Kiel. Das Kieler Umweltministerium treibt die Idee voran, Fischer, Touristiker Kiter und die FDP sind strikt dagegen. Die Pläne.

Die FDP in Schleswig-Holstein hat in dieser Woche den Druck auf die Landesregierung erhöht, um die Ausweisung eines Nationalparks Ostsee noch zu verhindern. Landeschef Oliver Kumbartzky fordert, das laufende Konsultationsverfahren mit Kommunen, Fischern, Wassersportlern, Touristikverbänden und Landwirten abzubrechen.

„Die Landesregierung muss endlich die Reißleine ziehen und ihre symbolpolitischen Nationalparkpläne versenken“, sagte der FDP-Umweltpolitiker. Aber wie steht es um die Nationalpark-Pläne? Wer ist dafür, wer dagegen? Wie geht es nach der Sommerpause weiter?

So weit wie die FDP geht die SPD im Land nicht, aber auch deren Fraktionsvorsitzender im Landtag, Thomas Losse-Müller, kritisiert das Vorgehen der Landesregierung deutlich. „Der Prozess läuft nicht gut. Die Sorgen der Menschen vor Ort werden nicht aufgenommen“, kritisiert Losse-Müller.

Nationalpark? Der Ostsee geht es schlecht

Was Regierung wie Opposition eint, ist die Überzeugung, dass es der Ostsee schlecht geht und sie besser geschützt werden muss. Der grüne Umweltminister Tobias Goldschmidt spricht von einem „geschundenen Meer mit Todeszonen, in denen kein Fisch mehr leben kann“. Für Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist „Nichtstun keine Option. Wir müssen den Zustand der Ostsee verbessern“. Thomas Losse-Müller formuliert es so: „Der Ostsee geht es nicht gut. Wir müssen handeln.“ Und auch Nationalpark-Gegner Kumbartzky spricht von „Herausforderungen zum Schutz der Ostsee“. Nur wie dieser bessere Schutz der Ostsee funktionieren könnte – da gehen die Meinungen weit auseinander.

Eindeutig sind die Positionen von Grünen und FDP. Umweltminister Tobias Goldschmidt von den Grünen spricht zwar von einem „ergebnisoffenen Konsultationsverfahren“ zum Thema Nationalpark, der in diesem Jahr gestartet wurde, von einem „fairen Prozess“ und von Dialogbereitschaft. Aber natürlich würden die Grünen das Projekt gern noch in dieser Legislaturperiode angeschoben haben, um mit einem prestigeträchtigen Erfolg in die nächste Wahl zu gehen, während die FDP einen Nationalpark partout verhindern will. Nicht ganz so klar sind die Positionen von CDU und SPD.

Das Ergebnis des laufenden Verfahrens werde nicht sein zu sagen: „Alles bleibt so, wie es ist“, sagte Ministerpräsident Günther die Tage der Deutschen Presseagentur. „Nichtstun ist keine Option, wir müssen den Zustand der Ostsee verbessern.“ Gegen einen stärkeren Schutz der Ostsee nehme er weder in der breiten Öffentlichkeit noch in seiner Partei Widerstand wahr, sagte Günther. Unklar sei aber, wie der bessere Schutz umgesetzt werde. „Dafür suchen wir gerade nach den richtigen Instrumenten.“

SPD: Konsultationsprozess zu Ende bringen!

Thomas Losse-Müller spricht davon, dass das laufende Verfahren die Betroffenen an den Küsten stark verunsichere. „Dem grünen Umweltminister gelingt es nicht darzustellen, warum ein Nationalpark ein vernünftiges Instrument wäre“, sagt der SPD-Fraktionschef. „Ich bin ziemlich enttäuscht von Tobias Goldschmidt.“ Anders als Kumbartzky plädiert Losse-Müller aber dafür, den begonnenen Konsultationsprozess – mit welchem Ergebnis auch immer – zu Ende zu bringen. „Ich bin offen für das Wie, aber wir müssen uns um die Ostsee kümmern.“

Kümmern hieße bei einem Nationalpark, die Ostsee zu schützen – auch vor negativen Einflüssen durch Menschen. Das Gesetz schreibt vor, dass ein Nationalpark im überwiegenden Teil des Gebiets ungestörte Natur sein soll. Die Folge: Die sogenannte Kernzone darf dann nur noch zu „Umweltbeobachtungen“ und „Naturerleben“ genutzt werden. So wären in der Kernzone eines Nationalparks Ostsee allen voran die Fischer von Verboten betroffen. Für sie wären alte Fanggründe in den neuen Kernzonen fortan tabu.

160.000 Hektar gehören zur sogenannten Potenzialkulisse

Je größer die unmittelbare Betroffenheit durch einschneidende Regelungen, desto größer ist der Widerstand gegen die Nationalpark-Pläne. So wehren sich Fischer, Bauern, Kite- und Windsurfer, Segler, Tourismusverantwortliche oder Campingplatzbetreiber zwischen Flensburg und Kellenhusen.

geplanter Nationalpark, Schleswig-Holstein HA Grafik, HA Infografik
geplanter Nationalpark, Schleswig-Holstein HA Grafik, HA Infografik © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | Frank Hasse

Für die FDP ist klar: Einschränkungen schadeten dem Tourismus, dem Segel- und Surfsport und der Fischerei. „Die einzigen Profiteure eines Nationalparks wären die Firmen, die die zahlreichen Verbotsschilder produzieren.“ Das hatte Parteichef Oliver Kumbartzky schon zum Start des Verfahrens gesagt.

