Westerland. Parteien machen gegen das Amtsmodell mobil. Damit die Bürger darüber abstimmen können, müssen 1200 Unterschriften gesammelt werden.
Dass es gut wäre, wenn die Sylter mit einer Stimme sprechen und wichtige Themen gemeinsam angehen würden, sehen wohl die meisten auf der Nordseeinsel so. Dass eine Neuordnung der Verwaltung nicht ohne Widerstand bleiben würde, war aber schon bei der Abstimmung in der Gemeindevertretung Mitte September klar. Zwar hatten die Vertreter des Kommunalparlaments der Gemeinde Sylt die Weichen für die Einführung des sogenannten Amtsmodells gestellt - allerdings mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme.
Vereinfacht gesagt soll dieses Modell der erste Schritt zu einer gemeinsamen Inselverwaltung unter einer Amtsleitung für die aktuell fünf Gemeinden sein. Die Sylter Wählergemeinschaft (SWG) hatte den Beschluss mit den Stimmen der CDU durchgesetzt. Die unterlegenen Fraktionen, vor allem SPD, Bündnis 90/Grüne und Zukunft, wollen sich aber nicht geschlagen geben und starten jetzt ein Bürgerbegehren.
Sylt: Bürgerbegehren soll Amtsmodell kippen
"Mit dem Amtsmodell lösen wir unsere Probleme auf der Insel nicht", sagt SPD-Politiker Gerd Nielsen auf Anfrage des Abendblatts. Nielsen steht gemeinsam mit Katrin Kupfer (Grüne) und Lars Schmidt (Zukunft) hinter dem geplanten Bürgerbegehren mit dem Titel "JA zu Sylt! Ja zur bestehenden Inselverwaltung", das zusammen mit der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am 14. Mai stattfinden soll. Die Fragestellung: „Soll der Beschluss der Gemeindevertretung Sylt vom 15.9.2022 zum Beitritt zum Amt Landschaft Sylt und Bildung einer gemeinen Amtsverwaltung aufgehoben werden?“
Als nächsten Schritt beginnen die Initiatoren in diesen Tagen mit der Sammlung von Unterstützer-Unterschriften. Denn um die Bürger der Gemeinde Sylt tatsächlich wie geplant zum Amtsmodell abstimmen zu lassen, brauchen die Antragsteller nach der Gemeindeordnung des Landes die Zustimmung von neun Prozent der Wahlberechtigten - das sind 1200 Unterschriften.
Gegner kritisieren zu hohe Kosten
Die drei Kommunalpolitiker sind dabei nicht grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit. Aber eben nicht mit einem Amtsmodell. Die Sache ist kompliziert. Sie argumentieren, dass mit einer gemeinsamen Amtsverwaltung Verwaltungsstrukturen verdoppelt statt vereinfacht würden. "Die wichtigsten Themen auf Sylt - Bauleitplanung, Verkehr und Tourismus - können nicht auf die Amtsverwaltung übertragen werden. Das würde weiterhin jede Kommune für sich machen", sagt SPD-Mann Nielsen.
Die bisherige Verwaltung auf der Insel durch die Gemeinde Sylt, die mit den Ortsteilen Westerland, Keitum, Rantum, Tinnum, Morsum und Archsum den Großteil der Insel abdeckt, habe sich bewährt. Außerdem kritisieren die Gegner des Amtsmodells Mehrkosten im sechsstelligen Bereich, wenn ein hauptamtlicher Amtsdirektor oder eine Amtsdirektorin inklusive Mitarbeitern eingesetzt würde.
Ein weiteres No-Go ist aus ihrer Sicht der Termin für den Beginn des Amtsmodells - laut Beschlussvorlage ist dafür der 1. Juli 2023 vorgesehen. "Das ist nur sechs Wochen nach der Kommunalwahl, bei sich mit Sicherheit auch die Mehrheiten in den Sylter Gemeindevertretungen ändern werden. Das ist viel zu früh", sagt Gerd Nielsen.
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Befürworter wollen "neutralen" Amtsdirektor
Die Befürworter des Amtsmodells halten dagegen. „Die Gemeinden haben sich den vergangenen Jahren auf Sylt auseinanderentwickelt. Wenn alle sagen, dass wir zerstritten sind auf der Insel, dann müssen wir daran etwas ändern“, hatte der Vorsitzende der CDU-Fraktion der Gemeinde Sylt, Oliver Ewald im September gesagt. Ein Amtsdirektor könne zusammenführend wirken und eine neutrale Funktion gegenüber der Gemeinde Sylt einnehmen.
Die mit Abstand größte Gemeinde hat als einzige auf der Insel mit Nikolas Häckel (parteilos) einen hauptamtlichen Bürgermeister an der Spitze, der gerade erst direkt von den Bürgern wieder gewählt worden war. Die Inselgemeinden List, Kampen, Wenningstedt-Braderup und Hörnum haben eigene ehrenamtliche Bürgermeister, bilden über das „Amt Landschaft Sylt“ eine eigene Verwaltung. Aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt die Verwaltungsarbeit für die 18.000 Sylter durch die Gemeinde Sylt, federführend also über Häckel. Das sorgt immer wieder für Streit - quer über die ganze Insel.
Sylt: Kampens Bürgermeisterin fordert Anhörungsverfahren
"Es muss was passieren. Wir haben so viele gemeinsame Probleme und schaffen es nicht, uns einen Tisch zu setzen und sie gemeinsam abzuarbeiten", sagt auch die Kampener Bürgermeisterin Stefanie Böhm von der Kampener Wählervereinigung. Das Amtsmodell sei eine mögliche Lösung. Das Bürgerbegehren, bei dem die Kampener wie die drei anderen Inselgemeinden nicht mit abstimmen können, sieht sie mit gemischten Gefühlen. "Nur wenn die Bürger gut informiert sind, können sie auch abstimmen", sagt Böhm und fordert ein sogenanntes Vor-Anhörungsverfahren.
Jetzt geht es erstmal darum, 1200 Unterstützer für das Bürgerbegehren zu moibilisieren. Die Antragsteller sind optimistisch. "Wenn alle fleißig sind, sollten wir es bis Weihnachten schaffen", sagt Sozialdemokrat Gerd Nielsen. Neben den Südschleswigschen Wählerverband SSW und den Insulanern hat sich auch das einflussreiche Bürgernetzwerk "Merret reicht's" gegen das Amtsmodell ausgesprochen.
Danach muss eine Prüfung durch die Inselverwaltung erfolgen. Aber auch wenn das positiv verläuft, ist ein erfolgreiches Bürgerbegehren kein Selbstgänger: Nicht nur die Mehrheit bei der Abstimmung ist notwendig. Die Ja-Stimmen müssten mindestens einen Anteil von 18 Prozent der wahlberechtigen Sylter erreichen.
1200 Sylter Unterstützer bis Weihnachten
Wenn das Bürgerbegehren im Mai tatsächlich stattfinden kann, bleiben noch sechs Monate. Viel Zeit für weiteren Zoff auf der Insel. Deshalb bringt SPD-Politiker Nielsen einen Alternativ-Vorschlag zum Amtsmodell ins Spiel: "Wir hatten früher einen Planungsverband. Das hat gut funktioniert", sagt er und plädiert für eine Neuauflage. "Wir müssen unsere insularen Probleme in einem gemeinsamen Gremium bündeln."