Sylt. Am Abend protestierten die Punker für „Sylt für alle“. Offen bleibt, wie das Problem ihres Camps am Rathaus in Westerland löst.
Die Demonstration fiel deutlich kleiner aus als noch vor einem Monat: Etwa 25 Punker zogen am Donnerstagabend mit Einkaufswagen und Fahrrädern von Westerland zum Nobelort Kampen. Mit Parolen wie „Sylt für alle, und zwar umsonst“ forderten sie bezahlbare Mieten und Umverteilung des Reichtums. Die Veranstaltung war zuvor von der Polizei genehmigt worden. Am 16. Juli hatten etwa 400 Menschen an einem ähnlichen Protestzug teilgenommen.
Die Tage des Protestcamps am Rathaus Westerland könnten gezählt sein. Am Mittwoch schauten Lara und ein paar andere Punks am Stadion vorbei. Der langjährige Sportplatz des TSV Westerland steht seit einiger Zeit leer. Das Gras auf dem ehemaligen Grün sieht mittlerweile aus wie ein Heuhaufen. Die Wege sind vermoost, die Laufbahn teilweise zugewachsen. Hier soll in Zukunft eigentlich der neue Multipark für Jugendliche entstehen. Doch es gibt Widerstand der Anwohner.
Punks hätten im Stadion Sylt mehr Platz und eigene Duschen
Nun hatte der Sylter Kommunalpolitiker Lars Schmidt (51) von der Partei Zukunft eine Idee. Um den Streit auf der Insel um das Protestcamp am Rathaus zu lösen, schlug Schmidt in der vergangenen Woche vor, die Demonstranten künftig im Stadion campen zu lassen. Der Vorteil: Die Punks hätten mehr Platz für ihre Zelte und zudem eigene Sanitäranlagen inklusive Duschen. Eine Idee, die für sehr gespaltene Reaktionen sorgte.
Nun haben sich die Punker selbst zu dem Vorschlag geäußert. „Wir würden die Möglichkeit auf jeden Fall nutzen, ins Stadion zu ziehen, um weiterhin Platz zu haben, wenn mehr Menschen kommen werden“, sagte Protestcamp-Sprecherin Lara am Donnertag dem Abendblatt. „Das wird auf jeden Fall besprochen, spätestens auf der nächsten Ratssitzung.“ Die Punks wollen bei der Sitzung dann wieder dabei sein.
Gleichbedeutend mit dem Ende des Camps vor dem Rathaus wäre ein Umzug aber nicht. „Wir würden nicht komplett ins Stadion ziehen, sondern das Protestcamp weiterhin als Aktionscamp aufrechterhalten. Wir wollen vor dem Rathaus auf jeden Fall weiter Präsenz zeigen“, sagt Lara und meint damit auch die Zeit über den 31. August hinaus.
Dann endet nicht nur das 9-Euro-Ticket, sondern auch die offizielle Genehmigung der Gemeinde Sylt für das Protestcamp. Die geht offenbar davon aus, dass die meisten Punks dann wieder die Insel verlassen, spätestens dann mit den ersten Herbststürmen. Sicher aber ist das nicht.
Und so könnte das Stadion womöglich doch noch eine ersthafte Ausweichmöglichkeit werden. Nachdem Schmidt seine Idee vorgeschlagen hatte, bekam er allerdings bereits Beschwerden von der Leichtathletik-Abteilung des TSV Westerland, die dort auf der Laufbahn trainiert. Schmidt versteht das nicht. „Der Ort wäre eine Chance, die Menschen zusammen zu bringen und nicht auseinander. Ich sehe nicht, dass die Punks die Leichtathleten stören würden“, sagte Schmidt dem Abendblatt.
Nachdem es mit den Punks in der Innenstadt viele Probleme mit fehlenden Sanitäranagen gab, könnte das Stadion mit seinen Duschräumen eine Lösung sein. Aktuell nutzen die Punks vor allem die Duschen am Strand oder das Meer, um sich zu waschen. Andere klingeln bei Anwohnern.
„Sanitäre Anlagen sind uns primär wichtig“, sagt Lara von den Punks. Zudem sei der begrenzte Platz am Rathaus aktuell ein Problem. „Auf dieser engen Fläche ist es nicht möglich, sich abzugrenzen. Dafür wäre das Stadion perfekt“, sagt sie.
Punk verletzte sich bei Brand schwer und musste ins Krankenhaus
Am Mittwoch hatte einer der Punks für einen Rettungseinsatz gesorgt. Vor den Dixitoiletten hatte sich der junge Mann angezündet, nachdem er sich mit Desinfektionsmitteln eingesprüht hatte. Womöglich wurde der Brand durch eine Zigarette ausgelöst. Der offensichtlich stark alkoholisierte Punk musste schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht werden. Lara zeigte dem Abendblatt am Donnerstag ein Foto des Punkers in einem Krankenhaus in Hamburg. Ihm gehe es schon wieder besser.
Vorfälle wie diese sind es, die bei vielen Insulanern für Kopfschütteln sorgen. Mittlerweile entstehen aber auch immer mehr Dialoge zwischen den Sylter Bürgern und den Punks. Viele Anwohner loben hinterher die Gesprächskultur mit den Demonstranten, die aktuell ihr Forderungspapier neu überarbeiten.
- Westerland will Dauercamper loswerden – die wehren sich
- Sechs Millionen Euro? Damit kommt man in Kampen nicht weit
- Gregor Gysi zu Besuch bei den Punks in Westerland
Punks auf Sylt fordern von der Politik Umsetzung neuer Sozialbauten
Ihnen ist vor allem eines wichtig: „Wir wollen nicht die arbeitende Bevölkerung stören“, sagt Lara. „Uns geht es darum, dass die Gentrifizierung immer weiter voranschreitet und die Reichen dafür sorgen, dass die arbeitende Bevölkerung hier pendeln muss. Das ist ungerecht und das kann so nicht weitergehen. Unser Ziel ist es, durch den politischen Druck dafür zu sorgen, dass hier irgendwann Sozialbauten entstehen können.“
Ein ambitioniertes Ziel, das aktuell in weiter Ferne liegt. Wie aber geht es über den 31. August hinaus mit den Punks weiter? Die Sache auszusitzen, scheint in jedem Fall nicht zu funktionieren. „Die Stimmung auf der Insel ist gereizt“, sagt Lars Schmidt, der selbst auf Sylt groß geworden ist und seit 35 Jahren in der Kommunalpolitik tätig ist. Was mit den Punks passiert, will er noch nicht vorhersagen. Er ist sich nur in einem Punkt sicher: „Das Problem lässt sich so schnell nicht lösen.“