Als „Potenzialkulisse“ für einen Nationalpark Ostsee hat das Kieler Umweltministerium etwa 160.000 Hektar an der Küste ausgemacht. Es geht von der Flensburger Förde bis zur Schleimündung; nach einer Unterbrechung (siehe Karte) wäre die südliche Eckernförder Bucht betroffen. Als weitaus größte zusammenhängende Potenzialfläche gilt die östliche Kieler Bucht einmal um Fehmarn herum – hier ist der Widerstand gegen die Pläne besonders groß – bis etwa Kellenhusen.

Nabu wirbt für Nationalpark-Idee

Ein Teil der jetzt als Potenzialflächen diskutierten Gebiete steht längst unter Schutz: als Naturschutzgebiet oder als „Natura-2000-Gebiet“, weil hier schützenswerte Schweinswale oder Haubentaucher gesichtet und Seegraswiesen, Riffe, Sandbänke, Kliffs und besondere Brut- und Rastgebiete ausgemacht wurden.

Die Umweltschützer vom Nabu werben für Goldschmidts Idee: „Bislang hat kein Nationalpark an keinem Ort der Welt dem Tourismus geschadet“, sagte Nabu-Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichowski am Freitag. Nationalparke seien im Gegenteil ein wirksamer Werbefaktor. „Mit Unterstützung des Ökotourismus entsteht zudem ein qualitativ höherwertiges Wirtschaftselement“, so Ludwichowski.

Viele Gegner eines Nationalparks nähmen den kritischen Zustand der Ostsee nicht ernst. Kein Küstenstreifen der Ostsee werde so intensiv von Menschen beansprucht und folgenschwer überlastet wie der in Schleswig-Holstein. Lediglich drei Prozent der Strandfläche seien für den Naturschutz reserviert. Vogelarten wie Zwergseeschwalbe und Sandregenpfeifer hätten aber nur in streng abgeschirmten Restbereichen der Natur eine Chance, ihre Brut durchzubringen. Nabu-Chef Ludwichowski spricht von einer „polemischen Stimmungsmache“.

Konsultationsprozess macht Sommerpause

Die Alternative zu einem Nationalpark Ostsee mit strengen Regeln wäre, neue Naturschutzgebiete an der Ostsee auszuweisen und die Regeln in den bestehenden Naturschutzgebieten zu verschärfen. Das Verfahren wäre für den grünen Umweltminister sogar einfacher.

Hier bräuchte es kein neues, aufwendiges Verfahren mit Bürgerbeteiligung, das könnte Tobias Goldschmidt als Behördenchef qua Verordnung erlassen, heißt es im Kieler Ministerium. Allerdings hätte dieses Prozedere aus Sicht der Grünen entscheidende Nachteile. So seien in einem Nationalpark mit eigener Verwaltung alle Ressourcen gebündelt. Das sei „Naturschutz aus einem Guss“, heißt es in Kiel.

Was für Goldschmidts Ministerium überhaupt nicht infrage kommt, ist Kumbartzkys Idee eines „runden Tisches Ostsee“. Dann führe man die gleichen Debatten wie jetzt im laufenden Konsultationsverfahren und verlagere das Problem nur in die nächste Legislaturperiode.

Konsens im Kabinett: Die Ostsee schützen!

Aktuell macht der Konsultationsprozess in den Küstenorten Sommerpause. Im September nimmt das Umweltministerium das Verfahren wieder auf. Am 1. November ist dann ein sogenannter Verzahnungsworkshop geplant, in den die Ergebnisse der bisherigen Gespräche mit Seglern, Touristikern, Gemeinden, Fischern oder Landwirten einfließen werden.

Im Umweltministerium sieht man sehr wohl deren zum Teil sehr großen Widerstand gegen das Projekt. Das liege aber auch daran, dass sich Befürworter eher nicht zu Wort meldeten und dass lautstarke Wortführer mit ihren veritablen Interessen unmittelbar betroffen seien, heißt es im Umweltministerium. Dort stellt man sich längst die Frage, ob das Verfahren klug gewählt war.

FDP: Grünen bauen sich ein Denkmal

Im Kabinett herrscht Konsens, den Schutz der Ostsee voranzutreiben. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU und Grüne aber nur auf folgende Formulierung geeinigt: „Für den Meeresnaturschutz, den Tourismus, die regionale Wirtschaft und die Anwohnerinnen und Anwohner können sich viele Vorteile aus einem schleswig-holsteinischen Meeresnationalpark Ostsee ergeben.“ Können, müssen es aber nicht. Aus der CDU gibt es jedenfalls teils eindeutig ablehnende Stimmen zur Nationalparkidee.

Fischerei, Wassersport oder Tourismus gehörten zur Identität des Landes, hat CDU-Chef Günther dieser Tage gesagt. „Diese Bereiche haben aber nur dann eine Zukunft, wenn die Ostsee eine hat, und zwar als intaktes System“, betonte der Regierungschef.

Er nehme viele Stimmen wahr, die für Umweltschutz seien, aber dennoch einen Nationalpark nicht für das richtige Instrument hielten. Mit diesen Argumenten setze man sich „sehr sorgsam auseinander“, sagte der Regierungschef. Ende dieses Jahres will der grüne Umweltminister mit einem Vorschlag zum besseren Ostseeschutz ins Kabinett gehen. Dann wird dort der Daumen gehoben oder gesenkt über die Nationalparkidee.

Für FDP-Chef Oliver Kumbartzky steht längst fest: „Es geht den Grünen und Minister Goldschmidt mit einem Nationalpark Ostsee schlicht um ein parteipolitisches Denkmal.“