Steinberg. Noch in dieser Woche will die CDU in Schleswig-Holstein über den Vorschlag beraten. Warum die Gemeinden die Schutzzone kritisch sehen.
Wird die Ostsee zu einem Nationalpark – oder bleibt alles so, wie es ist? Die Entscheidung rückt näher: Am 5. Oktober tritt die CDU in Schleswig-Holsteinzu ihrem Parteitag zusammen, und dort soll über den Antrag auf ein freiwilliges Aktionsbündnis zum Schutz des Meeres und die Räumung der Munitionslasten entschieden werden. Findet der eine Mehrheit, hätte sich die CDU damit gegen den Nationalpark Ostsee und gegen ihren Koalitionspartner Die Grünen ausgesprochen.
Deren Umweltminister Tobias Goldschmidt hat sich sehr stark für das Projekt eingesetzt, bekommt Unterstützung für seine Pläne von Umweltverbänden. So ruft jetzt Fridays for Future zu einer Demonstration unter dem Motto „Rettet die Ostsee: Ja zum Nationalpark!“ parallel zum Parteitag der CDU auf. „Wir sind hoch motiviert und würden uns sehr freuen, wenn ihr gemeinsam mit uns gegen die 40 Prozent CDU in Schleswig-Holstein auf die Straße geht“, heißt es in dem Aufruf.
Nationalpark Ostsee: Bürgermeister fürchtet sich vor einem „Bürokratiemonster“
Doch das Vorhaben hat auch viele Gegner, besonders in den betroffenen Regionen. Immer wieder gab es Proteste und Demonstrationen. Vor allem Tourismusunternehmen und -verbände, aber auch viele Kommunen an der Küste haben sich gegen einen Nationalpark positioniert. Sie befürchten Einschränkungen zum Beispiel für den Wassersport.
„Ich fürchte mich vor einem riesigen Bürokratiemonster, das da auf uns zukommen könnte“, sagt Roy Bonde, Bürgermeister der Gemeinde Steinberg. Mit ihm hat das Abendblatt gesprochen, um einmal exemplarisch aufzuzeigen, was die Einrichtung einer solchen Schutzzone für die kleinen Gemeinden entlang des Wassers bedeuten würde.
Zum Hintergrund: Der derzeit diskutierte Nationalpark Ostsee würde im Norden des Landes von der Flensburger Förde bis zur Schleimündung gehen. Außerdem betroffen wäre die südliche Eckernförder Bucht. Dazu kommt die östliche Kieler Bucht einmal um Fehmarn herum, runter bis etwa Kellenhusen. Ein Nationalpark ist in mehrere Zonen eingeteilt. Die härtesten Regeln gelten in der sogenannten Kernzone. In der ist ein möglichst ungestörter Ablauf der Naturvorgänge vorgeschrieben. Und die bereiten den Betroffenen Sorgen.
Nationalpark Ostsee: Bürgermeister sorgt sich um neue Badebrücke in Steinberg
Betroffene wie Bonde. Er ist seit gut drei Jahren in Steinberg als Bürgermeister tätig. Seine Gemeinde liegt direkt am Meer, 850 Menschen leben hier in den Ortschaften Norgaardholz, Steinberg und Steinberghaff. Dazu kommen etwa 150 Männer und Frauen, die hier einen Zweitwohnsitz angemeldet haben, wie so oft in der Region. Außerdem gibt es Ferienwohnungen, drei Campingplätze mit rund 500 PlätzeN, die Seebadeanstalt Norgaardholz und das Gut Oestergaard.
