicht muss gegenüber der für den Wohnort zuständigen Fahrerlaubnisbehörde – beim Kreis Stormarn die Führerscheinstelle im Fachdienst Straßenverkehrsangelegenheiten (Rögen 36-38 in Bad Oldesloe) – schriftlich erklärt werden. „Hierzu genügt auch ein formloser Zweizeiler“, sagt Kerstin Hauschild-Wegener. Auf Anfrage verschickt die Behörde eine vorformulierte Verzichtserklärung, in der auch ein Hinweis auf die Rechtsfolge enthalten ist. Wer nämlich weiterhin ein Auto auf öffentlichen Straßen steuert, macht sich strafbar.
In Stormarn gab es bis 2002 kostenloses Busjahresticket
Aktuell gibt es in Stormarn keine kostenlose Nahverkehrskarte für Senioren, die den Führerschein zurückgeben. Vor 2002 habe die damalige Verkehrsgemeinschaft Stormarn die Aktion „mobil-ticket“ angeboten. „Nach dem freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis war den Personen ein Busticket für die Dauer von einem Jahr ausgestellt worden“, so die Leiterin der Verkehrsaufsicht. Mit dem Anschluss an den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) Ende 2022 lief das freiwillige Angebot aus.
Aktuell kostet die Senioren-Monatskarte für den HVV-Bereich Hamburg AB (mit Ammersbek, Ahrensburg, Großhansdorf, Barsbüttel, Glinde, Reinbek) 65,80 Euro und im Abo 54 Euro. Bei zwei zusätzlichen Tarifzonen C und D (umfasst Bargteheide, Bad Oldesloe, Trittau) sind es 90,40 Euro und im Abo 74,10 Euro.
Neumünster ist einer der Vorreiter in Schleswig-Holstein
Zu den Vorreitern in Schleswig-Holstein zählt die 80.000-Einwohner-Stadt Neumünster. Dort bekommen Mitbürger ab dem 70. Lebensjahr eine Jahreskarte für den Busverkehr der Stadtwerke SWN im Tausch gegen den Kfz-Führerschein. Jährlich machten circa 50 bis 60 Senioren davon Gebrauch.
Stormarns Nachbarstadt Lübeck, in der rund 220.000 Menschen leben, hatte im Vorjahr einen Modellversuch gestartet: Unabhängig vom Alter bekam jeder Hansestädter beim Verzicht auf den Führerschein eine Jahreskarte für die Busse des Stadtverkehrs im Wert von 620 Euro. Der Andrang war so groß, dass die 500 zur Verfügung gestellten Tickets längst vergeben sind und die ursprünglich auf drei Jahre angesetzte Aktion bereits beendet werden musste.
Im Kreis Pinneberg lehnte der Kreistag einen Vorstoß ab
Im Kreis Pinneberg ist ein ähnlicher Vorstoß dagegen im Vorjahr gescheitert. Der dortige Kreistag hat es mehrheitlich abgelehnt, die Kosten zu übernehmen. Bei geschätzten 50 Fällen pro Jahr hätten dafür rund 43.000 Euro im Haushalt eingeplant werden müssen.
In Baden-Württemberg hatte zuletzt auch die Landesregierung entsprechende Initiativen gefördert. Das Verkehrsministerium schloss mit unterschiedlichen Verkehrsverbünden einen Kooperationsvertrag für das Projekt „Bus und Bahn statt Führerschein“. Seniorinnen und Senioren ab 65 erhielten kostenlose Jahrestickets für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Verkehrsverbund ihres Wohnorts. Das Land stellte bis zu drei Millionen Euro Zuschuss bereit.
Online-Selbsttest der Aktion „Sicher mobil im Alter“ vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat: www.dvr.de/themen/aeltere-menschen/online-test