Hamburg. Die Zahl sinkt auf 61.000. Aber: Es gibt immer mehr alkoholbedingte Unfälle mit Fahrrädern und E-Scootern.

Selten hat eine Statistik so deutlich ein Problem aufgezeigt. Die Zahl der Unfälle, bei denen Alkohol im Spiel war, stieg im vergangenen Jahr deutlich. Was alarmierend ist: Während die Zahl der Autofahrer, die betrunken einen Unfall verursachten, nahezu gleich geblieben ist, stieg die Zahl der Unfälle, bei denen ein Radfahrer oder der Fahrer eines E-Scooters betrunken war, sprunghaft an. Mittlerweile machen sie rund 40 Prozent aller Verkehrsunfälle aus, bei denen Alkohol im Spiel war.

Ansonsten ist Innensenator Andy Grote (SPD), der die Unfallstatistik im Rathaus am Dienstag vorstellte, mit sich und der Polizei zufrieden. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist 2022, gemessen an der Bevölkerung, auf einen historisch niedrigen Stand gesunken. Als Referenzwert nahm Grote, wie schon bei der Kriminalitätsstatistik das Jahr 2019, weil die beiden Folgejahre wegen Corona und des damit verbundenen Lockdowns nicht für einen Vergleich taugten.

Verkehr Hamburg: Zahl der Unfalle mit betrunkenen Radfahrern verdreifacht

211 Verkehrsunfälle mit Radfahrern unter Alkoholeinfluss registrierte die Polizei im vergangenen Jahr auf Hamburgs Straße. 2019 waren es noch 72 gewesen. Die Zahl hat sich damit verdreifacht. Grote verwies darauf, dass das Radverkehrsaufkommen aber auch deutlich gestiegen sei. In Relation dazu seien alkoholbedingte Unfälle nicht häufiger geworden. Der Radverkehr wird von der Verkehrsbehörde gemessen – die dafür verwendeten automatischen Zählstationen stehen allerdings meist in besonders fahrradaffinen Gegenden.

Die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss ist auch bei den E-Scootern angewachsen. Dort stieg die Zahl der Unfälle um rund 20 Prozent an. Damit ist Alkohol auch eine der Hauptursachen bei Verkehrsunfällen mit den Elektrorollern. Jeder fünfte E-Scooter-Fahrer, der in einem Verkehrsunfall verwickelt war, war angetrunken. Schaut man sich die Unfälle mit verletzten E-Scooter-Fahrern an, war sogar jeder dritte angetrunken. Zum Vergleich: Bei allen in Hamburg angezeigten 61.017 Verkehrsunfällen im vergangenen Jahr spielte in nur rund ein Prozent der Fälle Alkohol eine Rolle.

Viele meinen, dass man angetrunken noch Rad oder Scooter fahren kann

„Verkehrsmittel wie Fahrrad und E-Scooter sind attraktiv und haben viele Vorteile“, sagt Grote. „Aber dass man betrunken damit fährt, gehört nicht dazu“, so der Innensenator. Er glaubt, dass beide Verkehrsmittel dazu verleiten, sie „leichtfertig“ trotz des Alkoholgenusses zu nutzen. „Obwohl man schon weiß, dass man kein Auto mehr fahren kann, glauben einige, dass es mit dem Fahrrad oder E-Scooter noch geht“, sagt Grote. „Das ist aber ein Trugschluss.“

„Da haben wir richtig was zu tun“, sagt Grote dann auch mit Blick auf die Unfallzahlen und kündigt an: „Hier werden wir auch deutlich mit mehr Kontrollen einsteigen.“ Dabei waren die in erster Line dafür zuständigen Fahrradstaffeln nicht untätig. Im vergangenen Jahr erwischten sie 1497 Radfahrer, die eine rote Ampel missachteten, und 650, die beim Radeln das Handy benutzten.

Zahl der Verkehrsunfälle ging im Vergleich zu 2019 zurück

In anderen Bereichen dagegen sieht es deutlich besser aus. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 ging die Zahl der Verkehrsunfälle auf Hamburgs Straßen insgesamt um 7900 oder satte 11,5 Prozent zurück. Dabei überwiegen bei den gut 61.000 Verkehrsunfällen, die 2022 passierten, die sogenannten Bagatellfälle. Bei knapp 90 Prozent aller Verkehrsunfälle blieb es bei Blechschäden ganz ohne Verletzte.

Etwas Sorge macht die Mobilitätslust der Senioren. Zwar ging die Zahl der Unfälle mit über 65-Jährigen in Hamburg vergangenes Jahr um 11,3 Prozent verglichen mit 2019 auf 11.166 Unfälle zurück. Von den 842 bei Unfällen verletzten Senioren zogen sich in knapp der Hälfte der Fälle die Verunglückten ihre Verletzung als Radfahrer zu. Insbesondere stieg laut Polizei dabei die Zahl der Unfälle, bei denen ein E-Bike gefahren wurde.

Unfälle mit Kindern gingen leicht zurück

Eine positive Entwicklung gab es auch bei den Verkehrsunfällen, an denen Kinder beteiligt waren. 407 solcher Unfälle gab es vergangenes Jahr in Hamburg. Das ist ein Rückgang von rund 4 Prozent gegenüber 2019. Gemessen an der gestiegenen Zahl von Kindern in Hamburg, festgemacht unter anderem an dem historischen Schülerzuwachs von 7490 Kindern, ist das noch einmal bemerkenswert. Dabei stellte Wolfgang Breust, Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei, fest, dass es an den Hamburger Schulen keine Unfallschwerpunkte gibt. Statistisch gesehen verunglückten im vergangenen Jahr 231 von 100.000 Kindern in Hamburg. Zum Vergleich: Bis 2005 waren es regelmäßig noch mehr als 400.

Ein trauriger Punkt: 2022 starb auch ein kleines Kind im Straßenverkehr. Im Juni war ein 18 Monate alter Junge unter einen Transporter gekrabbelt. Der Fahrer hatte es nicht bemerkt und das Kleinkind beim Anfahren überrollt. Damit ist im zweiten Jahr in Folge ein Kind auf Hamburgs Straßen ums Leben gekommen.

Der Junge ist einer von 24 Verkehrs­toten, die in Hamburg im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit Verkehrs­unfällen ums Leben kamen. Die meisten Verkehrstoten, zehn, waren Fußgänger, oft ältere Menschen und oft Verursacher beim falschen Überqueren von Straßen. Außerdem starben sieben Insassen von Autos, drei Motorrad- und drei Fahrradfahrer sowie ein Lastwagenfahrer in Hamburg bei Verkehrsunfällen.

Verkehr Hamburg: Erhöhte Geschwindigkeit bleibt Unfallursache Nummer eins

Und was sind die Hauptursachen der Unfälle? Auch darüber gibt die „Verkehrs­sicherheitsbilanz“ Auskunft. Unfall­ursache Nummer eins bleibt weiterhin „Geschwindigkeit und Abstand“ mit 18,3 Prozent, was immerhin rückläufig ist. 2021 lag der Wert noch bei 19,7 Prozent, im Jahr davor bei 21,5 Prozent.

Polizeivizepräsident Mirko Streiber macht dafür auch die ausgeweitete Geschwindigkeitsüberwachung der Polizei in Hamburg verantwortlich. Sie habe zu einer nachweisbaren Senkung des Geschwindigkeitsniveaus in der Stadt geführt. Auf Platz zwei und drei bei den Unfallursachen folgen die „Fehler beim Abbiegen“ mit zwölf Prozent und Vorfahrtsmissachtung auch im Zusammenhang mit Rotlichtverstößen mit elf Prozent.