Sylt/Föhr/Amrum. Auf Sylt, Föhr, Amrum und in St. Peter-Ording sind Ferienhausbesitzer in Aufruhr. So will Ex-Minister Nordseeorte retten.

Der Ärger um illegale Ferienwohnungen in beliebten touristischen Orten an der Nordsee – etwa auf Föhr, Sylt, Amrum oder in St. Peter-Ording – geht weiter. Seitdem der Kreis Nordfriesland gegen illegale Ferienvermietung vorgeht, sind viele Eigentümer verunsichert. Auch ein Ex-Minister hat sich in die Debatte eingeschaltet und mahnt.

Als Barbara P. (Name von der Redaktion geändert) den Brief des Kreises Nordfriesland öffnete, war das, was sie lesen musste, ein Schock für sie: „Ich bin vom Hocker gefallen, mir wurde ganz flau“, sagt sie. Denn ihr Doppelhaus unter Reet mit den drei Ferienwohnungen in Wenningstedt auf Sylt gilt ab sofort als illegal. Das hatte ihr die Untere Bauaufsichtsbehörde in dem Schreiben mitgeteilt. Sie müsse die Ferienvermietung innerhalb eines Monats einstellen.

Sylt: Nach 33 Jahren sind die Ferienwohnungen in Wenningstedt illegal

Und für den Kellerraum, den sie als Schlafzimmer nutzt, liege auch keine Genehmigung vor. Dass diese noch nachträglich erteilt wird, könne nicht in Aussicht gestellt werden.

Barbara P. hatte die 1991 erbaute 140 Quadratmeter große Immobilie 2013 geerbt. Nie habe jemand von der Gemeinde die gewerbliche Vermietung der Ferienwohnungen beanstandet. Nun soll damit von heute auf morgen Schluss sein. Dabei liegen bereits Mietverträge bis Mai 2025 vor. „Das hat mich kalt erwischt. Die Buchungen gehen jetzt im März richtig los.“

Sie ist nicht die einzige Betroffene: „In dieser Siedlung sind rund 80 Prozent Ferienhaus-Vermieter“, sagt Barbara P.

Sylt & Co: Ferienwohnungen in reinen Wohngebieten seit 2017 nicht zulässig

Laut Bebauungsplan liegen ihre Ferienwohnungen in einem reinen Wohngebiet und sind damit nur in seltenen Fällen genehmigungsfähig. Seit dem vergangenen Jahr geht der Kreis Nordfriesland gegen solche illegalen Vermietungen vor – vor allem in den sehr touristisch geprägten Orten, also auf den Inseln Sylt, Föhr und Amrum sowie in St. Peter-Ording

„Aber auch in anderen Orten sind Verfahren eingeleitet worden, da sich Feriengäste durch Anzeigen bei der Bauaufsichtsbehörde beschweren, zum Beispiel über fehlende Rettungswege aus dem Dachgeschoss der Ferienwohnung“, sagt Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland.

Illegal sind viele Wohnungen aber erst, seitdem das Bundesverwaltungsgericht 2017 verboten hat, in reinen Wohngebieten Ferienwohnungen zu vermieten.

„Für Tourismus, Einzelhandel und Gastronomie eine Katastrophe“

Viele halten das rechtlich gesehen korrekte Vorgehen des Kreises für unverhältnismäßig. Schleswig-Holsteins Ex-Verkehrs- und Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) plädiert etwa für eine Übergangslösung und appelliert an die Verantwortliche im Kreis Nordfriesland, Übergangsfristen von zwei bis drei Jahren zu ermöglichen. „In dieser Zeit können die Bebauungspläne entsprechend geändert werden.“

Bernd Buchholz, ehemaliger Tourismus-Minister in Schleswig-Holstein, plädiert beim Thema illegale Vermietung von Ferienwohnungen für eine Übergangslösung.
Bernd Buchholz, ehemaliger Tourismus-Minister in Schleswig-Holstein, plädiert beim Thema illegale Vermietung von Ferienwohnungen für eine Übergangslösung. © picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow/SULUPRESS.DE

Fallen plötzlich Ferienwohnungen und deren Gäste weg, habe dies außerdem eine erhebliche Auswirkung auf die Wirtschaft: „Dadurch fehlen Einnahmen – das ist für den Tourismus, den Einzelhandel und die Gastronomie in den Orten eine Katastrophe“, so Buchholz.

Sylt: Rund jeder dritten Ferienwohnung droht das Aus, weil sie illegal ist

Dieser Ansicht ist auch der Sylter Unternehmer Öger Akgün: „Fallen wie auf Sylt 30 bis 40 Prozent der Ferienwohnungen weg, weil sie illegal sind, fehlen auch die Gäste. Das hat Auswirkungen auf sämtliche Bereiche der Insel, auf die Infrastruktur. Alles ist vom Tourismus abhängig.“

Wie viele Wohnungen genau illegal sind, konnte der Sprecher des Kreises Nordfriesland nicht sagen. Unternehmer Akgün spürt eine große Verunsicherung. „Viele Ferienhausbesitzer finanzieren durch die Mieteinnahmen ihre Immobilie.“ Mit den Einnahmen aus einer möglichen Dauervermietung sei das nicht zu stemmen.

