Westerland. Auf 270.000 Euro für Security, Zäune und Dixi-Klos blieb Sylt nach dem Protestcamp sitzen. Einen Anteil sollen nun die Anmelder bezahlen.
Wochenlang haben sie in Westerland demonstriert, gefeiert und bisweilen provoziert: Dutzende Punks waren im Juni 2022 mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt gefahren, um die beliebte Insel der Deutschen zu entern. Ihr schrilles Protestcamp im Rathauspark hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt – und die Gemüter der Einheimischen immer weiterstrapaziert. Noch vor Herbstanbruch sind viele Punks wieder abgereist, doch politisch hat der Protestsommer die Insel noch lange nicht verlassen.
Sylt: 270.000 Euro Kosten wegen Protestcamp der Punks
Denn die Verwaltung blieb auf den Kosten für die bunte Zusammenkunft im Zentrum sitzen: 270.000 Euro musste die Kommune nach ihrer jüngsten Rechnung für Posten wie einen Sicherheitsdienst, Dixi-Toiletten, Bauzäune und Barrikaden zahlen, die während des Protestcamps notwendig geworden waren.
Nun möchte die Politik die beiden Organisatoren, zu denen auch Deutschlands derzeit wohl bekanntester Punk Jörg Otto zählt, doch finanziell belangen. Jedenfalls für einen einzelnen Posten. Nach dem Willen der Gemeindevertreter soll die Verwaltung für das Aufstellen der Dixi-Toiletten von den Anmeldern eine Rückzahlung in Höhe von 6112 Euro einfordern. Diesen Beschluss fassten die Mitglieder des Hauptausschusses nach monatelangen Debatten am Dienstagabend.
Sylter CDU-Politiker Flessau: „Die Party war nicht ganz umsonst“
„Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass die Party nicht ganz umsonst war“, sagte der Ausschussvorsitzende Holger Flessau (CDU) dem Abendblatt nach der Sitzung entschlossen. Die Summe bildet lediglich einen Bruchteil der veranschlagten Gesamtkosten ab, für den großen Rest muss die Gemeinde Sylt aufkommen. Eine Rechnung, die Punk Jörg Otto aber nicht akzeptieren will: „Ich bin echt genervt“, sagte er aufgebracht nach der Verkündung im Sitzungssaal des Rathauses. „Ich habe den besten Anwalt der Welt und werde rechtlich dagegen vorgehen.“
Über dem Hin und Her steht die Frage, ob das Protestcamp vom Versammlungsrecht gedeckt war. Die Punks hatten es Anfang Juli unter dem Motto „für bezahlbaren Lebensraum und gegen Gentrifizierung und steigende Mieten“ angemeldet. Ende August lehnte die Versammlungsbehörde des zuständigen Kreises Nordfriesland eine Verlängerung des Camps jedoch ab. Die Beschwerden der Anwohner wurden zu zahlreich.
Punks auf Sylt: Nur grölen, schreien und streiten?
„Wir mussten sorgsam abwägen zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den Grundrechten der Anwohner, der Einwohner und der Urlaubsgäste, die durch das Protestcamp beeinträchtigt wurden“, sagte Kai Wintrop, Leiter des Kreisfachdienstes Recht und Sicherheit, damals zur Begründung.
Die Rede war von „fortgesetzten Störungen der Nachtruhe, weil die Teilnehmer nachts grölen, singen, schreien und streiten“. Einige Punks sollen ihre Notdurft nicht in den extra aufgestellten Toiletten, sondern in einer Telefonzelle oder im Gebüsch verrichtet haben. Letztlich wurde das Camp geräumt.
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Als die Verwaltung im November schließlich vorrechnete, was der Aufenthalt der Punks die Insel wohl gekostet hat – zunächst war von 200.000 Euro die Rede –, kam unter Einheimischen erneut Unmut auf: Soll der Steuerzahler das wirklich übernehmen? Ist das noch vom Demonstrations- und Versammlungsrecht gedeckt? Was CDU-Politiker Flessau als „Party“ bezeichnet, stuft Jörg Otto überzeugt als politische Arbeit ein.
Sylt: Kosten von Punks zurückfordern? Politiker uneinig
Einigkeit über diese Frage herrschte auch unter den Gemeindevertretern nicht: Nach Abendblatt-Informationen stimmten im nicht öffentlichen Teil der Sitzung am Dienstagabend von den Ausschussmitgliedern lediglich drei für die Rückforderung der anteiligen Kosten und zwei dagegen. Drei enthielten sich.
Wie aussichtsreich die nun beschlossene Forderung ist, bleibt ohnehin fraglich. Eine rechtliche Überprüfung im März ergab, dass Zusammenkünfte wie das Protestcamp der Punks nach dem schleswig-holsteinischen Versammlungsfreiheitsgesetz „kostenfrei“ und „niedrigschwellig“ abzuhalten sind, wie Hauptamtsleiterin Bärbel Brix laut „shz“ sagte. Kurz: Die Kosten dafür muss die Allgemeinheit tragen. Ob dies auch für anteilige Ausgaben gilt, wird sich nun wohl am Dixi-Klo entscheiden.