List auf Sylt. Das historische Reethaus wurde widerrechtlich zerstört. Nun will die Gemeinde den Bebauungsplan ändern. Doch das ist schwierig.
Da, wo mehr als 370 Jahre lang ein Reetdachhaus stand, liegt jetzt nur noch Bauschutt. Etwa vier Wochen ist es her, dass der historische Alte Gasthof in List auf Sylt illegal abgerissen wurde. Und noch immer sitzt der Schock bei den Einwohnerinnen und Einwohnern tief.
Das zeigte sich auch bei der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstagabend. Für die Aufarbeitung des Falls wird nun ein Anwalt hinzugezogen.
Alter Gasthof auf Sylt abgerissen: Einwohner weiterhin verärgert
Die Menschen im Saal grummelten, als Bürgermeister Ronald Benck in der Sitzung den Tagesordnungspunkt „Alter Gasthof“ aufrief. Auch an diesem Donnerstag kamen einige vorwurfsvolle Nachfragen zu dem Abriss.
„Wenn Sie schon Tage vor dem Abriss geahnt haben, dass so etwas passieren könnte, warum haben Sie es nicht verhindert?“, richtete sich Kommunalpolitikerin Margot Böhm von den Grünen an Benck. Sie verwies darauf, dass der Bürgermeister schon einige Tage vor dem Abriss am 30. Dezember Gefahr im Verzug bei der Denkmalschutzbehörde gemeldet hatte.
Zuvor waren auf dem Grundstück Baucontainer und -zäune aufgestellt worden. Die Denkmalschutzbehörde wollte daraufhin im ersten Quartal 2023 erneut prüfen, ob der Alte Gasthof unter Denkmalschutz gestellt werden könnte.
Lists Bürgermeister verteidigt sein Verhalten um Abriss
Ronald Benck verteidigte sich. Niemand habe ahnen können, dass einfach „ein Bagger kommt und alles wegreißt“. Das sei schließlich ein krimineller Akt gewesen. Gehandelt habe an dem Tag des Abrisses kaum jemand. Auf die Idee, die Polizei sofort hinzuzuziehen, um das Ganze zu stoppen, sei niemand gekommen.
Nach weiteren Vorwürfen stellte ein Bürger sich hinter Benck: „Jeder von uns hier hat wochenlang gesehen, dass dort Bauzäune und Container aufgestellt wurden. Jeder hätte handeln können. Jetzt immer mit dem Finger auf eine Person zu zeigen, finde ich nicht richtig.“
Änderungen im Bebauungsplan könnten Investor aufhalten
Doch die Gemeindevertretung suchte auch nach Lösungen. Um zu verhindern, dass der Investor Andreas Kammholz auf dem Grundstück unerwünschte Ferienwohnungen baut, könnte der Bebauungsplan 59 geöffnet und verändert werden. Das würde aber eigentlich gegen die Vorschriften sprechen: Danach müssen Bürgerinnen und Bürger sich mindestens sieben Jahre lang auf einen B-Plan verlassen können. Der Plan ist jedoch gerade einmal anderthalb Jahre alt.
Ob und mit welchen Konsequenzen eine Änderung trotzdem möglich wäre, soll nun ein bereits ausgewählter „fachlich versierter Anwalt“ bis spätestens 1. März entscheiden. Das beschloss die Kommunalpolitik am Donnerstag einstimmig. Die Politikerinnen und Politiker gingen damit teilweise auf einen Antrag der Grünen und des SSW (Südschleswigscher Wählerverband), der forderte, den B-Plan so zu ändern, dass auf dem Grundstück ausschließlich Gastronomiebetrieb erlaubt werde.
Ausschussmitgliedern könnte Schadensersatz drohen
Da der Bauausschuss im Herbst 2021 jedoch einer Umnutzung des Gasthofs zu zwei Dauerwohnungen zugestimmt hatte, wäre diese Forderung „unglaubwürdig“, so Bürgermeister Benck. „Wir dürfen jetzt nicht voreilig handeln.“ Es sei wichtig, die rechtliche Prüfung abzuwarten. Ansonsten könnte von den Ausschussmitgliedern Schadensersatz gefordert werden.
Der SSW und die Grünen zogen den Antrag daraufhin zurück. Stattdessen formulierten die Fraktionen eine allgemeine Beschlussvorlage, um die nächsten Schritte grob festzusetzen. Diese sieht vor, neben der unmittelbaren Beauftragung des Anwalts, „umgebremsten“ Ferienwohnungsbau „zu unterbinden“. Um die Umwandlung von Dauerwohnungen oder gastronomischen Nutzungen in Ferien- oder Zweitwohnungen zu verhindern, sollen außerdem sämtliche vorhandene oder gerade entstehende B-Pläne überarbeitet werden, soweit möglich.
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Abriss könnte doch Straftat sein
Für das Grundstück des Alten Gasthofs sowie das Nachbargrundstück mit dem noch bestehenden Haus Dagmar liegen laut Benck derzeit zwei Bauvoranfragen vor. Es sei daher zu vermuten, dass auch das Nachbargrundstück ohne Genehmigung abgerissen werden könnte. Aufgrund der missachteten Erhaltungssatzung im Falle des Alten Gasthofs wurde dem Eigentümer nun eine Stilllegungsverfügung auferlegt.
Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob es sich bei dem Abriss um eine Ordnungswidrigkeit oder um eine Straftat handelt. Letztere könnte mit Summen im sechsstelligen Bereich geahndet werden.