Illegale Ferienwohnungen abschaffen, um Wohnraum für Einheimische zu schaffen

Die illegalen Ferienwohnungen in den touristischen Hotspots abzuschaffen, soll auch dazu dienen, Dauerwohnraum für die Einheimischen schaffen zu können. Ein Ziel, das Wohnungsbesitzerin Barbara P. für unrealistisch hält: „Ich müsste meine Wohnungen zu einer Miete anbieten, die sich höchstens Geschäftsführer leisten könnten, aber keine Einzelhandelsfrau.“

Die Folge: Die Zahl der Zweitwohnsitze würde zunehmen und es würden „Rollladen-Siedlungen“ entstehen, in denen über Wochen oder Monate niemand lebt.

Föhr: Touristiker schreiben Brandbrief an Ministerpräsident Günther

Nicht nur auf Sylt, auch auf Föhr sind illegale Ferienhausvermietungen in diesen Tagen das große Thema. In einem Brandbrief an Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) mahnen die Mitglieder der Föhr Tourismus Agenturen e.V. – diese vermitteln unter anderem rund 2265 Ferienobjekte – vor den wirtschaftlichen Folgen, sollte eine Vielzahl an Ferienwohnungen nicht mehr betrieben werden dürfen. Allein auf Föhr seien bis zu 1500 Vermietungseinheiten betroffen, das entspreche etwa einem Drittel aller Vermietungen.

„Es fallen ein Drittel der Arbeitsplätze in unserer Branche weg“, heißt es in dem Schreiben. „Der Tourismus ist der Motor, der unsere Destinationen maßgeblich am Laufen hält und für unser Land hohe Einnahmen generiert. Wieso wird die Gefährdung des Motors so stark in Kauf genommen?“

„Fallen Ferienwohnungen weg“, so Robert Weber, Vorstandsvorsitzender der Föhr Tourismus-Agenturen, „verlieren ein Drittel der Bewohner Nordfrieslands ihre Jobs.“ Er appelliert an Daniel Günther, das Augenmerk verstärkt auf die Zweitwohnungsbesitzer zu legen, „die ihre Wohnungen nicht oder nur selten nutzen und unsere Wirtschaft nicht fördern“.

Nordsee: Auf Föhr will Bürgermeister eine Bestandsaufnahme machen

Wyks Bürgermeister Uli Hess möchte das Problem pragmatisch angehen und hat sich vorgenommen, eine ausführliche Bestandsaufnahme zu machen: „Wir werden exemplarisch prüfen, in welchem Wohnquartier, was beantragt und genehmigt wurde. Wir wollen helfen, aus der Illegalität zu kommen – dafür brauchen wir einen genauen Überblick.“ Diese Bestandsaufnahme, schätzt er, werde zehn Jahre dauern. Jede Bauakte, jedes Grundstück werde genau geprüft.

Hess weiß: „Viele Insulaner leben von der Vermietung an Feriengäste. Das ist deren wirtschaftliche Grundlage.“ Aber er stellt auch klar: „Ich möchte, dass nach Recht und Gesetz gehandelt wird. Niemand macht das hier aus Jux und Dollerei.“

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Sylt, Föhr & Co: Illegale Ferienwohnungen – es geht auch um bauliche Beanstandungen

Im Übrigen geht es in den behördlichen Schreiben an die Ferienhausbesitzer nicht allein um die illegale Nutzung als Ferienobjekte, sondern häufig kommen noch bauliche Beanstandungen hinzu. „Es werden auch andere Verstöße festgestellt: Anbauten ohne erforderliche Baugenehmigung, illegaler Ausbau von Nebengebäuden zu Wohnzwecken, Ausbau des Kellergeschosses und des Dachgeschosses zu Aufenthaltszwecken“, sagt Hans-Martin Slopianka vom Kreis Nordfriesland.

Und klar, wer bisher gut an der Vermietung an Urlauber verdient habe, würde bei einer Vermietung als Dauerwohnraum an Einheimische geringere Mieteinnahmen haben. Ob die Kontrollen und das Aufspüren der illegalen Ferienwohnungen nun zu einer Entlastung auf dem Wohnungsmarkt führen? „Das bleibt abzuwarten“, räumt Hans-Martin Slopianka vom Kreis Nordfriesland ein.

In einer gemeinsamen Stellungnahme des Landrats Florian Lorenzen und des Kreisbaudirektors Burkhard Jansen zeichnet sich nun ein Entgegenkommen ab. „Die Diskussionen der letzten Zeit haben uns gezeigt, dass die Gemeinden zwar bereit sind, gemäß der Rechtslage mit den Planungsprozessen zu beginnen, aber teils etwas mehr Zeit dafür benötigen“, heißt es in der Stellungnahme vom Freitag. „Um den bestehenden Druck nicht noch zu erhöhen, werden wir uns bei den Kontrollen deshalb in den nächsten ein bis zwei Jahren auf die Gebiete konzentrieren, in denen die Gemeinden ohnehin bei ihren bestehenden planerischen Festsetzungen bleiben wollen.“