Westerland. Die Balance zwischen Dauerwohnraum und Touristenbauten ist auf der Insel gekippt. Deshalb hat die Politik nun abgestimmt.

Im Saal Westerland im Congress Centrum Sylt in der bei Touristen beliebten Friedrichstraße ist am Montagabend Historisches passiert: Bei der 9. Sitzung des Bau- und Planungsausschusses der Gemeinde Sylt (umfasst die Ortsteile Archsum, Morsum, Rantum, Tinnum und Westerland) ging es verkürzt gesagt darum, dem Schaffen von Dauerwohnraum den Vorzug zu geben und den Bau von Ferienwohnungen stark zu begrenzen.

Unter Punkt acht der Tagesordnung hieß es: „Beratung und Beschlussfassung über das Beherbergungskonzept für die Gemeinde Sylt." Dieses Konzept fußt auf einem unabhängigen Gutachten, das im Auftrag der Gemeinde Sylt angefertigt und im Frühjahr 2022 veröffentlicht wurde.

Sylt: Bürgernetzwerk kritisiert die Entseelung der Dörfer

„Es attestiert Sylt elementare Fehlentwicklungen und ein drastisches Missverhältnis zwischen Dauer- und touristischem Wohnraum", erklärte das Bürgernetzwerk „Merret reicht's" im Vorfeld der Sitzung. In dem Gutachten wurde festgestellt, dass die Balance zwischen bezahlbaren Dauerwohnungen und Ferienunterkünften längst gekippt ist.

Häuserblocks und der Fernsehturm in Westerland auf Sylt: Bezahlbarer Wohnraum auf der Insel ist knapp (Symbolbild).
Häuserblocks und der Fernsehturm in Westerland auf Sylt: Bezahlbarer Wohnraum auf der Insel ist knapp (Symbolbild). © picture alliance / dpa | Carsten Rehder

„Zwei der vielschichtigen Konsequenzen sind eine extreme Personalnot in den Sylter Betrieben, vor allem aber die progressive ,Entseelung' der Inseldörfer", kritisiert das Bürgernetzwerk. „Die facettenreiche Sylter Infrastruktur kann immer weniger mit Leben gefüllt werden."

Um so glücklicher dürfte das Bürgernetzwerk am Montagabend gewesen sein, als das neue Beherbungskonzept um Punkt 20.20 Uhr einstimmig verabschiedet wurde. Jetzt soll zeitnah eine Umsetzungsstrategie erarbeitet werden, anschließend erfolgt die Abstimmung in der Gemeindeversammlung. "Wir wollten ein deutliches Zeichen setzen. Keine weitere Ausweitung von Ferienwohnungen. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte Bürgervorsteher Frank Zahel.

Auch Bürgermeister Nikolas Häckel war mit dem Ergebnis der Sitzung zufrieden. "Ich bin mehr als zufrieden. Seit sieben Jahren haben wir darauf hingearbeitet und jetzt haben wir es hingekriegt. Ich freue mich sehr", sagte Häckel.

Gemeinde Sylt gab Gutachten in Auftrag

Erstellt hat das Beherbungskonzept die Lübecker CIMA Beratung und Management GmbH im Auftrag der Gemeinde Sylt. Gutachter Uwe Mantik stellte in seinem Fazit fest: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Belastungssituation sind keinerlei Eignungsräume für weitere Beherbergungsnutzungen in der Gemeinde Sylt zu empfehlen.“

Die Einführung eines Regulativs scheint unumgänglich: Wie schwer es derzeit ist, bezahlbaren Dauerwohnraum zu schaffen, zeigte sich erst Ende der vergangenen Woche, als die Adlershorst Baugenossenschaft aus dem Projekt Hörnum Nord ausstieg. Dort sollten 133 Wohnungen entstehen, davon 121 Dauerwohnungen.

Die fünf Sylter Gemeinden ringen um neue Struktur

Findet sich nach der Beratung eine Mehrheit für die Umsetzung des Beherbergungskonzepts, muss im nächsten Schritt noch die Gemeindevertretung darüber abstimmen. Klar ist aber auch: Bereits genehmigte Bauprojekte auf der Insel sind nicht mehr zu stoppen. Und wirklich Wucht kann der Beschluss nur entwickeln, wenn sich auch die vier weiteren Gemeinden auf der Insel (Hörnum, Kampen, List und Wenningstedt-Braderup) anschließen.

Von einer harmonischen Zusammenarbeit der fünf Gemeinden kann aber derzeit keine Rede sein. Im Mai wurde öffentlich, dass sich diese genannten vier Gemeinden nach einer neuen Verwaltung umschauen. Doch nun könnte es am Donnerstag die zweite historische Entscheidung der Woche geben, wenn die Vertretung der Gemeinde Sylt tagt: Im letzten Tagesordnungspunkt geht es um die Bildung einer gemeinsamen Amtsverwaltung zum 1. Juli 2023. Vor zwei Jahren war die Sylter Wählergemeinschaft (SWG) noch gegen das Amtsmodell, nun ist sie dafür. Die Verwaltung der Insel (bisher von Bürgermeister Nikolas Häckel verantwortet) würde dann ein Amtsdirektor übernehmen.