Kampen. Die angeblich “teuersten Immobilien auf Sylt“ sind in Wahrheit ziemliche Schnäppchen – zumindest im Vergleich zu den echten Preisen.
Am Montagnachmittag veröffentlichte das Onlineportal „Immoscout24“ eine spannende Liste. Der Titel der Mitteilung: „Preis-Wahnsinn: Das sind die zehn teuersten Immobilien auf Sylt“. Eine Doppelhaushälfte in Kampen wird dort als teuerste Immobilie aufgeführt mit einem angeblichen Quadratmeterpreis von 40.417 Euro. Ein „neuwertiges Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung“ in List landet mit einem Wert von sechs Millionen Euro auf Platz eins der höchsten Kaufpreise. „Für sechs Millionen Euro könnte eine Person fast 40 Jahre im teuersten Hotel Sylts unterkommen“, heißt es dazu.
Das Problem an der Mitteilung und den genannten Zahlen: Sie haben mit der Realität auf Sylt nicht viel zu tun. In Wahrheit liegen die Preise auf der Insel noch viel höher, insbesondere im Nobelort Kampen. „Eine Doppelhaushälfte im Bestand kostet in Kampen vier bis sechs Millionen Euro. Im Neubau beginnen die Preise bei 6,5 Millionen Euro“, sagt Eric Weißmann.
Sylt: "Einzelhäuser gibt es ab neun Millionen Euro"
Der 35-Jährige ist Immobilienmakler auf Sylt und kennt sich mit den höchsten Preisen aus. Er weiß, was ein neues Haus in Kampen kostet: „Einzelhäuser gibt es ab neun Millionen Euro. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Weißmann. Seit 15 Jahren lebt er auf Sylt, seit zehn Jahren ist er im Immobiliengeschäft tätig. Im März hat er sein erstes Buch veröffentlicht: „Aber bitte mit Reet!“
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Die typischen Nordseehäuser mit den Reetdächern sind noch immer die gefragtesten Immobilien auf der 18.000 Einwohner großen Insel. Wer in der Sylter High Society eine echte Topimmobilie verkaufen will, der inseriert allerdings nicht auf den gängigen Portalen im Internet. Der Markt funktioniert hier anders. In der Maklerszene lernt man sich zunächst über private Kontakte kennen. Man trifft sich mehrfach, baut Vertrauen auf, stellt eine enge Vorauswahl zusammen. Dass mal mehr als zehn Interessenten in die Situation kommen, sich eines der besten Häuser anzuschauen, ist eine Seltenheit.
Bezahlbarer Wohnraum auf der Insel wird immer knapper
Öffentlich spricht auch kein Eigentümer darüber. „Die werden zumeist sehr diskret verkauft, denn es handelt sich in der Regel um bekannte Namen aus der Wirtschaft“, sagt Weißmann. Das gilt insbesondere für Kampen. Im bekannten Hobokenweg etwa wohnen ausschließlich Millionäre.
Das größte Problem für die Bewohner auf der Insel sind aber ohnehin nicht die Preise, sondern das Angebot. Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Viele junge Menschen verlassen Sylt, weil sie keine neue Wohnung finden. Manche ziehen auf das Festland und pendeln täglich auf die Insel. Oder sie ziehen ganz weg.
Auch Wohnungen auf Sylt sind deutschlandweit am teuersten
Denn auch bei Wohnungen liegen die Preise deutschlandweit auf Sylt am höchsten, wie der Preisatlas der Postbank bestätigt. Demnach kostete im Landkreis Nordfriesland der Quadratmeter für Eigentumswohnungen im Bestand im vergangenen Jahr im Schnitt 7977 Euro. Zwar gehören auch andere Nordseeinseln oder der beliebte Strandort St. Peter-Ording zu diesem Kreis.
Doch in der Spitze geht es vor allem um Sylt. Der Preisanstieg beschleunigte sich 2021 gegenüber dem Vorjahr auf 14,3 Prozent (2020: 4,8 Prozent). In den Top Ten der teuersten Landkreise finden sich hinter Nordfriesland nur Kreise aus dem Großraum München und aus den Feriengebieten des Alpenvorlandes. „Das Angebot war auf Sylt schon immer geringer als die Nachfrage“, erklärt Weißmann. „Durch viele neue Kunden in den vergangenen Jahren gibt es aktuell ein historisches Angebotstief.“
Sylt: Haus in Kampen wird für 50 Millionen Euro angeboten
Und nirgends ist es teuer als in Kampen auf Sylt. Dort soll eine Villa in Wattenmeerlage bereits mehr als dreißig Millionen Euro kosten. „Weil sie drei unterirdische Stockwerke hat: ein Geschoss ist für die Oldtimer-Sammlung, das Zweite für einen Weinkeller und im dritten Untergeschoss ist ein riesiges Aquarium“, sagte Weißmann mal in einem Interview mit der „Welt“. Insider sagen, dass für Häuser in Strandnähe sogar rund 50 Millionen Euro gefordert werden.
Verglichen dazu sind die Objekte, die aktuell auf „Immoscout24“ angeboten werden und als „die zehn teuerste Immobilien Sylts“ angepriesen werden, geradezu „Schnäppchen“. So ist etwa das historische Dammwärterhaus von 1925 in Morsum für „nur“ 5,5 Millionen Euro zu haben. Allerdings sieht man direkt auch auf den Fotos, dass das Reetdach schon ziemlich vermoost ist.
Das größte Manko aber ist die Lage. Zwar liegt das Haus mit einem idyllischen Garten direkt am Wattenmeer, aber eben auch direkt an den Gleisen. Wer mit dem Zug über den Hindenburgdamm nach Sylt kommt, sieht das alte Traditionshaus gleich am Eingang der Insel. Womöglich ist das Haus auch deshalb nach einem Jahr noch nicht verkauft.
Sylt: "Wattküken" galt als teuerstes Haus der Welt
Dass Sylt immer wieder als Insel der Megapreise im Mittelpunkt steht, ist für die Menschen hier mittlerweile normal. Vor zehn Jahren wurde hier sogar über das „teuerste Haus der Welt“ gesprochen. Die 30 Quadratmeter kleine Reetdach-Kate „Wattküken“ auf der Ostseite von Kampen wurde von einem Immobilienhändler für 4,8 Millionen Euro angeboten. Das bedeutete einen einmaligen Quadratmeterpreis von 160.000 Euro. Die Geschichte machte deutschlandweit Schlagzeilen.
Für den Sylter Makler Eric Weißmann sind diese Geschichten der Alltag. Und sie werden weiterhin der Alltag auf der Insel bleiben. „Eine Immobilie ist eine nachhaltig sichere Bank, auch in Zukunft“, sagt Weißmann. Sein Schlusswort: „Sylt war schon immer ein Sehnsuchtsort.“