Ahrensburg. Die Druckerei gehört zu den größten Arbeitgebern in der Schlossstadt. So geht es für die Angestellten jetzt weiter.
Die Prinovis-Druckerei in Ahrensburg steht vor dem Aus. Der Bertelsmann-Konzern, zu dem das Werk im Gewerbegebiet Nord gehört, plant die Einstellung des Betriebs zum 31. Januar 2024. Das hat die Geschäftsführung der Belegschaft und dem Betriebsrat bei einer Mitarbeiterversammlung am Donnerstagnachmittag mitgeteilt. Begründet wird die Schließung mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen.
„Die Entscheidung, das Werk in Ahrensburg zu schließen, ist uns sehr schwergefallen“, sagt Ulrich Cordes, Geschäftsführer von Prinovis und Finanzvorstand der Bertelsmann Printing Group. Sie sei aufgrund der negativen Marktentwicklung, die sich in den vergangenen Jahren noch beschleunigt habe, aber unumgänglich. Der für das Unternehmen relevante europäische Tiefdruckmarkt sei bereits seit mehr als einem Jahrzehnt strukturell rückläufig.
Bertelsmann-Tochter Prinovis schließt Druckerei in Ahrensburg Ende Januar 2024
„Insbesondere die Nachfrage nach hochauflagigen Katalogen sowie Zeitschriften und Supplements ist in diesem Zeitraum überproportional gesunken“, begründet Cordes die Entscheidung. „Hinzu kommt, dass unsere Auftraggeber aufgrund der Pandemiefolgen und des enormen Anstiegs der Papier- und Energiepreise ihren Marketingaktivitäten in den vergangenen zwei Jahren immer wieder hinterfragt und häufig in Richtung digitaler Kommunikationslösungen verändert haben.“ Dieses Kundenverhalten habe zu einem weiteren massiven Rückgang des Auftragsvolumens sowohl auf dem Akzidenz- als auch auf dem Zeitschriftenmarkt geführt – mit der Folge, dass Prinovis in Ahrensburg bereits seit längerer Zeit rote Zahlen schreibe.
Mit dem Aus für das Werk am Alten Postweg verliert Ahrensburg einen der größten Arbeitgeber in der Stadt. Nach Angaben des Unternehmens sind 545 Mitarbeiter von der Schließung betroffen. Für diese wolle man „zeitnah sozialverträgliche Lösungen“ finden, versichert Dirk Kemmerer, Geschäftsführer der Bertelsmann Printing Group. „Unser erklärtes Ziel ist es, den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnellstmöglich Gewissheit über die Rahmenbedingungen und den weiteren Ablauf des Prozesses zu geben“, sagt er.
Unternehmen kündigt Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretungen an
Während der Mitarbeiterversammlung kündigte Kemmerer an, umgehend in Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen einzutreten, um auf Grundlage des bestehenden Vorratssozialplans zeitnah einen Interessenausgleich zu vereinbaren. Der Geschäftsführer versprach: „Das Management ist sich seiner Verantwortung gegenüber der Belegschaft bewusst und steht zu allen Verpflichtungen, die sich aus dem Vorratssozialplan ergeben.“ An die Angestellten gewandt sagte Kemmerer: „Die Mitarbeitenden hier in Ahrensburg leisten seit vielen Jahren exzellente Arbeit und haben alles für den Betrieb gegeben.“
Der Geschäftsführer dankte der Belegschaft für den Einsatz und betonte: „Dass wir diese harte Entscheidung treffen mussten, hat nichts mit Ihrer Leistung zu tun, sondern ausschließlich mit den strukturellen Veränderungen im europäischen Tiefdruckmarkt und den gravierenden Folgen der Rohstoff- und Energiekrise.“
Ahrensburgs Bürgermeister Boege spricht von „herbem Verlust“
Ahrensburgs Bürgermeister Eckart Boege bedauert das Aus für die Traditions-Druckerei. „Die Nachricht hat mich in negativer Weise sehr überrascht“, sagt der Verwaltungschef. Auch er habe erst am Donnerstag von der geplanten Schließung erfahren. „Für Ahrensburg ist das ein herber Verlust, aber vor allem ist es ein schwerer Schlag für die Mitarbeiter“, so Boege. Prinovis gehöre seit Jahrzehnten zu Ahrensburg und sei „ein Teil der jüngeren Stadtgeschichte“.
Tatsächlich war das Unternehmen mehr als 55 Jahre in der Schlossstadt ansässig. Als das Werk am Alten Postweg im Juni 1967 eröffnete, damals noch als Teil des Springer-Konzerns, war es die größte und modernste Tiefdruckerei Europas. In den Folgejahren erlebte der Standort eine Zeit des stetigen Wachstums. Bundesweit bekannte Print-Medien wie „Hörzu“, „Stern“, „TV Digital“ und „Sport Bild“ sowie etliche Hochglanzkataloge mit Millionenauflagen finden von Ahrensburg ihren Weg quer durch die Republik.
Mitarbeiter hatten Standortgarantie mit Zugeständnissen teuer erkauft
Als die Axel Springer AG und die Bertelsmann-Unternehmensbereiche Arvato und Gruner+Jahr ihre Betriebe 2005 im neuen Unternehmen Prinovis zusammenführen, arbeiten im Ahrensburger Werk rund 800 Beschäftigte. 40.000 Zeitschriften werden in der Stunde geheftet, geschnitten, verpackt und gestapelt. Prinovis wird zum größten europäischen Tiefdruckkonzern mit einem geschätzten Jahresumsatz von 600 Millionen Euro.
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Doch mit Beginn der 2010er-Jahre rutscht Prinovis in die Krise. 2014 steht die Druckerei in Ahrensburg erstmals vor dem Aus. Letztendlich gibt die Unternehmensführung eine Standortgarantie bis Ende 2017 ab. Doch diese müssen sich die Arbeitnehmervertretungen mit Zugeständnissen teuer erkaufen. Die Wochenarbeitszeit steigt von 35 auf 38 Stunden, auf Weihnachts- und Urlaubsgeld wird in der Rotation verzichtet, die Maschinenbesetzung wird reduziert. Auch das Tantiemenmodell der Führungskräfte wird angepasst. Die Geschäftsführung erhofft sich davon Einsparungen im mittleren einstelligen Millionen-Euro-Bereich.
Gewerkschaft Verdi kündigt Widerstand gegen Schließung an
Ende November 2019 läuft in der Prinovis-Druckerei in Nürnberg der letzte Otto-Katalog vom Band, der Versandriese setzt künftig auf der Internet. Das Ende des Katalogs besiegelt das Aus des bayerischen Standorts, auch über eine Einstellung der Produktion in Ahrensburg wird erneut spekuliert. Zuvor waren schon 2008 das Werk in Darmstadt und 2014 in Itzehoe aufgegeben worden. Ende 2022 folgte die Druckerei in Dresden.
Am einzigen neben Ahrensburg verbliebenen Standort im englischen Liverpool soll die Produktion Ende Juni eingestellt werden. Die Bertelsmann Printing Group steigt damit vollständig aus dem Tiefdruck aus. Künftig will sich das Unternehmen auf den hochflexiblen Offsetdruck fokussieren. Bis es so weit ist, soll die Produktion wie gewohnt weiterlaufen. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Die Gewerkschaft Verdi hat bereits angekündigt, dass die Belegschaft die geplante Schließung nicht einfach hinnehmen werde. Am Donnerstagnachmittag demonstrierten bereits einige Mitarbeiter mit Transparenten vor dem Ahrensburger Werk.