Westerland. Der ehemalige Linken-Vorsitzende folgte einer Einladung ins Camp vor dem Rathaus – und gab den Punks ein paar Protest-Tipps.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Punks aus dem Protest-Camp vor dem Rathaus Westerland auf Sylt mit einem Coup Aufsehen erregt: Sie hatten Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble eingeladen – und der nahm sich tatsächlich anderthalb Stunden Zeit für eine Diskussion. Nun hat es auch der Linken-Politiker Gregor Gysi nicht nehmen lassen, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Pünktlich um 16 Uhr kam Gysi am Donnerstag nach Westerland geradelt, um vor Ort mit den Punks über deren politische Ziele und Ansichten zu debattieren. Initiator der Veranstaltung war erneut Punk Nimbus, der das Büro Gysis direkt nach dem Treffen mit Wolfgang Schäuble angeschrieben und wenig später die Zusage erhalten hatte.
Sylt: Gregor Gysi diskutiert mit den Punks – über alles und nichts
Ein "gemütlicher Wohnzimmer-Talk" sollte es werden, und entsprechend haben die Protestler Gysi eine Sitzecke nach ihren Möglichkeiten eingerichtet. Auf das bereitgestellte Bierchen verzichtete der Linkenpolitiker aber und gab sich mit einem Wasser zufrieden.
Thematisch drehte sich das Gespräch abwechselnd um alles und nichts. Von eher illusorischen Forderungen der Punks – etwa nach aus Fahrzeugen gezündeten Feuerwerkskörpern auf Sylt – bis hin zu existenziellen Fragen nach Wohnraum und Steuergerechtigkeit ließ sich Gysi auf sämtliche Anliegen der Protestierenden ein. Applaus erntete er dabei erwartungsgemäß regelmäßig, unter anderem für Aussagen wie: "Ich finde, dass Obdachlosigkeit die Würde des Menschen verletzt und damit Grundgesetz-widrig ist." Das Wohnen sei als Grundbedarf zu begreifen.
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Gysi will sich beim Bürgermeister für mehr Toiletten stark machen
Auch für ihren Protest als solchen und die damit einhergehenden Unstimmigkeiten mit Sylter Unternehmern oder der Lokalpolitik gab er dem Camp einen Ratschlag mit auf den Weg: "Es gibt Kompromisse, die man eingehen muss, um ein höheres Ziel zu erreichen." Das Gespräch zu suchen "gehört zu einer demokratischen Kultur dazu", sagte Gysi.
Weil noch immer nicht ausreichend Toiletten für das Protestcamp zur Verfügung stehen, wolle er sich daher auch persönlich an den Bürgermeister der Gemeinde Sylt Nikolas Häckel wenden. Außerdem hat er einen Vorschlag, wen die Protestierenden nach ihm und Wolfgang Schäuble als nächsten einladen sollten: den Landrat des Kreises Nordfriesland. Der könne die Kritikpunkte, die die Punks an Sylt haben, nämlich sogar politisch angehen.
Sylt: Gysi trifft erst Punks in Westerland, dann Literaturfans in Kampen
Allein für die Punks ist Gysi übrigens nicht auf die Insel gereist. Im Anschluss an seinen Besuch in Westerland gibt er eine Lesung im Rahmen des "Kampener Literatursommers". "Ich bin gern hierher gekommen, weil ich heute Abend vor einem ganz anderen Publikum sprechen werde und ich liebe die Abwechslung", kommentiert er seine Zeit auf der Insel.