Föhr. Jeden Tag geht der Insulaner vor Wyk in die kalte Nordsee. Und jeder kann ihn begleiten. Ein Gemeinschaftserlebnis mit Kältekick.

Es war nicht geplant, dass Uwe Stammer aus Wyk auf Föhr jeden Tag in der Nordsee baden geht – egal, bei welchem Wetter, egal, bei welchen Wassertemperaturen. Aber das Wetter war im Spätsommer so gut zum Schwimmen, und er hatte Zeit – und hat seitdem einfach nicht mehr aufgehört, täglich baden zu gehen.

Mittlerweile macht der 53-Jährige das nicht mehr allein, sondern lädt zum „Schwimmen mit Uwe“ in der kalten Nordsee vor der Insel Föhr ein. Und viele machen mit.

Nordsee: Eisbaden auf der Insel Föhr – warum alle mit Uwe ins kalte Wasser wollen

„Tag 79 heute, eisig kalter, scharfer Ostwind, und 90 Verrückte sind schon mit mir geschwommen. Nächste Woche knacken wir die 100“, diese Worte spricht Uwe Stammer in die Kamera seines Handys, während er mit orangefarbener Badekappe auf dem Kopf im Wasser treibt, und das in Badehose und nicht etwa in einem wärmenden Neoprenanzug.

Das war am Dienstag, da hatte die Nordsee um die vier Grad. Später postete er das Video als Story auf seinem Instagram-Account.

„Erst ab fünf Grad Wassertemperatur spricht man überhaupt vom Eisbaden“, sagt Uwe Stammer. Alles, was wärmer ist als fünf Grad, ist also etwas für Warmduscher? Na ja, wohl nicht. Denn auch sechs Grad sind wirklich sehr, sehr kalt und nichts für Empfindliche.

Vielleicht ist es aber auch so, dass man härter ist, als man denkt. Das war bei Uwe Stammer auch so. Er geht nämlich nur zufällig seit dem 10. September jeden Tag in der Nordsee baden.

Föhr: Seit 10. September geht Uwe Stammer täglich in der Nordsee baden

„Anfang September war es noch so warm, dass ich baden gegangen bin, im Sommer während der Hochsaison komme ich vor lauter Arbeit ja kaum dazu.“ Zusammen mit seinem Bruder führt er den „Letzten Kaufmann vor Dagebüll“ – Föhrer und Föhrurlauber kennen den kleinen Supermarkt in der Wyker Fußgängerzone.

Uwe Stammer (vorn) beim kalten Nordseebad vor Föhr mit Sintje Lorenzen, Eva Hückstädt und Christina Tussing (v.l.), Kolleginnen vom Modeladen Onerbrek in Wyk
Uwe Stammer (vorn) beim kalten Nordseebad vor Föhr mit Sintje Lorenzen, Eva Hückstädt und Christina Tussing (v.l.), Kolleginnen vom Modeladen Onerbrek in Wyk © Uwe Stammer | Uwe Stammer

Und er ist immer weiter ins Wassesr gegangen, jeden Tag. „Ich hatte Fotos im WhatsApp-Status auf meinem Handy gepostet, und viele, die das sahen, kamen auf einmal mit zum Baden.“ So hat sich das zu einem kleinen Event entwickelt.

Erst waren es vor allem Freunde und Bekannte, eben diejenigen, die seine Nummer im Handy gespeichert haben, die ihn beim Schwimmen begleitet haben.

In der kalten Nordsee zu baden macht glücklich – in der Gruppe noch mehr

Dass jemand bei Wind und Wetter ins Meer geht, das ist auch auf der Nordseeinsel Föhr nicht alltäglich. Wird es aber durch Uwe. Denn der Vater von vier Kindern zieht die Menschen mit, begeistert sie seit Neuestem auf seinem eigens dafür eingerichteten Instagram-Account.

Uwe Stammer mit einer Truppe beim Baden in der kalten Nordsee vor der nordfriesischen Insel Föhr
Uwe Stammer mit einer Truppe beim Baden in der kalten Nordsee vor der nordfriesischen Insel Föhr © Uwe Stammer | Uwe Stammer

Da kann man fast live beim Schwimmen mit ihm dabei sein. „Seitdem ich einen eigenen Kanal habe, kommen immer mehr Leute dazu und gehen mit mir zusammen ins Wasser. Das hat richtig Fahrt aufgenommen.“

Eisbaden setzt Endorphine frei – Uwe teilt das Glück gern

Wer schon einmal bei niedrigen Temperaturen in der Nordsee oder in der Ostsee baden war, weiß: Gemeinsam geht es viel leichter, sich zu überwinden und einfach ins Meer zu laufen, nur kurz unterzutauchen oder auch länger darin zu baden. Je nach Verfassung, je nachdem, wie kälteempfindlich man ist.

