List/Sylt. Im Streit um historisches Reetdachhaus hat die Gemeinde List auf Sylt einen Erfolg errungen. Investor muss hohe Strafe bezahlen.
Dem Ärger über den überraschenden Abriss des historischenAlten Gasthofs in der Gemeinde List auf Sylt Ende Dezember 2022 folgen nun offenbar ernsthafte Konsequenzen für den Eigentümer. Statt eines Bußgeldes von maximal 30.000 Euro droht ihm eine Geldbuße von 500.000 Euro oder mehr. Damit hat die Gemeinde List einen entscheidenden Erfolg errungen.
Zur Vorgeschichte: Am 30. Dezember war das 1650 errichtete Reetdachhaus, das jahrhundertelang ein Gasthof war, ohne Abrissgenehmigung dem Erdboden gleichgemacht worden. Offenbar wurden die Insulaner von der Aktion völlig überrumpelt. Auf die Idee, die Abrissbagger zu stoppen, war an dem Tag jedenfalls niemand gekommen. Das Gebäude unterlag nicht dem Denkmalschutz.
Sylt: Nach Abriss des Alten Gasthofs muss Eigentümer nun Geldbuße zahlen
Der Aufschrei auf der Insel war groß – weit über die Grenzen von List hinaus. Kurze Zeit nach dem Abriss reichte der Eigentümer Andreas Kammholz eine Bauvoranfrage zu Errichtung mehrerer Wohnhäuser auf dem Grundstück ein.
Der für das Bußgeldverfahren zuständige Kreis Nordfriesland beabsichtigte daraufhin, die mögliche Ordnungswidrigkeit nach Paragraf 213 Baugesetzbuch mit einem Bußgeld in Höhe von maximal 30.000 Euro zu ahnden. Das reichte der Gemeinde List nicht.
Der Eigentümer soll durch den Rechtsbruch keinen Vorteil haben
„Damit wäre die Kalkulation des Eigentümers, dessen wirtschaftlicher Vorteil durch den Rechtsbruch ein Bußgeld dieser Höhe um ein Vielfaches übersteigen dürfte, aufgegangen. Es wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden, der weitere historische Gebäude auf Sylt gefährdet hätte“, heißt es in einer Mitteilung der Sylter Gemeinde.
Um dies zu verhindern, beauftragte die Gemeinde List im Februar eine Kieler Wirtschaftskanzlei, beim Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein Fachaufsichtsbeschwerde einzureichen.
Gemeinde List hofft auf Abschreckung potenzieller Nachahmer
Die Gemeinde berief sich auf einen anderen Paragrafen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Paragraf 17 Abs. 4 OWiG). Nach dieser Vorschrift soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Diese Regelung soll verhindern, dass sich eine Ordnungswidrigkeit für den Täter in irgendeiner Weise lohnt und zugleich andere potenzielle Täter abschrecken.
„Insbesondere in Fällen, in denen der Täter im Sinne einer rein wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung sehenden Auges eine Ordnungswidrigkeit begeht, ist demnach eine Abschöpfung des Vorteils zwingend geboten“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Lists Bürgermeister Ronald Benck freut sich über den Erfolg in Kiel
„Unsere Fachaufsichtsbeschwerde hat Erfolg gehabt“, bestätigte nun Lists Bürgermeister Ronald Benck dem Abendblatt. Das Ministerium für Justiz und Gesundheit habe sich in seiner Stellungnahme der Rechtsauffassung der Gemeinde List auf Sylt angeschlossen.
