Westerland. 35 Saisoncamper sollen ihren Stellplatz zum Ende der Saison verlieren. Nun suchen sie nach Möglichkeiten, das zu verhindern.
Als Barbara Zimmermann von ihrem Stellplatz auf dem Campinplatz Westerland Richtung Sylter Dünen läuft, kann sie ihre Tränen nicht mehr halten. „Das war hier unser Lebenstraum", sagt die 57-Jährige. Dann setzt sie sich zu ihren zwei Hunden Sarah und Matty und ihren Partner Karsten Schäfer (54) neben ihren Wohnwagen, um die letzten Wochen zu genießen. „Ich bin immer noch geschockt", sagt sie.
Die beiden Campingliebhaber aus Recklinghausen sitzen dort, wo sie seit sieben Jahren jeden Sommer von April bis Oktober sitzen. Wo sie im kommenden Sommer aber nicht mehr sitzen dürfen. Den Dauercampern wurde „gekündigt“, wie sie sagen. Oder wie es der Insel Sylt Tourismus-Service (ISTS) der Gemeinde Sylt als Eigentümer schreibt: „Dieser Stellplatz ist zum Saisonende 2022 laut Vertrag zu räumen.“
Sylt: Campingplatz Westerland soll modernisiert werden
Die Email, die Zimmermann und Schäfer bereits am 26. Juli um 19.26 Uhr erreichte, betrifft insgesamt 35 von 100 Dauercampern hier auf dem Campingplatz Westerland. Viele von ihnen kommen seit Jahrzehnten nach Sylt. Darunter auch die 90 Jahre alte Elfriede Riedel aus Hannover, die seit 60 Jahren ihren Sommer auf Sylt verbringt. Auch ihr Vertrag läuft im Oktober aus. Die Chance, wie in der Vergangenheit auch für das kommende Jahr den Vertrag zu erneuern, wird es nicht mehr geben. Die Gemeinde Sylt will den Campingplatz modernisieren und hat dazu Bauarbeiten eingeleitet. Eine Möglichkeit für die Saisoncamper, anschließend wieder auf ihre Plätze zurückzukehren, gibt es nicht.
Anstelle der Stellplätze für Wohnwagen in der Saison sollen die Plätze in der ersten Reihe am Waldrand sowie am Strandzugang künftig für sogenannte Durchgangsgäste angeboten werden. Eine Entwicklung, wie sie auf vielen deutschen Campingplätzen stattfindet. Für den ISTS ist das auch finanziell ein deutlich lukrativeres Geschäft. Während die Dauercamper rund 3000 Euro pro Saison für ihren Stellplatz zahlen, müsste man für denselben Zeitraum als Durchgangsgast, der tages- oder wochenweise einen Platz mietet, mindestens den doppelten Preis bezahlen.
Sylter Campingplatz will mehr Plätze für Durchgangstouristen anbieten
Konkret heißt es in der Email and die Dauercamper: „Im Rahmen der notwendigen Renovierungsarbeiten auf dem Campingplatz Westerland, in Kombination mit der stetig wachsenden Nachfrage an Durchgangsplätzen, sehen wir uns gezwungen, ab 2023 einen Teil der bisherigen Saisonplätze zukünftig nur noch für Buchungen von Durchgangsgästen anzubieten.“
Für die 35 betroffenen Saisoncamper ist das gleichbedeutend mit dem Ende ihre Campingträume an der Nordsee. „Wir können nicht mehr klar denken. Wir sind so geschockt“, sagt Barbara Zimmermann. Schon als Kind kam sie mit ihren Eltern nach Sylt. Später mit ihren eigenen Kindern. Und nun seit sieben Jahren mit ihrem Partner. „Für uns war das hier immer wie nach Hause kommen“, sagt Karsten Schäfer und schütte sich eine zweite Tasse Kaffee ein. Neben den Hunden Sara und Matty kriechen ihre Schildkröten Karl und Emma durch ein kleines Gehege und essen Tomatenstückchen.
