Neumünster/Kiel. Die schleswig-holsteinische Union trifft sich in Neumünster zu Vorstandswahlen und zur Kandidatenaufstellung für Europa.
Eigentlich könnte die CDU in Schleswig-Holstein hoch zufrieden sein. Nach der nur ganz knapp verfehlten absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im Mai 2022 reichte es bei den Kommunalwahlen im Mai 2023 trotz klarer Verluste noch mit weitem Abstand auf SPD und Grüne für Platz eins. Mit Daniel Günther regiert ein CDU-Politiker das Land, der bundesweit Spitzenwerte in Meinungsumfragen erzielt und regelmäßig in Kategorien wie Beliebtheit oder Vertrauen weit vor seinem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz landet. Günthers schwarz-grünes Kabinett arbeitet skandalfrei und meist unaufgeregt die Themen ab. Und so könnte der Landesparteitag der Nord-CDU mit der geplanten Wiederwahl Günthers an diesem Donnerstag in Neumünster ein Selbstgänger sein. Könnte, muss es aber nicht.
Auch wenn die Entscheidung für die Grünen als Koalitionspartner vor rund 15 Monaten im CDU-Landesvorstand einstimmig gefallen ist – das Bündnis mit den selbstbewussten Ökos gefällt lange nicht jedem in der traditionell eher konservativen schleswig-holsteinischen CDU. Die FDP wäre nach Verlusten bei der Landtagswahl im Mai 2022 „billiger“ zu haben gewesen als Regierungspartner, trotzdem hat sich Wahlsieger Günther für die erstarkten Grünen entschieden. Auch wenn Schwarz-Grün meist recht harmonisch regiert: Zumindest die CDU an der gesamten Ostseeküste des Landes ist seit Monaten schwer genervt von den grünen Plänen eines Nationalparks Ostsee.
Nationalpark Ostsee: Fehmarner pfeifen daniel Günther aus
Für Daniel Günther dürfte es ein Schlüsselerlebnis gewesen sein, als er im Hochsommer auf Fehmarn von Hunderten Inselbewohnern ausgebuht und ausgepfiffen wurde. Nahezu zur selben Zeit hatten schon die JU und auch CDU-Kreisverbände an der Ostsee massiven Druck gegen einen möglichen Nationalpark gemacht. Die Folge: Mit einem Antrag an den Parteitag an diesem Donnerstag wollen Günther und seine Vertrauten das Thema ein für alle Mal abräumen.
In Teilen der CDU hält man es für grundfalsch, dass sich Günther im Koalitionsvertrag überhaupt auf das Konsultationsverfahren zu dem Thema eingelassen hat. Und so dürften die Wahlen an diesem Donnerstag auch ein Stimmungstest für das Seelenleben der Nord-CDU sein. Günther, der bei seiner Premiere 2016 mit 81,3 Prozent zum Parteichef gewählt wurde, tritt wieder an. Lukas Kilian, der das Amt seit acht Monaten kommissarisch ausübt, will jetzt auch offiziell Generalsekretär werden. Und Amtsinhaber Niclas Herbst kandiert erneut um Listenplatz eins für die Wahl zum nächsten Europaparlament. Herbst – er gilt als Vertrauter Günthers – bekommt mit Christian von Boetticher einen prominenten Gegenkandidaten.
CDU-Generalsekretär Lukas Kilian kann mit Gegenstimmen leben
Die Frage, die viele CDUler umtreibt, ist: Welches Signal geht von diesem Landesparteitag aus? Die Delegierten könnten diese Wahlen für einen Denkzettel nutzen.
Lukas Kilian gibt sich entspannt und spricht von „ganz normalen Wahlen“, die ihm keine Sorgen bereiteten. „Je länger man Parteiämter ausübt, desto wahrscheinlicher ist es, dass nicht immer alle restlos begeistert sind. Oder dass manche sich auch mal auf die Füße getreten fühlen. Natürlich freut man sich über sehr deutliche Ergebnisse. Aber ich kann als Freund ehrlicher Ergebnisse auch mit Gegenstimmen leben“, sagte Kilian dem Hamburger Abendblatt.
Das Land habe viele Probleme zu lösen. „Und wir haben gerade in der CDU viele ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die natürlich vor Ort regelmäßig Rede und Antwort stehen müssen und sich daher nachvollziehbarerweise häufig schnellere Lösungen wünschen. Aber die Grundstimmung ist nach den Wahlerfolgen bei der Landtagswahl und der Kommunalwahl nach wie vor sehr gut“, sagte Kilian, angesprochen auf ein Grummeln in der Nord-CDU.
CDU kritisiert Grüne: Von Tag eins an sehr offensiv für einen Nationalpark geworben
Die Parteiführung hofft, den Hauptkritikpunkt mit einem klaren Nein zu den grünen Nationalpark-Plänen noch rechtzeitig abgeräumt zu haben. „Die Grünen hatten sich in den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag die Errichtung eines Nationalparks Ostsee gewünscht. Wir als Union waren eher skeptisch“, sagte Kilian. Dennoch habe sich die CDU auf den Prüfprozess mit offenem Ende eingelassen.
„Unser grüner Koalitionspartner hat im Konsultationsprozess von Tag eins an sehr offensiv für einen Nationalpark geworben. Wir als CDU waren offen für die besten Argumente. Wir sind aber bisher von den Ergebnissen der Konsultation nicht überzeugt worden. Zudem sehen wir weder politisch noch in der Region eine Mehrheit für diesen Vorschlag. Und deshalb befürworten wir andere, sinnvollere Maßnahmen“, sagt der Landtagsabgeordnete aus Wentorf. Diese „anderen Maßnahmen“, die die CDU in einem sechsseitigen Antrag für den Parteitag formuliert hat, sehen freiwillige Vereinbarungen vor, um unter anderem den Nährstoffeintrag in die Ostsee zu minimieren.
CDU-Spitze einig: Schutz der Ostsee verbessern
„Die größten Probleme der Ostsee sind der Nährstoffeintrag, die Munitionsaltlasten und die steigende Wassertemperatur. Und diese Probleme wären durch einen Nationalpark nicht aufgegriffen worden. Das wurde auch durch wissenschaftliche Expertise, unter anderem von Geomar, bestätigt“, sagt Kilian.
Der CDU-Generalsekretär hat Skepsis gegenüber solchen freiwilligen Aktionsbündnissen beim grünen Koalitionspartner ausgemacht. Und er wundert sich darüber. Der damalige schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck habe zum Schutz der Schweinswale mit den Fischern ein freiwilliges Abkommen abgeschlossen hat, das sehr erfolgreich sei und immer wieder verlängert werde. Alle Beteiligten lobten diese freiwillige Übereinkunft als großartiges Instrument, sagte Kilian. Für ihn ist diese Vereinbarung ein perfektes Beispiel, dass freiwillige Maßnahmen in der Ostsee griffen.
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Auch wenn sie einem Nationalpark, für den die Grünen weiterkämpfen, eine Abfuhr erteilen: Lukas Kilian und Daniel Günther sind sich einig, dass sie sich um die Wasserqualität der Ostsee kümmern müssen. „Wir müssen den Schwung mitnehmen, den wir aus der Region bekommen haben, um den Schutz der Ostsee nachhaltig zu verbessern“, sagte Kilian. Wie das passieren soll, lässt er offen. Aber: „Ein Nationalpark Ostsee ist nicht die geeignete Maßnahme für einen besseren Schutz des Meeres. Das machen wir auch mit dem Antrag an den CDU-Landesparteitag deutlich.“