Empörung über ungenehmigten Abriss eines Reetdachhauses ebbt nicht ab. Weshalb das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stand.

  • Ungenehmigt abgerissener "Alter Gasthof" auf Sylt stand nicht unter Denkmalschutz
  • Umbauten und Modernisierungen des historischen Reetdachhauses waren zu umfangreich
  • Alter allein kein Kriterium für Denkmalschutz

Der ungenehmigte Abriss vom "Alten Gasthof" in List auf Sylt beschäftigt weiterhin die Insel. Viele beklagen, dass mit dem 370 Jahre alten Reetdachhaus ein Stück Dorfkultur für immer verloren ging, so etwa Niklas Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt, bei seiner Neujahrsansprache. Kulturgut ja, aber eben kein Kulturdenkmal.

Als denkmalgeschütztes Bauernhaus mit 200-jähriger Gasthof-Tradition hätte es wohl erhalten werden müssen – ein Abriss von Baudenkmälern ist nur unter besonderen Bedingungen möglich, etwa wenn eine marode Bausubstanz mit zumutbarem Aufwand nicht zu erhalten ist. Doch um als Denkmal zu gelten, wurde das Gebäude über die Jahrhunderte zu stark verändert.

"Alter Gasthof" auf Sylt stand nicht unter Denkmalschutz

"Das Baualter allein ist kein ausschlaggebendes Kriterium für die Feststellung des Denkmalwertes", sagt Philip Seifert, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege Schleswig-Holstein. "Entscheidend ist, dass die vorhandene Substanz die Geschichte beziehungsweise das Alter des Objektes authentisch und anschaulich erfahrbar macht."

Und das sei beim "Alten Gasthof" nicht der Fall gewesen, so Seifert: "Diese Anschaulichkeit war stark beeinträchtigt: Bauliche Veränderungen wie ein glatter Außenputz, veränderte Fensteröffnungen, erneuerte Fenster, Anbauten und unhistorische Gauben im Reetdach haben zu einer hohen Überformung des ursprünglichen Erscheinungsbildes geführt."Das Gebäude sei nicht ausreichend authentisch gewesen, so Seifert.

Eine Sylterin zündet eine Kerze am Bauzaun an.
Eine Sylterin zündet eine Kerze am Bauzaun an. © HA | Angelika Hillmer

Sylt: Reetdachhaus war bis 2015 ein einfaches Kulturdenkmal

Für die Lister, viele andere Sylter und auch für viele Urlaubsgäste war der "Alte Gasthof" authentisch genug, um ihn wertzuschätzen. Bis Februar 2015 hatte er den Status eines einfachen Kulturdenkmals. Doch damals trat ein neues Denkmalschutzgesetz in Kraft. Den Status „Einfaches Kulturgut“ gibt es seitdem nicht mehr. Kulturgüter, die dieser Kategorie angehörten, haben damals ihren Denkmalstatus verloren. Auch der Gasthof.

Als Schleswig-Holstein seine Denkmalliste überprüfte, schauten 2016 Experten des Landesamtes für Denkmalpflege (LDSH) auch beim "Alten Gasthof" vorbei, konnten aber mangels "Anschaulichkeit von außen" den gesetzlich geforderten besonderen Denkmalwert nicht feststellen. Damals erhielt das Friesenhaus offiziell den Status: kein Kulturdenkmal.

"Da in der Vergangenheit eine Innenbegehung des Objektes nicht stattgefunden hatte, wurde im Dezember 2022 aus aktuellem Anlass (Gebäudeleerstand) vom LDSH eine weitere Objektbegehung zur Überprüfung des Denkmalwerts für den Jahresanfang in Aussicht gestellt", sagt Seifert. Möglicherweise hat deshalb der Investor Andreas Kammholz am 30. Dezember die Reißleine gezogen und das Reetdachhaus abreißen lassen. Er hat sich zum Abriss bislang noch nicht geäußert.

Sylt: Denkmalschutz ist mit strengen Auflagen verbunden

Würde das Gebäude noch stehen, hätten die Denkmalschützer innen die Fliesenstube mit handbemalten Fliesen aus dem 18. Jahrhundert entdeckt. Aber auch das hätte den strengen Denkmalschutzkriterien nicht genügt. "Handbemalte Fliesen des 18. Jahrhunderts gehören/gehörten häufig zur Ausstattung Uthländischer Häuser jener Zeit, dennoch sind sie in der Überlieferung keine Alltäglichkeit", sagt Seifert. Uthländische Häuser sind ein Gebäudetyp der nordfriesischen Inseln.

Auch bei den Fliesen sei die Authentizität entscheidend, also die Frage, aus welchem historischen Zusammenhang sie stammen und ob sie ursprünglich an diesen Wänden verbaut wurden oder woanders herkommen, sagt Schleswig-Holsteins oberster Denkmalschützer. Und schränkt gleich ein: "Ein Fliesenspiegel allein wird selten als Denkmalgrund ausreichend sein."

Generell sind mit dem Denkmalschutz strenge, oft kostspielige Auflagen für die Eigentümer verbunden. Deshalb muss die Unterschutzstellung sehr gut begründet werden. Auch frühere Besitzer des "Alten Gasthofs" hätten den Denkmalschutzstatus eher gefürchtet als begrüßt, sagt ein Insider.