Ahrensburg. Bahn präsentiert in Ahrensburg transparente Elemente mit viel Glas. Noch sind die aber nicht zugelassen. Das sagen Bürger und Experten.

Es war die Überraschung an einem Abend, an dem sonst hauptsächlich bekannte Argumente ausgetauscht wurden: Die Deutsche Bahn setzt auf neuartige, teilweise transparente Lärmschutzwände entlang der Gleise in Ahrensburg. Das neue Modell, das sich zurzeit noch in der Entwicklung befindet, präsentierte das Unternehmen bei der Dialogveranstaltung zur geplanten S 4 und Gütertrasse am Donnerstag im Schulzentrum Am Heimgarten erstmals der Öffentlichkeit in der Schlossstadt.

„Wir wissen, dass es in Ahrensburg große Bedenken gibt, was den Lärmschutz anbelangt und arbeiten seit geraumer Zeit an einer Lösung“, sagte Amina Karam, Technische Leiterin des Gesamtprojektes S 4 bei der Bahn. Mit dem neuen Modell präsentiere das Unternehmen eine innovative Variante, die Lärmschutzanforderungen und die Wahrung historischer Sichtachsen im Stadtbild vereine.

Bahn stellt in Ahrensburg neuartige Lärmschutzwände für S 4 vor

In Ahrensburg gibt es massiven Widerstand gegen die Pläne der Bahn, entlang der Gleise bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände zu errichten. Stadtplanerin Andrea Becker wurde bei der Dialogveranstaltung ungewohnt deutlich, was die befürchteten Auswirkungen betrifft. Nicht nur die Orientierbarkeit in der Stadt, die Attraktivität für Einzelhandel und Gastronomie sowie das Landschaftsbild litten erheblich, sagte die Expertin aus dem Rathaus.

„Wir befürchten, dass es zu sogenannten Unorten im Schatten der Wände kommt, Plätze mit Hinterhofatmosphäre, die wenig einsehbar sind und sich dadurch der sozialen Kontrolle entziehen“, führte die Stadtplanerin aus. Die Verwaltung wurde von dem neuen Konzept der Bahn offenbar selbst überrumpelt. „Es ist positiv zu sehen, dass es einen neuen Vorschlag gibt, aber ich kann diese Variante jetzt nicht bewerten“, sagte Becker mit Blick auf die transparenten Wände. Fragen, wie lang die Elemente durchsichtig blieben und wer die Pflege übernehme, seien noch ungeklärt.

Sechs Meter hohe, massive Wände entlang der Gleise, wie sie diese Simulation der Verwaltung zeigt, möchte Ahrensburg unbedingt vermeiden.
Sechs Meter hohe, massive Wände entlang der Gleise, wie sie diese Simulation der Verwaltung zeigt, möchte Ahrensburg unbedingt vermeiden. © Stadt Ahrensburg

Die transparenten Elemente werden seit 2021 mit italienischem Start-up entwickelt

Laut Projektleiterin Karam wurden die innovativen Elemente seit 2021 in Zusammenarbeit zwischen der DB-Tochter Bahnbau-Gruppe und dem italienischen Start-up Phononic Vibes entwickelt. Sie bestehen aus Plexiglas mit 1,5 Zentimeter Stärke, in regelmäßigen Abständen durch pulverbeschichtete Aluminiumprofile getrennt. 72 Prozent der Fläche seien durchsichtig.

„Im Gegensatz zu herkömmlichen Glaswänden wurde die Lärmschutzwirkung erheblich verbessert“, sagte Karam. Die Elemente haben demnach eine Absorptionswirkung von 9,5 Dezibel, die Schalldämmung liegt bei 31 Dezibel. Sie sind rund 40 Prozent teurer als herkömmliche Wände. „Seit September läuft das Zulassungsverfahren“, so Karam.

Experte äußert sich im ersten Eindruck positiv über die neue Technik

Besucher konnten sich an dem Infoabend bereits einen ersten Eindruck von dem neuen Modell machen. Die Bahn hatte vor dem Eingang ein Element des Lärmschutzes aufgestellt. Rüdiger Schmidt aus war einer derjenigen, die die Möglichkeit nutzen, sich zu informieren. „Ich denke, das ist eine charmante Lösung“, sagte der Ahrensburger, der an der Bismarckallee direkt an den Bahngleisen lebt. „Wir brauchen einen Lärmschutz, aus optischen Gründen ganz zu verzichten, wäre keine Alternative“, sagt er.

Auch Lärmschutz-Experte Frank Dittmar, den die Ahrensburger Verwaltung als Gutachter herangezogen hat, äußerte sich grundsätzlich positiv über das neue Modell. „Aus gewinkelter Perspektive, also von oben oder unten gesehen, erscheint die transparente Fläche aufgrund der Tiefe der Träger natürlich kleiner“, merkte er an. Dies sei aber in der Konstruktion begründet, die für einen effektiven Schallschutz notwendig sei. Dittmar warnte zudem, dass die Verwendung der neuartigen Elemente sich auch im Planfeststellungsbeschluss für den dritten Bauabschnitt der S 4, der Ahrensburg betrifft, wiederfinden müsse. Sonst bleibe das Versprechen, die neuen Wände zu nutzen, eine unverbindliche Absichtsbekundung der Bahn.

Die Bahn präsentierte ein Modell des neuartigen Lärmschutzes.
Die Bahn präsentierte ein Modell des neuartigen Lärmschutzes. © HA | Filip Schwen

Vollständiger Verzicht auf Lärmschutzwände ist laut Gutachter keine Alternative

Warum es ganz ohne Lärmschutzwände nicht geht, führte indes Bernd Burandt, schalltechnischer Gutachter der Bahn, aus. „Wir sind verpflichtet, das Schutzgut menschliche Gesundheit zu achten“, sagte er. Das Gesetz schreibe vor, dass so viele Schallschutzmaßnahmen, wie unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit möglich sind, umgesetzt werden müssten. „Wir haben 40 Varianten geprüft“, so Burandt. Die sechs Meter hohen Wände seien die einzige, bei der eine ausreichende Schutzwirkung entfaltet werde. Die in Ahrensburg immer wieder diskutierte Tunnellösung mit einer Tieferlegung der Gleise sei aus Kostengründen nicht zu realisieren, so der Experte.

Ahrensburgs Bürgermeister Eckart Boege begrüßt den Vorstoß der Bahn. „Die Variante mit den transparenten Wänden ist für die Stadt deutlich besser, als alles, was bislang diskutiert wurde“, sagt er. Nun komme es darauf an, dass die innovativen Elemente wirklich zum Einsatz kämen. „Da müssen wir auf die Bahn einwirken, damit es nicht dabei bleibt, dass diese Wände jetzt einmal gezeigt wurden.“