Ahrensburg. Bürger hatten mehr als 100 Fragen übergeben. Es geht um Lärmschutz, Alternativtrassen und Natur. So hat das Unternehmen geantwortet.
Es ist zwei Monate her, dass sich Vertreter der Deutschen Bahn in Ahrensburg bei einer Dialogveranstaltung am 27. Oktober den Fragen und der Kritik von Bürgern, Initiativen, Vereinen und Experten zu den beiden Großprojekten S 4 und Fehmarnbelt-Querung stellten. Trotz intensiver Diskussion und dreieinhalb Stunden Dauer hatten S-4-Planungschefin Amina Karam und ihr Team damals keine Gelegenheit, alle Fragen zu beantworten. Die Diplom-Ingenieurin versprach aber, dies in schriftlicher Form nachzuholen.
Nun liegen die Antworten der Bahn vor. Sämtliche eingereichte Bürgerfragen samt Rückmeldung des Unternehmens sind auf der Internetseite der Stadt Ahrensburg einsehbar. Per Klick gelangen Nutzer direkt von der Startseite zu der Übersicht, die zusätzlich auch allgemeine Informationen zu den Projekten und zu Ansprechpartnern sowie eine Aufzeichnung des Livestreams der Dialogveranstaltung bietet. Auch der mit 91 Fragen äußerst umfangreiche Fragenkatalog, den die Bürgerinitiative „Ahrensburg gegen Gütertrasse“ bereits im August an die Bahn übergeben hatte, findet sich dort in beantworteter Form.
Bahn antwortet auf Fragen von Bürgern und Initiative aus Ahrensburg zur S 4
Bürgermeister Eckart Boege löst damit sein Versprechen ein, in Bezug auf S 4 und Fehmarnbelt für „maximale Transparenz“ zu sorgen. Der Verwaltungschef kündigt zudem an, dass sich künftig eine Projektgruppe im Rathaus mit dem weiteren Vorgehen der Schlossstadt befassen wird. „Die Projektgruppe wird derzeit gebildet und wird das Planfeststellungsverfahren ab Anfang 2023 intensiv begleiten“, sagt der Verwaltungschef.
Dieses soll nach Angaben der Bahn im kommenden Jahr starten, anvisiert war zuletzt ein Beginn noch im Winter. Einen Termin gibt es aber bislang nicht. Mit dem Start des Planfeststellungsverfahrens haben Kommunen, Bürger, Vereine und Verbände die Möglichkeit, die Planunterlagen für den Stormarn betreffenden dritten Bauabschnitt einzusehen sowie Hinweise und Kritik zu äußern, die dann von der Bahn abgearbeitet werden müssen. Für Ahrensburg geht es darum, den Bau bis zu sechs Meter hoher Lärmschutzwände entlang der Gleise durch das Stadtgebiet zu verhindern sowie die Eingriffe in das Naturschutzgebiet Tunneltal möglichst gering zu halten.
Am Rand des Naturschutzgebietes sollen zwei neue Gleise verlegt werden
Die Bahn möchte unter anderem am Rand des Schutzgebietes von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg zwei neue Gleise für die S-Bahn verlegen, die ab 2029 von Hamburg-Altona bis Bad Oldesloe verkehren soll. Die bestehenden Gleise sollen nach der Fertigstellung des Fehmarnbelt-Tunnels verstärkt für den Güterverkehr mit Skandinavien genutzt werden. Vor allem letzterer Punkt stößt in Ahrensburg auf Widerstand. Denn ab 2030 sollen täglich bis zu 88 Züge mit 835 Metern Länge durch die Schlossstadt rollen.
Vor diesem Hintergrund dürfte für Ahrensburger besonders interessant sein, was die Bahn auf die Frage nach möglichen Alternativtrassen für den Güterverkehr antwortet, etwa den Bau einer neuen Strecke entlang der Autobahn 1. „Eine alternative Trassenführung entlang der A 1 hätte erhebliche neue Eingriffe in die Umwelt sowie weitreichende Betroffenheiten zur Folge“, heißt es dazu.
Ertüchtigung von Alternativtrassen ist laut Bahn „nicht vorgesehen“
Konkret nennt das Unternehmen Eingriffe in die Naturschutzgebiete Rehkoppel, Travetal, Gölmbach, Staatsforst Reinfeld und Barnitz, die Erfordernis massiver baulicher Eingriffe in dicht besiedelte Gebiete wie die Hamburger Stadtteile Hamm, Jenfeld, Öjendorf sowie Glinde und Großhansdorf, die notwendig seien, um die Strecke in Hamburg-Rothenburgsort an das restliche Güterverkehrsnetz anzubinden, außerdem eine höhere Flächeninanspruchnahme als beim Ausbau von Bestandsstrecken. In diesem Zusammenhang verweist die Bahn auch auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2021, wonach die „eingereichte Planung zur S 4 alternativlos und eine detaillierte Alternativenprüfung der Gütertrasse nicht Bestandteil des Projektes S 4“ ist.
