Hamburg. Start-up Elbmüller stellt Bio-Speiseöle aus regionalen Raps, Kürbiskern & Co her. Eine besondere Spezialität ist das Kaffeeöl.
In seinem früheren Leben hätte Dennis Bergmann an einem Vormittag Ende Februar wahrscheinlich im Büro vor dem Computer gesessen und Excel-Tabellen für seine Kunden aus der Versicherungsbranche aufbereitet. Irgendwann wäre der Hamburger in seinen Dienstwagen gestiegen und mit einer neuen Power-Point-Präsentation in der Aktenmappe zu einem Termin gefahren, in schickem Anzug und feinen Lederschuhen.
In seinem jetzigen Leben schaufelt er in seiner kleinen Manufaktur gerade Senfkörner aus einem 25-Kilo-Sack in eine Ölpresse. „Nicht jeder Senf ist für die Produktion von Speiseöl geeignet. Das sind Bio-Senfsamen aus Niedersachsen, die durch natürliche Züchtung besonders geeignet sind “, sagt der 31-Jährige in heller Kochjacke und sieht zu, wie das sattgelbe Öl über eine Rinne ganz langsam in einen Edelstahlbehälter fließt.
Dennis Bergmann eröffnet Hamburgs erste gläserne Ölmühle
Warum aus dem Unternehmensberater ein Ölmüller wurde, ist eine längere Geschichte. „Ich will mit einem tollen, handwerklich gemachten Produkt Menschen begeistern“, erklärt der Gründer die Kehrtwende. „Durch die Art und Weise, wie meine Speiseöle hergestellt werden, möchte ich zur positiven Veränderung bei der Herstellung von Lebensmitteln beitragen.“ Deswegen eröffnet Dennis Bergmann am Sonnabend in einem Eckladen in Barmbek-Süd sein Unternehmen Elbmüller, die nach seinen Angaben erste gläserne Ölmühle in Hamburg. Durch große Schaufenster kann ihm jeder praktisch im Vorbeigehen bei der Herstellung seiner Produkte zuschauen – ganz transparent.
In dem gekachelten Produktionsraum stehen zwei professionelle Ölmühlen, außerdem diverse Gerätschaften rund um die Herstellung von Speiseöl. Mehrere Monate lang hat die Renovierung des gut 50 Quadratmeter großen Ladenlokals gedauert. Jetzt soll das Geschäft mit den frischen, kalt gepressten Speiseölen richtig losgehen.
In seinem Laden gibt es auch ganz besondere Öl-Kreationen
In einem zweiten Raum hat Bergmann einen Laden eingerichtet, in dem seine Produkte auf Regalen stehen. Zum Start umfasst das Elbmüller-Sortiment Rapsöl, Sonnenblumenöl, Leinöl, Kürbiskernöl und Senföl. Dazu kommt als Besonderheit ein sogenanntes Kaffeeöl, nach persönlichem Geheimrezept. „Das schmeckt besonders gut zu Vanille-Eis“, schwärmt Dennis Bergmann. In der Entwicklung sind außerdem zwei Gewürzöle mit Chili und Knoblauch.
Angefangen hatte alles vor knapp drei Jahren während der Corona-Pandemie. Dennis Bergmann war damals immer mal wieder mit seiner Lebensgefährtin bei deren Eltern, die im nordrhein-westfälischen Lemgo eine Bio-Mühle betreiben. Dort packte der junge Mann, der in Rissen aufgewachsen ist, auch immer wieder mit an. Getreidesäcke schleppen, Holz hacken und vieles mehr.
Früher lebte Bergmann weniger bewusst
„Ich bin ja ein Stadtkind, habe mir nicht viele Gedanken über die Herstellung von Lebensmitteln gemacht und wie das mit Klima und Nachhaltigkeit zusammenhängt“, erinnert er sich. Das änderte sich bei der handwerklichen Arbeit auf dem ländlichen Familienbetrieb. Und es entstand die Idee für einen Neuanfang mit einer eigenen Ölmühle in Hamburg.
Dennis Bergmann ist viel durch Deutschland gefahren, hat zahlreiche Betriebe besucht. Parallel hat er im Keller des Lemgoer Mühlenbetriebs mit seiner ersten Ölpresse experimentiert. Im Frühjahr 2022 wagte er den großen Schritt, gründet seine Firma Elbmüller. „Entscheidend ist für mich neben dem Geschmack, dass meine Rohwaren ökologisch hergestellt sind und aus der Region kommen“, sagt er.
Alle Produkte werden ohne Zusatzstoffe produziert
Senfsamen und Leinsaat aus Niedersachsen, Sonnenblumenkerne aus Nordhessen, Raps aus Nordrhein-Westfalen. Auf seiner Internetseite hat er für alle Rohstoffe einen Kilometerzähler – am weitesten haben es die Kürbiskerne, die in 481 Kilometern Entfernung in Franken wachsen. Der Betrieb, der komplett ohne künstliche Zusatzstoffe arbeitet, ist biozertifiziert und ist kurz davor einen Gütenachweis für Lebensmittelkleinbetriebe zu bekommen.
Etwa 200.000 Euro hat Dennis Bergmann in seinen Traum von der gläsernen Ölmühle gesteckt. Ein Teil aus eigenen Mitteln, aber auch über einen Kredit. Statt ein gutes Jahresgehalt samt Bonuszahlung hat er jetzt zunächst einen Haufen Schulden. „Ich stehe komplett am Anfang“, sagt der Jungunternehmer. Früher hatte jedes Dorf eine eigene Ölmühle, aber heute kommt Speiseöl vor allem aus der industriellen Produktion. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche kleine Ölmühlen neu entstanden, zumeist im Süden Deutschlands.
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Bergmann sieht in Hamburg Potenzial für seine Öle
Auch im Norden gibt es einige Manufakturen, etwa die Hansemühle in Niendorf/Timmendorfer Strand, die Elbmarsch Ölmühle in Echem oder die Ölmühle Godenstedt. Auch in Hamburg gab es bis vor Kurzem noch eine kleine Ölmühle in Iserbrook.
„Ich bin ins Risiko gegangen“, sagt Dennis Bergmann. „Aber ich glaube sicher, dass es in Hamburg genug Kunden gibt, die den Wert für transparent hergestellte regionale Bio-Lebensmittel kennen und bereit sind, dafür Geld auszugeben.“ Er will seine feinen Öle jetzt zusätzlich zum eigenen Laden in Feinkost- und Biomärkten unterbringen. Dabei ist dem studierten Betriebswirt klar, dass in Zeiten vom Inflation und Kostensteigerungen hochpreisige Produkte kein Selbstgänger sind.
Auch Reste möchte der Gründer in Zukunft verarbeiten
Bei Elbmüller kostet eine Flasche Rapsöl 10,50 Euro (500 ml), Sonnenblumenöl gibt es für 9,50 Euro (500 ml) und ein Minifläschchen Senföl für sieben Euro (100 ml). „Die Ausbeute bei Senf ist besonders gering“, erklärt Bergmann den Preis. Der Ertrag aus einem 25-Kilogramm-Sack Senfkörner beträgt gerade mal 3,5 Liter Senföl. Der Rest ist eine Art Presskuchen mit hohem Proteingehalt. Aber auch dafür hat der Start-up-Gründer erste Ideen für eine Weiterverarbeitung.