Sylt. Im Exklusiv-Gespräch: Nils Henkel ist einer der bekanntesten Köche Deutschlands und greift jetzt auf der Insel kulinarisch an.
Eigentlich wollte Nils Henkel Tischler werden. „Ich habe ein Praktikum gemacht und drei Wochen lang Kunststofffenster montiert. Das wollte ich mir nicht drei Jahre lang antun, und deshalb habe ich meine Pläne, eine Schreinerlehre zu machen, aufgegeben“, sagt Henkel beim Abendblatt-Gespräch.
Es folgte ein Praktikum als Koch, und sofort war der gebürtige Kieler „Feuer und Flamme für diesen Beruf“. Seine Ausbildung absolvierte der Norddeutsche, der in Hohwacht an der Ostsee und in Lütjenburg aufgewachsen ist, im damaligen Romantikhotel Voss-Haus in Eutin.
„Das war eine bodenständige Ausbildung, aber durchaus mit kreativen Aspekten. Wir haben viel selber gemacht, zum Beispiel die Kroketten von Hand geformt.“ Das war Mitte der 80er-Jahre und der Start zu einer großen Karriere.
Sylt: Spitzenkoch Nils Henkel kochte früher im Landhaus Scherrer
In Hamburg kam Henkel zum ersten Mal mit der Spitzenküche in Berührung. Im Landhaus Scherrer von Heinz Wehmann an der Elbchaussee, das damals noch mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet war, heuerte der junge Koch an.
„Das war eine harte Schule, aber ich habe viel gelernt“, so Henkel. Eine weitere Station in der Hansestadt war das damalige italienische Nobellokal Il Ristorante in der Einkaufspassage Hamburger Hof. Bis heute löst es übrigens bei dem weit gereisten Henkel Heimatgefühle aus, wenn er in der Elbmetropole zu Gast ist.
Und natürlich steht er in Kontakt mit einigen namhaften Kollegen wie Christoph Rüffer aus dem Gourmettempel Haerlin im Vier Jahreszeiten. „Wir haben zusammen die Küchenmeisterschule besucht.“
Sylt: Restaurant Tipken’s ist im Severin*s Ressort & Spa in Keitum
Im Norden wird der Spitzenkoch wieder häufiger anzutreffen sein, allerdings auf Sylt. Denn dort wurde vor Kurzem mit einer kulinarischen Party („Wir haben für 160 Gäste ein Flying-Menü mit acht Gängen geschickt“) das neue Konzept für das Restaurant Tipken’s by Nils Henkel präsentiert. Das befindet sich im luxuriösen Severin*s Resort & Spa in Keitum.
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Seit vielen Jahren schon gönnt sich der Workaholic auf der Insel „gerne im Januar, wenn die Strände leer sind und es auch richtig kalt ist“, eine Auszeit. Aber jetzt wird er wegen seines gastronomischen Engagements häufiger dort sein.
Sylt: Spitzenkoch präsentiert nordische Variante der Floraküche
Severin*s-Direktor Christian Siegling hatte die Idee für die Zusammenarbeit mit dem Spitzenkoch. Die beiden kennen sich aus dem legendären Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach. Dort war Henkel Küchenchef vom hauseigenen Gourmetrestaurant und Siegling einige Jahre Direktor.
„Mich hat es gereizt, hier im Tipken’s meine nordische Variante der Fauna und Floraküche zu präsentieren“, sagt Henkel. „Ich habe die Karte geschrieben und bin auch immer als Berater ansprechbar. Aber vor Ort habe ich mit René Verse einen langjährigen Mitarbeiter, der als Küchenchef gemeinsam mit Uwe Benkowsky für die tägliche Umsetzung verantwortlich ist.“
Drei-Sterne-Koch Henkel liegt die Gemüseküche am Herzen
Henkel gilt als einer der Pioniere der Gemüseküche. Dementsprechend liegt darauf sein Fokus bei den Menüs, aber Henkel verwendet sozusagen als Begleitung auch Fisch und Fleisch. Im aktuellen Tipken‘s-Menü sind Gänge wie Urkarotte mit Wachtelei und Dänische Gelbschwanzmakrele oder Rücken vom Simmenthaler Rind begleitet von BBQ-Jus, Maispolenta und Brokkolitempura zu finden.
Mit Gemüse beschäftigt sich Henkel auch in seinem aktuellen Kochbuch „Flora“, welches mit der Goldmedaille der GAD (Gastronomischen Akademie Deutschlands) ausgezeichnet wurde.
Die berühmten Michelin-Sterne haben über Jahrzehnte sein Leben bestimmt. 18 Jahre lang war Henkel im Schloss Lerbach tätig, startete dort 1997 als zweiter Souschef.
Magazin „Feinschmecker“ kürte Nils Henkel 2017 zum „Koch des Jahres“
Bereits 2004 machte ihn Kochlegende Dieter Müller zum gleichberechtigten Küchenchef. 2008 wurde er sein Nachfolger. Das Feinschmeckerrestaurant war von 1998 bis 2011 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet und ab 2012 – bis zur Schließung 2014, weil der Pachtvertrag auslief – mit zwei Michelin-Sternen dekoriert.
Seine Zeit im Schloss Lerbach hat ihn geprägt: „Es war immer eine anspruchsvolle Aufgabe, jeden Tag eine Topleistung abzuliefern und Gäste wie Tester zufriedenzustellen. Das war ein bisschen wie in einem Hamsterrad auf hohem Niveau und sehr arbeitsintensiv. Aber es hat auch wahnsinnig viel Spaß gemacht.“
Nach einer kurzen Zeit als Freiberufler wirkte der 2017 vom Magazin „Feinschmecker“ zum „Koch des Jahres“ gekürte Henkel auf der Burg Schwarzenstein im Rheingau, und das von ihm geführte Restaurant wurde ebenfalls mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Wegen der Corona-Regelungen musste das Restaurant 2020 geschlossen werden und öffnete nicht wieder.
Sylt und Rhein: Nils Henkel fühlt sich am Wasser wohl
Längst hat Nils Henkel eine neue Wirkungsstätte im Papa Rhein Hotel in Bingen gefunden, ist dort für die Küche im Bootshaus verantwortlich. „Das ist ein lässiges Konzept, wir bieten dort eine Küche für jeden Tag an. Auf hohem Niveau, aber ohne Sterne-Ambitionen.“
Ohne den „Sternedruck“ hat Henkel jetzt auch etwas mehr Zeit für seine Familie, mit der er in Bensberg bei Bergisch Gladbach im Grünen lebt. Das sind Frau Denia und die Töchter Nele, acht Jahre alt, und Luna, die elf Jahre alt ist.
Früher ist der Spitzenkoch Marathon gelaufen, auch in New York, London und Amsterdam war er dabei. Heute reicht es Henkel aus, mit dem Hund durch den Wald zu spazieren, um den Kopf frei zu bekommen. Zu Hause gilt übrigens eine klare Arbeitsteilung. Nils Henkel ist für das Kochen und seine Frau für das Backen zuständig.
„Wir sind beide Alphatiere, zu zweit in der Küche zu sein funktioniert nicht immer.“ Übrigens hat Nils Henkel keine Ambitionen in den zahlreichen Kochshows im Fernsehen aufzutreten. Der 53-Jährige steht lieber live für seine Gäste am Rhein und an der Nordsee am Herd.