Der Kreis Nordfriesland müsse nun diese Stellungnahme bei der Entscheidung über die Festsetzung des Bußgeldes berücksichtigen, sagt Benck. Der bestehende Bebauungsplan in List erlaube für das betreffende Grundstück den Bau von drei Doppelhäusern. Doch der Profit werde sich reduzieren. „Es freut mich sehr, dass der Eigentümer jetzt keinen Reibach mehr macht, denn je mehr Reibach er macht, desto höher wird das Bußgeld.“
Alter Gasthof: Bauvoranfrage für das Grundstück in List wurde abgelehnt
Die Bauvoranfrage für die Doppelhäuser sei wegen Formfehlern von der Gemeinde und vom Kreis abgelehnt worden, einen Bauantrag habe der Investor vor der Bauausschusssitzung in dieser Woche kurzfristig zurückgezogen – ohne Angabe von Gründen.
Laut Benck steht auf dem Nachbargrundstück des ehemaligen Alten Gasthofs noch das Haus Dagmar, das dem Investor ebenfalls gehört. Dafür habe die Gemeinde eine Abrissgenehmigung erteilt. Auch für eine Garage aus den 1980er-Jahren wurde der Abriss genehmigt. „Das beinhaltet aber keine nachträgliche Genehmigung für den Abriss des Reetdachhauses“, stellt der Lister Bürgermeister klar.
List auf Sylt: Bürgermeister betrauert Abriss eines kulturellen Erbes
Denn der Alte Gasthof sei ein jahrhundertealtes Stück des gemeinschaftlichen kulturellen Erbes der Insel Sylt gewesen und für heutige und zukünftige Generationen leider für immer verloren. Alle Kontaktaufnahmen von seiner Seite habe der Eigentümer übrigens bislang abgeblockt, sagt Benck.
Er ist für den Augenblick zufrieden, denn die Gemeinde List habe alles dafür getan und werde auch zukünftig alles dafür tun, damit sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt.
Wer vom Bußgeld profitieren wird, ist laut Bürgermeister noch unklar
Ob vom Bußgeld, das der Kreis einziehen wird, für die Gemeinde etwas abfällt, das bezweifle er, sagt Benck. Und er rechnet damit, dass der Eigentümer Widerspruch einlegt.
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Der Kreistag Nordfriesland hat nach Angaben von Kreissprecher Hans-Martin Slopianka als Reaktion auf den Ärger auf Sylt inzwischen eine Resolution ans Land Schleswig-Holstein geschickt mit dem Ziel, Regelungslücken im Bau- und Denkmalschutzrecht zu schließen und einen besseren Schutz historischer Gebäude zu ermöglichen.
Kreistag fordert, Regelungslücken wie im Fall auf Sylt zu schließen
Wortlaut: „Der nordfriesische Kreistag fordert das Land Schleswig-Holstein auf, Regelungslücken im Bau- und Denkmalschutzrecht zu schließen, wie sie zur Situation des Abrisses des historischen Gasthofs in der Gemeinde List führten.“
Dafür müsse ein vorläufiger Schutzstatus für Gebäude geschaffen werden, deren Status als Kulturdenkmal weggefallen ist und deren erneute Überprüfung durch die obere Denkmalschutzbehörde beabsichtigt ist. Dabei solle auch die Bedeutung eines historischen Gebäudes für die einheimische Bevölkerung berücksichtigt werden.
Sylt: Illegaler Abriss wie in List darf keine Vorteile bringen
Der nordfriesische Kreistag forderte das Land Schleswig-Holstein zudem auf, das zuständige Landesamt für Denkmalpflege personell so stark aufzustellen, dass die Inventarisierung nicht erfasster baulicher Kulturdenkmäler in Schleswig-Holstein binnen kürzester Frist abgeschlossen werden kann.
Weiter wird das Land aufgefordert, sich für eine Änderung des Baugesetzbuches auf Bundesebene einzusetzen, um Geldbußen für vergleichbare Ordnungswidrigkeiten deutlich zu erhöhen. „Referenzwert hierfür können vergleichbare Geldbußen nach Paragraf 84 Abs. 3 Landesbauordnung in Höhe von bis zu 500.000 Euro sein“, heißt es weiter. Ein illegaler Abriss dürfe keine Vorteile bringen.