Hamburg. Wie ein Spaziergang am Lister Ellenbogen Dennis Bergmann aus Winterhude auf die Idee für ein besonderes Start-up brachte.
Wenn es um die Vermarktung von Produkten jeglicher Art geht, dann kommt Sylt ins Spiel. Denn Deutschlands beliebteste Insel in der Nordsee genießt einen hohen Bekanntheitsgrad – und das ist gut für das Geschäft: Es gibt Tassen, Taschen, Kleidung und Strandtücher, die die Aufschrift Sylt tragen. Es gibt Flaschenöffner, Süßigkeiten, Wein, Eierlikör und Nudeln.
Und seit Kurzem gibt es das Start-up von Dennis Bergmann. Bei dem jungen Unternehmer steht allerdings nicht nur Sylt drauf, sondern es ist auch wirklich ein Rohstoff von der Insel drin. Der 31 Jahre alte Hamburger hat die Marke Sylter Dünenwolle gegründet. Wie es dazu kam, berichtet der gelernte Versicherungskaufmann im Abendblatt-Gespräch.
Sylt: 250 Schafe grasen im Naturschutzgebiet Lister Ellenbogen an der Nordsee
„Eines Tages erzählte mir meine Freundin Caroline, dass sie noch nie auf Sylt war. Das konnte ich gar nicht glauben, und deshalb sind wir über ihren Geburtstag im Mai 2021 gemeinsam auf die Insel gefahren.“
Dort gingen die beiden am berühmten Lister Ellenbogen spazieren. Das riesige Vögel- und Naturschutzgebiet ist der nördlichste Punkt Deutschlands und ein Muss für jeden Naturliebhaber. Hier am Ellenbogen grast auch eine Herde mit rund 250 Schafen von Schäfer Jürgen Wolf-Diedrichsen. Seine Familie hat seit elf Generationen einen Bauernhof an der Lister Dorfstraße, Wolf-Diedrichsen kümmert sich seit 23 Jahren um die Herde.
Dennis Bergmann bekam die Idee für sein Start-up bei einem Sylt-Urlaub
„Das Besondere ist, dass die Tiere sich am Ellenbogen ohne Zäune frei bewegen können und einfach eins sind mit der Natur. Und als ich bei unserem Besuch die Schafe sah, die eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, da kam mir die Idee für mein Start-up“, sagt Bergmann.
Wieder zurück im Hamburger Stadtteil Winterhude entwickelte Bergmann ein Konzept und nahm Kontakt zu Wolf-Diedrichsen auf. Bergmann lächelt. „Es war zunächst gar nicht so einfach, ihn für das Thema zu begeistern.“
Doch schließlich haben sich die beiden persönlich getroffen, und offensichtlich konnte Bergmann mit seiner Powerpoint-Präsentation den Herrn der Schafe überzeugen. „Schafwolle ist so ein wertvoller Rohstoff, der leider total in Vergessenheit geraten ist. Es wird dafür wenig Geld gezahlt, deshalb gibt es Bauern, die die Wolle verbrennen, oder häufig wird diese zum Düngen eingesetzt.“
Sylt: Aus der Dünenwolle werden Bettdecken und Kopfkissen hergestellt
Aber Bergmann wollte daraus ein „nachhaltiges Produkt schaffen“. So verkauft er nun Bettdecken und Kopfkissen aus Sylter Dünenwolle, seit November vergangenen Jahres ist sein Shop online. Die Schurwolle stammt komplett von der freilaufenden Herde am Ellenbogen.
Einmal im Jahr werden die Schafe geschoren, dass sei gesetzlich so vorgeschrieben, erzählt Bergmann. In diesem Jahr war das allerdings „witterungsbedingt“ noch nicht möglich, aber „ich hoffe, es geht bald los“. Was passiert dann? „Die Herde wird an einen zentralen Ort zusammengetrieben, und es reist ein Schertrupp vom Festland an. Ich habe schon einmal einen Schafscherkurs mitgemacht. Das ist eine echte Kraftanstrengung.“
Nach der Schur von 250 Schafen kommen so rund 1000 Kilo zusammen. Dann muss die rohe Wolle gewaschen werden. „Es gibt dafür nur noch einige Spezialbetriebe in Europa, und die arbeiten mit Maschinen aus der Vorkriegszeit.“
Die Wolle wird in Belgien gereinigt und in Niedersachsen verarbeitet
Nach eingehender Recherche wurde Bergmann in dem belgischen Städtchen Verviers fündig. Die „Ernte“ brachte der Unternehmer persönlich von der Insel in einem gemieteten Lieferwagen dort hin und holte sie nach ein paar Monaten wieder ab. Die gereinigte Schafwolle wird dann in einer Manufaktur in Niedersachsen zu Kissen und Bettdecken verarbeitet.
Dieses Familienunternehmen hat ihm übrigens sein Schwiegervater vermittelt. Und der hat selbst in Lemgo einige Schafe in seinem Garten. Aus deren Wolle hat Bergmann übrigens seine erste Bettdecke erhalten.
Eine Sommerdecke aus Sylter Dünenwolle in den Maßen 1,35 mal zwei Meter kostet zum Beispiel 229 Euro. Ein stolzer Preis. „Dafür bekommen die Kunden eine hohe Qualität, und jeder einzelne Schritt der Produktion kann nachvollzogen werden. Hier weiß man wirklich: Ich schlafe unter einem Sylter Rohstoff.“
Mit einem Teil des Erlöses wird der Verein Hanseatic Help unterstützt
Übrigens: „Unsere Produkte haben eine lange Lebenszeit. Aber wenn jemand sein Kissen oder die Decke ausrangieren möchte, dann nehmen wir diese zurück und verarbeiten die Schurwolle zu natürlichem Dünger. So wird der Produktkreislauf besonders nachhaltig geschlossen.“
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Zudem sagt Bergmann, der einen Bachelor of Arts gemacht hat und vor seiner Selbstständigkeit als Unternehmensberater gearbeitet hat: „Wir verdienen mit diesem Projekt kein großes Geld. Und zumindest auf Sylt gibt es wenig Möglichkeiten für eine Expansion. Denn die Zahl der Schafe auf dem Ellenbogen wird auch künftig nicht deutlich über die 250 hinauswachsen.“
Aber es gehe ihm auch nicht um Gewinnmaximierung. Deshalb werde mit einem Teil der Einnahmen der gemeinnützige Hamburger Verein Hanseatic Help unterstützt.
Sylt und Hamburg: Dennis Bergmann hat verschiedene Standbeine
Und der Jungunternehmer hat noch ein zweites Standbein, darüber hatte das Abendblatt bereits einmal berichtet. In Barmbek-Süd hat Bergmann im März eine gläserne Ölmühle eröffnet. Der Name ist Programm: Elbmüller. Durch das Schaufenster kann ihm jeder bei der Herstellung der Speiseöle zuschauen. „Das ist eine Manufaktur, es wird alles per Hand hergestellt“, sagt Bergmann.
Dass er den sicheren Job als Unternehmensberater an den Nagel gehängt hat, hat Dennis Bergmann bislang nicht bereut. „Ich kann meiner Kreativität freien Lauf lassen und meine Kraft in Projekte stecken, hinter denen ich zu 100 Prozent stehe.“