St. Peter-Ording. Der Kreis Nordfriesland will unerlaubte Unterkünfte an der Nordsee stilllegen. Ein Betroffener erhebt schwere Vorwürfe.
Fast von einem Tag auf den anderen sollten Vermieter von Ferienwohnungen in St. Peter-Ording an der Nordsee ihre Unterkünfte für Touristen aufgeben, weil der Kreis Nordfriesland derzeit verschärft gegen illegale Ferienvermietung vorgeht. Doch illegal, so ein Betroffener, sei die Vermietung seiner Meinung nach nie gewesen.
Die Saison läuft gut für Thomas Berkenkemper, seine beiden Ferienwohnungen in dem Reetdachhaus in der Straße Hedum in St. Peter-Ording sind seit Juni und noch bis Ende Oktober vermietet. Die Gäste kommen aus ganz Deutschland, sogar aus England waren schon Urlauber da.
Ferienwohnung Nordsee: Aus für Vermietung mitten in der Hochsaison
Weil die Ansprüche der Feriengäste an eine Unterkunft steigen, hat der Apotheker aus Hattingen im Ruhrgebiet in beide Haushälften jeweils eine Sauna einbauen lassen, die Böden und Bäder sind erneuert worden. Im Lockdown Anfang 2021 hat er 70.000 Euro investiert. Die modernen Wohnungen kommen gut an.
Weniger begeistert wegen der Vermietung der Wohnungen an Urlauber ist der Kreis Nordfriesland. So gab es im Juni Post mit der Aufforderung, die Vermietung einzustellen – und zwar innerhalb von 14 Tagen. „Zu einem Zeitpunkt, an dem die Buchungen in vollem Gange waren“, so Berkenkemper.
Der Kreis Nordfriesland will in SPO unerlaubte Unterkünfte stilllegen
Hintergrund: Obwohl das Bundesverwaltungsgericht 2017 verboten hat, in reinen Wohngebieten Ferienwohnungen zu vermieten, halten sich viele in dem beliebten Nordseebad und an anderen touristischen Hotspots in Nordfriesland nicht an dieses Gesetz.
Da Thomas Berkenkemper als Vermieter einen Vertrag mit den Feriengästen hat und für deren Urlaub haftet, bei einer Stornierung seinerseits eine Hotelunterbringung bezahlen und die Differenz zum Mietpreis übernehmen müsste, sei es gar nicht möglich, der Aufforderung des Kreises sofort nachzukommen, ohne große finanzielle Verluste zu erleiden, so der 66-Jährige.
Ferienwohnung: In St. Peter-Ording bisher 23 Vermieter angeschrieben
„Die einzige Chance, noch die Buchungen dieses Jahres abwickeln zu können, gewähre einem der Kreis, wenn man auf jegliche Rechtsmittel verzichtet. Auch eine verbindliche Erklärung, dass man zum Jahresende mit der Ferienvermietung aufhören würde, wurde nicht akzeptiert“, so Berkenkemper.
Die meisten Betroffenen hätten auf Rechtsmittel gegen die Nutzungsuntersagungsverfügungen verzichtet, heißt es vom Kreis Nordfriesland, sodass eine Weitervermietung in der Regel bis Saisonende, in Einzelfällen bis zur ersten Januarwoche 2024 möglich ist. Neben Thomas Berkenkemper wurden zunächst 22 weitere Vermieter angeschrieben, weitere werden folgen.
Vermieter in St. Peter-Ording wirft Landkreis Nordfriesland Erpressung vor
Berkenkemper wirft dem Landkreis vor, ihn zu erpressen, da den Betroffenen die Möglichkeit der rechtlichen Abklärung – ob zum Beispiel nach jahrelanger Vermietung ein Bestandsschutz vorliegen könnte – genommen wurde. „Ich halte ein solches Vorgehen seitens der Behörden für einen demokratischen Staat für unwürdig.“
Baurechtlich sind in seinem Haus aber keine Ferienwohnungen zugelassen worden, sodass ein Bestandsschutz für die Nutzung als Ferienwohnungen nicht greift, so Hans-Martin Slopianka vom Kreis Nordfriesland.
