Westerland auf Sylt. Bürger kritisieren schleppende Umsetzung des Beherbergungskonzepts. Wie die Politik das Vorgehen in der Streitfrage rechtfertigt.

Die Balance zwischen Dauerwohnraum und Touristenbauten ist eins der dringlichsten Themen auf Sylt. Nachdem vor zwei Monaten der Bau- und Planungsausschuss der Gemeinde Sylt für das sogenannte Beherbergungskonzept gestimmt hatte, schien Bewegung in den Dauerkonflikt zu kommen.

Dabei geht es verkürzt darum, dem Schaffen von Dauerwohnraum den Vorzug zu geben und den Bau von Ferienwohnungen deutlich zu begrenzen. Dass die Ausschussmitglieder einstimmig dafür votieren, schien manchen Beobachtern schon ein historisches Ereignis in der chronisch zerstrittenen Inselpolitik. Passiert ist seitdem von außen betrachtet allerdings nichts.

Sylt: Merret reicht's kritisiert Umsetzung

Jetzt meldet sich das Bürgernetzwerk Merret reicht's – Aus Liebe zu Sylt zu Wort und kritisiert die aus ihrer Sicht schleppende Umsetzung. Das Problem: Damit die Maßnahmen, die in dem Gutachten vorgeschlagen werden, auch zum Tragen kommen können, braucht es einen Beschluss der Gemeindevertretung.

"Uns wurde ein schnelles und unbürokratisches Vorgehen angekündigt von Seiten der Politik", sagt eine Sprecherin von Merret reicht's auf Abendblatt-Anfrage. Fakt sei aber, dass die Beschlussfassung weder im Oktober noch auf der anstehenden Sitzung an diesem Donnerstag auf der Tagesordnung sei.

Sylter Bürgernetzwerk fordert klaren Zeitplan

"Wir wissen nicht, wo das Papier hängt", so die Bauexpertin der Initiative, die durch die Verzögerung eine Verwässerung der geforderten Beschränkungen befürchtet. Sie und ihre gut 180 Mitstreiter vertreten den Standpunkt, dass der Beschluss des Gemeindeparlaments die Basis für alle anderen Schritte, auch die rechtliche Prüfung, sein müsse und nicht anderes herum.

"Wir machen uns Sorgen, dass das Konzept in einer Schublade verschwindet, wie viele andere auch", sagt die Sprecherin und fordert einen "klaren Zeitplan" für die Umsetzung.

Beherbergungskonzept Sylt: Darum geht es

Das Beherbergungskonzept beschäftigt die Insel schon seit Monaten. Erstellt hat es die Lübecker CIMA Beratung und Management GmbH im Auftrag der Gemeinde Sylt mit den Ortsteilen Westerland, Keitum, Rantum, Tinnum, Morsum und Archsum. Im Mai wurde es vorgestellt.

Gutachter Uwe Mantik erklärte in seinem Fazit sehr deutlich: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Belastungssituation sind keinerlei Eignungsräume für weitere Beherbergungsnutzungen in der Gemeinde Sylt zu empfehlen.“

Laut der Studie stehen den 11.000 Dauerwohneinheiten auf Sylt mittlerweile 7500 Zweitwohnsitze gegenüber. Overtourism nennt man das in der Fachsprache.

Sylter finden kaum noch Wohnraum auf der Insel

In den vergangenen Jahren sind die Immobilienpreise zwischen List und Hörnum immer weiter in schwindelerregende Höhen gestiegen. Die Konsequenz: Insulaner finden auf Sylt kaum oder nur sehr teuren Wohnraum und ziehen deshalb aufs Festland. Und: Die Personalnot in vielen Sylter Betrieben ist inzwischen teilweise existenzbedrohend.

Dass das auf die Dauer nicht gut gehen kann, ist den meisten auf der Insel klar. "Wir wollen, dass dem Ausufern von Ferienwohnungen und -appartements Einhalt geboten wird. Das ist unser klares Ziel", sagt Bürgervorsteher Frank Zahel (CDU).

Bürgervorsteher: Brauchen Rechtssicherheit

Den Vorwurf, dass Politik und Verwaltung den Beschluss des Beherbergungskonzepts bewusst in die Länge ziehen, weist er zurück. "Das will niemand", so der CDU-Politiker. "Aber bevor wir darüber abstimmen, ist eine sachliche und rechtliche Prüfung notwendig. Wir brauchen Rechtssicherheit."

Als Knackpunkte nennt Zahel die Auswirkungen auf die bestehenden Bebauungspläne. Beauftragt ist damit nach seinen Angaben der Bereich Ortsentwicklung der Gemeindeverwaltung Sylt. "Wenn die Prüfung abgeschlossen ist, setzen wir das Thema sofort auf die Tagesordnung der Gemeindeversammlung." Der nächste Termin wäre im Dezember.