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Was die Recklinghausener besonders wütend macht: Die fehlende Kommunikation. Sie haben Verständnis, dass ihre teilweise maroden Stellplätze modernisiert werden müssen. Aber die Art und Weise der Mitteilung macht sie noch immer wütend und traurig. „Für uns war das hier ein Lebenstraum“, sagen Zimmermann und Schäfer. Beide sind Frührentner, hatten schwere Krankheiten. Für Zimmermann war die Zeit auf dem Campingplatz die beste Erholung, nachdem sie sich vor wenigen Jahren wegen einer Brustkrebs-Diagnose einer Chemotherapie unterziehen musste. Sie muss schlucken. „Wir haben es uns hier schön gemacht.“
Aus für Dauercamper: Gemeinde hält an Plänen fest
Das Aus für die Dauercamper hat auf der Insel bereits hohe Wellen geschlagen. Die Gemeinde will an ihren Plänen trotzdem nichts mehr ändern. Es gebe zu den bisherigen Stellungnahmen „keine Ergänzungen“, teilt der ISTS auf Abendblatt-Anfrage mit. „Die Planungen zur weiteren Modernisierung des Campingplatzes werden erst im Winter fortgesetzt.“
Zuvor hatte sich Geschäftsführer Peter Douven bei „shz.de“ gerechtfertigt: „Wir haben lediglich einige Plätze mit normal ausgelaufenen Verträgen nicht wieder buchbar gemacht, da wir im Winter im Rahmen der notwendigen weiteren Modernisierung des Platzes unsere Planungen anpassen wollen“. Es würde „keinen Anspruch auf Verlängerung“ geben.
Die meisten Dauercamper haben sich mit dem Aus abgefunden
Die betroffenen Dauercamper sind sich der Vertragslage bewusst. Die meisten haben sich mit ihrem Aus abgefunden. Ganz aufgeben wollen sie aber noch nicht. Einige von ihnen studieren gerade den Bebauungsplan. Dieser wurde erst im vergangenen Jahr verändert. Ob die Surfschule nebenan am Strandzugang ihren Betrieb in der Form führen dürfte, wie sie es tut, bezweifeln die Camper. Zudem sei die Gesamtzahl der Gäste auf 200 begrenzt und diese Zahl bereits erreicht.
Zu guter Letzt halten sie es für gefährlich, wenn an diesem kleinen Hauptweg zum Strand, durch den täglich viele Kinder und Senioren gehen, künftig große Wohnmobile regelmäßig rangieren würden. Ihr Verdacht: Der ISTS wolle hier in Zukunft weitere Mobilheime errichten. Das sind bewegliche Wohneinheiten, die es bereits auf dem moderneren Campingplatz in Rantum in großer Zahl gibt. ISTS-Geschäftsführer Douven bezeichnete diese Vermutungen als „wilde Spekulationen“.
Sylt: Der Frust bei den Campern ist groß
Der Abschnitt der Dauercamper am Rande des Fahrradweges neben dem Wald sieht mittlerweile ziemlich schäbig aus. Das neue Waschhaus ist noch immer im Bau. Auch die mobilen Toiletten machen den Ort nicht gerade schöner. Das hat zum einen mit fehlenden Modernisierungen zu tun. Aber auch mit der Tatsache, dass die Saisoncamper ihre Stellplätze nach der ersten Email und dem großen Schock teilweise verkümmern lassen. Der Frust ist groß.
„Wir kriegen keine neuen Dauerstellplätze“, sagt Hartmut Klieber aus Hamburg. Es gebe in Deutschland kein vergleichbares Angebot mehr. Die Wartelisten, auf die sich die Dauercamper nun wieder eintragen müssen, sind viel zu lang. Der 73-Jährige sitzt im Strandkorb seines Stuttgarter Campingnachbarn. Im Hintergrund beginnen bereits die berühmten Sylter Dünen. Zum Traumstrand sind es nur wenige Meter. Ihr Campingtraum aber ist in wenigen Wochen vorbei. Aufgeben wollen sie zwar noch nicht. Die Hoffnung ist aber ist gleich null.