Dennoch: Dass er illegal vermietet haben soll, kann Berkenkemper nicht glauben. „Ich habe meine Gäste in allen Fällen bei der Gemeinde angemeldet und die jährlichen Fremdenverkehrsabgaben an die Gemeinde gezahlt – wenn man eine Ferienwohnung anmeldet bei der Tourismuszentrale und die sich freuen und fragen, wann man denn anfängt zu vermieten, fühlt sich das nicht illegal an.“
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Kurios: An sein Grundstück angrenzend gilt ein anderer B-Plan. „Dort dürfen weiterhin Ferienwohnungen vermietet werden.“ Der eine Nachbar darf also, der andere nicht. Für das gesellschaftliche Miteinander brisant, sagt Jan Duggen. Der gebürtige St. Peteraner vermittelt mehr als 200 Ferienwohnungen im Ort und ist ebenfalls von dem Verbot betroffen.
Gegen die Vermietung von Ferienwohnungen wird auch vorgegangen, weil Wohnraum für Einheimische in Nordfriesland fehlt und es außerdem ein Zuviel an Touristen gibt. Noch 2022 hatte der beliebte Ferienort an der Nordsee so viele Übernachtungen wie nie zuvor verbucht.
Ein Zuviel an Touristen, das lässt Jan Duggen nicht gelten. „Wir haben wieder eine Situation wie vor Corona. Klar, während Corona war bei vielen Einheimischen die Luft raus, die Lage hat sich aber wieder normalisiert.“ Längst gelte es, im Wettbewerb mit den Kanaren, den Balearen oder der Nord- und Ostsee zu bestehen.
Jan Duggen macht sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft des beliebten Nordseeortes. „St. Peter-Ording wird mit dem Wegfall von Ferienwohnungen wirtschaftlich nicht auf diesem Niveau bleiben können.“
Fallen Ferienwohnungen weg, gehe es mit St. Peter-Ording bergab
Denn: Fehlen die Gäste, fehlen auch den Gastronomen und dem Einzelhandel die Einnahmen. „Wenn wir Ferienwohnungen verlieren, geht es bergab.“ Wenn ein Restaurant dichtmacht, spürt man das in touristischen Orten sofort.
Alles im Ort, so Duggen, ist vom Tourismus abhängig. Es gebe keine andere wirtschaftliche Einnahmequelle. Und die Zahl an Hotelbetten würde längst nicht reichen, außerdem könne sich nicht jeder Urlauber eine teure Hotelübernachtung leisten.
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Sein Appell an die Verantwortlichen: „Die Ferienwohnungen befristet dulden, bis die politischen Gremien und Ausschüsse entsprechende Neuformulierungen für die betroffenen B-Pläne gefunden beziehungsweise im demokratischen Willensbildungsprozess erarbeitet haben.“
Damit würde man die wirtschaftliche Planungssicherheit für die betroffenen Gebiete in den touristisch stark geprägten Regionen zurückgewinnen. Viele im Ort hoffen auf eine Bauleitplanung durch die Gemeinde zugunsten der Ferienvermietung, andere wollen die Ferienvermietung dauerhaft einstellen.
Nordsee: Ferienwohnung wird verkauft und wohl als Zweitwohnsitz dienen
Die Hoffnung, dass aus ehemaligen Ferienwohnungen Dauerwohnraum wird, haben Jan Duggen und Thomas Berkenkemper nicht. „Viele Ferienwohnungen sind gar nicht für dauerhaftes Wohnen konzipiert“, so Berkenkemper. Da müsse die Gemeinde schon selbst bauen und für Wohnraum sorgen.
Berkenkemper will sein Haus verkaufen. „Und ich glaube nicht, dass sich jeder die voraussichtliche Mindestmiete von 1400 Euro kalt bei solch einem Objekt leisten kann.“ Er geht davon aus, dass wohlhabende Menschen von außerhalb dort einen Zweitwohnsitz haben werden – wie so viele andere in der Nachbarschaft.