Und auch Uwe genießt die Gemeinsamkeit: „Ich freue mich, dass sich alle überwinden und anschließend glücklich sind.“ Geteiltes Glück ist irgendwie doppeltes Glück. Nach den Föhrern kommen nun auch immer mehr Urlauber mit Uwe ins Wasser. Je nach Tide morgens oder nachmittags in Höhe der Mittelbrücke in Wyk, die derzeit umgebaut wird.

Was für eine schöne Kulisse: vorn Uwe Stammer und Gleichgesinnte beim Baden in der Nordsee vor Föhr, im Hintergrund eine Fähre
Was für eine schöne Kulisse: vorn Uwe Stammer und Gleichgesinnte beim Baden in der Nordsee vor Föhr, im Hintergrund eine Fähre © Uwe Stammer | Uwe Stammer

Sie alle genießen mit Uwe diesen ultimativen Kick nach dem Eisbaden, wenn Endorphine freigesetzt werden und man sich unglaublich erfrischt und wach fühlt.

„Mit Uwe ist es besonders, weil er unterschiedliche Menschen zusammenbringt“

„Mit Uwe ist es besonders, weil er es geschafft hat, viele unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, die sich sonst nie getroffen hätten“, sagt Eva Hückstädt, die in Wyk den Modeladen Onerbrek betreibt und mit ihren Mitarbeiterinnen mit Uwe schwimmen war. „Uwe heißt wirklich jeden willkommen, das ist ein tolles Miteinander in der Gruppe. Es wird viel gelacht.“

Da war es noch warm: Uwe Stammer und Freunde beim Bad in der Nordsee vor Föhr
Da war es noch warm: Uwe Stammer und Freunde beim Bad in der Nordsee vor Föhr © Uwe Stammer | Uwe Stammer

Auch woanders, wie vor Kurzem auf der dänischen Insel Rømø, war Uwe Stammer in der Nordsee schwimmen. „Ich ziehe das jetzt knallhart durch, 365 Tage ins Wasser zu gehen“, sagt er. Außer natürlich, eine Krankheit kommt dazwischen. Dann geht es nicht.

Möglicherweise ist er inzwischen ja auch ein bisschen abhängig vom kalten Bad in der Nordsee. „Es fühlt sich super an. Sowohl körperlich als auch geistig“, sagt er. Es sei erfrischend, und seitdem er jeden Tag ins Meer geht, schmerzten keine Muskeln mehr.

Eisbader Uwe: Die orangefarbene Badekappe ist sein Markenzeichen

Stammer hat das Glück, fußläufig vom Strand entfernt in Wyk zu wohnen. Seine Routine beim Eis- beziehungsweise Kältebad: „Ich mache zu Hause ein paar Aufwärmübungen, ziehe mir einen dicken Mantel an, den Surfer oder Kiter nach dem Surfen tragen, Badehose, dicke Socken, und dann gehts zum Wasser.“ Zum Schluss setzt er noch seine orangefarbene Badekappe auf, und rein geht es. Die Kappe ist mittlerweile zum Markenzeichen geworden.

Manche tauchen nur kurz unter, andere bleiben länger im Wasser. Am Montag, als es schon bitterkalt war, hat Uwe es sechs Minuten im Wasser ausgehalten. „Der Körper gewöhnt sich an die Kälte.“

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„Wir machen immer ein Gruppenfoto während des Bades und danach noch eines“, sagt Uwe Stammer. Auf den Fotos im Wasser sind dann keine schmerzverzerrten oder gequälten Blicke zu sehen. Ganz im Gegenteil: Alle gucken fröhlich, wirken ein wenig übermütig und aufgedreht. Kälte, das wird klar, ist nicht nur schlecht. Sie hat auch etwas Gutes.

Nordsee: Jeder kann auf Föhr mit ins Wasser, jeden Tag, das ganze Jahr

Zurück zu Hause trinkt Uwe Stammer anschließend einen Tee. „Und dann glühe ich richtig durch.“ Mit dem (Warm)-Duschen wartet er noch einen Moment, um den Kreislauf nicht zu stark zu belasten. Sein Vorbild ist übrigens Comedian Wigald Boning, der seit fast eineinhalb Jahren jeden Tag irgendwo draußen schwimmen geht – auch bei Schnee und Regen.

Wer mit Uwe Stammer auf Föhr schwimmen will, folgt ihm am besten auf Instagram unter #schwimmen_mit_uwe