Das Besondere: Zu der Gemeinde gehören acht Kilometer Strand, weshalb Steinberg stark von einem Nationalpark Ostsee betroffen wäre. Bonde berichtet, was das heißen könnte. „Wir haben in diesem Sommer unsere neue Badebrücke hier eingeweiht“, sagt der Bürgermeister. Sie ist rund 50 Meter lang und ragt ins Meer hinein. Doch die Brücke ist nicht fertig. Vorne an der Spitze soll ein weiterer U-förmiger Anbau erfolgen, damit die DLRG dort ihe Schwimmabzeichen abnehmen kann.“
Davor soll eine sogenannte Buhne aus Stein aufgeschüttet werden, die das Wasser ein wenig beruhigt, bevor es auf den Strand trifft. „Die Anträge für diese Baumaßnahmen sind bereits gestellt“, sagt Bonde. Allerdings ist er sich sicher: „Wenn der Nationalpark kommt, dann werden diese Baumaßnahmen nicht mehr stattfinden.“
Nationalpark Ostsee: Auch der Schutz der Steilküste ist Thema in den Gemeinden
Bonde berichtet weiter, dass seine Gemeinde einige Steilküsten habe. Die würden Stück für Stück immer weiter abbrechen. So weit, dass die Heimat einiger Gemeindebewohner gefährdet sei. „Bei uns musste bereits ein Haus versetzt werden“ so Bonde. Derzeit arbeite man mit der Universität Kiel an einem Pilotprojekt für derartige Fälle in Form einer besonderen Bodenschwelle. „Die würde vor der Steilküste im Meer angelegt und könnte einen weiteren Abtrag verhindern.“
Der aktuelle Stand der Forschung würde zeigen, so Bonde, dass auf diese Weise Küstenschutz im Einklang mit der Natur gelingen könne. „Aber auch hier bin ich mir sicher, dass ein solches Projekt mit dem Nationalpark Ostsee gestorben wäre.“
Sorge bereitet ihm auch die Tatsache, dass entlang der Küste vielfach landwirtschaftliche Fläche direkt ans Meer heranragen würde, sagt Bonde. „Was passiert hier, was bedeutet das für die Landwirte der Region?“
Bringt der Nationalpark Ostsee mehr Verwaltungsarbeit für die Gemeinden?
Bonde ist ehrenamtlicher Bürgermeister, wie alle Vorsteher der kleinen Gemeinden. „Ich fürchte, dass zudem viel mehr Verwaltungsarbeit auf uns zukäme, die wir als Ehrenämtler nicht stemmen könnten“, sagt der 35-Jährige, der zur Wählergemeinschaft gehört. Noch mehr Regeln müssten bedacht werden, mehr Anträge gestellt. „Das macht alles viel komplizierter.“ Zudem würden sich die Zuständigkeiten bei den einzelnen Themen verschieben, glaubt Bonde. „Plötzlich werden wir mit EU-Regeln konfrontiert.“
Der Bürgermeister verweist außerdem auf die Nähe seiner Gemeinde zu Dänemark. „Wenn ich am Strand stehe, dann blicke ich auf Dänemark, so nahe sind wir uns hier oben.“ Was bringe es, so Bonde, wenn auf dieser Seite der Ostsee mit dem Nationalpark neue strenge Schutzmaßnahmen verabschiedet würden. „Aber da drüben ändert sich nichts.“ International müsse über den Schutz der Ostsee gesprochen werden, so Bonde. Nicht nur punktuell an einigen Stellen in Schleswig-Holstein.
Allen Beteiligten ist klar: Die Ostsee muss dringend geschützt werden
Dennoch, so Bonde, sei hier oben allen klar, dass dringend etwas geschehen müsse zum Schutz des Meeres. „Wir leben ja auch in vielfacher Hinsicht von unserer Ostsee. Es ist in unser aller Interesse, dass etwas geschieht.“ Aber allein eine Umwidmung reiche eben nicht. Deshalb seien einzelne gezielte Maßnahmen vor Ort wesentlich hilfreicher. „Wir müssen schauen, was wirklich gut ist für die Natur“, so Bonde.
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Der Bürgermeister ist überzeugt, dass die teilweise heftig geführte Diskussion um den Nationalpark Ostsee ein großer Gewinn für die Region ist. Ein Schritt in die richtige Richtung. „Egal, was jetzt dabei herumkommt, es hat schon jetzt viel gebracht, dass wir endlich einmal über den Zustand und die Zukunft des Meeres sprechen“, so Bonde. Schließlich würden alle eigentlich das Gleiche wollen, nämlich den Schutz ihres Meeres vorantreiben.
16 Nationalparks gibt es bundesweit, die Ostsee wäre Nummer 17
„Und ich denke, vielen Menschen war bis zu dieser Diskussion nicht bewusst, wie schlecht es der Ostsee geht.“ Sollte am Ende der Vorschlag der Grünen abgelehnt werden, „ist es vielleicht eine Niederlage für Herrn Goldschmidt, aber er hat der Ostsee mit seinem Einsatz insgesamt einen großen Dienst erwiesen“.
Übrigens gibt es derzeit 16 Nationalparks in Deutschland. Der älteste ist der Bayerische Wald, der jüngste der Hochwald in Rheinland-Pfalz. Insgesamt sind so bereits mehr als 10.000 Quadratkilometer unter Schutz gestellt. Ob ein 17. Nationalpark hinzukommt ist fraglich.