Westerland. Spaziergänger finden Jungtiere. Eines blutete stark aus der Nase, beide haben keuchend geatmet. Warum das immer wieder passiert.

Aufregung in Westerland: Am Freitag lag ein kleiner Seehund direkt an der Promenade des Inselorts im Sand. Spaziergänger hatten das erschöpfte Tier in Höhe des Hotels Miramar entdeckt und die Sylter Seehundjäger alarmiert. "Ich war kurz nach 14 Uhr am Fundort", sagte Sönke Lorenzen auf Anfrage des Hamburger Abendblatts. Bereits vorher hatte der Seehundjäger ein weiteres Jungtier in Richtung Wenningstedt in der Brandung eingesammelt. Auch dieses hatten Passanten gefunden.

"Beide Seehunde waren apathisch", schildert Lorenzen die Situation am Freitagnachmittag. Ein Tier blutet stark aus der Nase, beide hätten keuchend geatmet und schweren Durchfall gehabt. Für den erfahrenen Seehundjäger, der als einer von vier ehrenamtlichen Seehundjägern auf Sylt offiziell vom Land Schleswig-Holstein beauftragt ist, war schnell klar: Die Jungtiere litten unter einem Parasitenbefall, ausgelöst durch das Fressen von rohem Fisch.

Sylt: Junge Seehunde anfällig für Parasiten

"Das ist nicht ungewöhnlich", sagt Lorenzen. Junge Seehunde hätten ihr Immunsystem noch nicht so ausgebildet, um sich davor zu schützen. Die natürliche Sterblichkeit liege zwischen 30 und 40 Prozent. Auch die beiden Tiere, die am Freitag gefunden worden seien, seien stark verletzt gewesen. Eine Aufnahme in der Seehundstation in Friedrichskoog, wo die Tiere wieder aufgepäppelt werden, nicht realistisch gewesen.

Deshalb hat der Seehundjäger eine "Nottötung" – wie er es nennt – vorgenommen. Hinter dem abstrakten Begriff verbirgt sich die Erlaubnis, die Tiere mit einer Neun-Millimeter-Pistole zu erschießen und sie von ihrem Leid zu erlösen. "Das klingt erstmal hart", sagt der Sylter. "Aber Seehunde sind Wildtiere." Der Bestand ist nach der letzten Zählung im August mit rund 38.000 Seehunden zudem hoch. "Im Prinzip ist die Situation nichts anderes, als wenn ein Wildschwein auf der A7 angefahren wird. Das würde man auch töten."

Die beiden Kadaver werden jetzt gefroren gelagert und dann ins Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung in Büsum zur wissenschaftlichen Auswertung gebracht, das zur Tierärztlichen Hochschule in Hannover gehört. Bei einer Obduktion wird dort untersucht, ob das Tier wirklich so krank war, dass es nicht mehr länger hätte leben können.