Auf die Frage, ob es Pläne gebe, andere Bestandsstrecken auszubauen, um den Güterverkehr aufzuteilen, gibt es eine abschlägige Antwort, allerdings ohne Nennung von Gründen. Bezüglich der Strecke Lübeck – Büchen etwa heißt es knapp, die Trasse sei „nicht für den Verkehr von 835 Metern langen Güterzügen vorgesehen“ und es gebe „keine Bestrebungen, die Strecke dahingehend auszubauen“. Die Bahn versichert, dass für etwaige Eingriffe in das Tunneltal ortsnah eine Kompensation erfolgen solle. Insgesamt werden demnach 2,8 Quadratkilometer des Naturschutzgebietes in Anspruch genommen, wobei die Trasse selbst nördlich daran vorbeilaufe.
Transparente Lärmschutzwände sollen Anti-Graffiti-Beschichtung bekommen
Zum Thema Lärmschutz betont die Bahn erneut, dass es keine Alternativen zu sechs Meter hohen Schallschutzwänden gebe, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Als Kompromiss hatte der Konzern zuletzt neuartige, transparente Module vorgestellt, die derzeit noch in Entwicklung sind. Auf eine Frage, wie die Reinigung dieser Elemente sichergestellt werde, heißt es: „Die vorgestellte Lärmschutzwand ist mit Schlitzen ausgestattet, sodass Schmutz zusammen mit dem Regenwasser nach unten abgeleitet werden kann.“ Darüber hinaus erfolge die Reinigung im Zuge der Wartungsarbeiten. Auch sei eine spezielle Anti-Graffiti-Beschichtung vorgesehen.
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In einem weiteren Punkt geht die Bahn auf die geplante Brücke ein, die den Bahnübergang Brauner Hirsch ersetzen soll. Diese sei demnach aus Sicherheitsgründen unverzichtbar. „Die Bahn verfolgt seit Jahren konsequent das Ziel, höhengleiche Bahnübergänge aufzuheben“, so das Unternehmen. Damit entfielen Wartezeiten und der Verkehrsfluss auf der Straße werde reibungsloser. Zudem sinke die Wahrscheinlichkeit von Unfällen.
Einige Anwohner sollen möglicherweise vorübergehend in Hotels ziehen
Die Brücke sorgt für Kritik, weil sie mitten im Tunneltal unweit archäologisch bedeutsamer Fundstellen steinzeitlicher Werkzeuge entstehen soll. Zudem befürchten Anwohner im Ahrensburger Süden, dass die Strecke als Abkürzung zur Autobahn attraktiver wird und der Verkehr auf den Durchgangsstraßen zunimmt. Die Bauzeit für die Brücke gibt die Bahn mit zwei Jahren an.
Wenig konkret äußert sich das Unternehmen zu den Auswirkungen auf Ahrensburg während der Bauphase, die nach Angaben des Unternehmens etwa fünf Jahre dauern soll. Verkehrschaos im Bereich der Bahnübergänge und Unterführungen wolle das Unternehmen „unbedingt vermeiden“, heißt es knapp. Arbeiten würden aus Rücksicht auf die Anwohner vornehmlich tagsüber ausgeführt. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, würde den Betroffenen die Option angeboten, in ein Hotel zu ziehen.
Bürgerinitiative möchte Antworten der Bahn noch nicht bewerten
Fest stehe bereits, dass die Einrichtung temporärer Bautrassen von etwa 3,50 Metern Breite beidseitig der Bahngleise erforderlich werden. Und auch der Verkehr auf der U-Bahnlinie 1 müsse für Brückenarbeiten zeitweise unterbrochen werden. Weitere Details zum konkreten Bauablauf sowie der Baulogistik stünden noch nicht fest.
Michael Kukulenz von der Initiative „Ahrensburg gegen Gütertrasse“ begrüßt die Stellungnahme der Bahn zu den Fragen. Die Gruppe lehnt die Pläne in ihrer derzeitigen Form ab. „Es ist gut, dass die Informationen jetzt für alle Bürger dauerhaft abrufbar sind“, sagt er. Inhaltlich möchte er die Antworten noch nicht bewerten. „Wir werden das jetzt aufarbeiten und dann reagieren“, sagt er.
Alle Antworten und Infos zur S 4 gibt es unter www.ahrensburg.de/Bauen-Umwelt-Klimaschutz/Verkehrsplanung/Gütertrasse-Ausbau-S-4