Hamburg/Kiel. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident lobt im Überseeclub die Zusammenarbeit mit der Stadt – und kritisiert die eigene Partei.

Er sei ein liberaler Konservativer, populär, beliebt, erfolgreich, lobte Michael Behrendt seinen Gast im Hamburger Überseeclub. Der kam aus Kiel, und doch fühlte es sich beinahe wie ein Heimspiel für den CDU-Politiker an. Daniel Günther streifte in knapp einer Stunde – inklusive Fragerunde – die Themen der Zeit, unterhaltsam, mal ironisch, dann wieder staatstragend.

Es ging um SMS an Peter Tschentscher, Schlick aus dem Hafen, die „existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel“, nervöse Politiker in Süddeutschland, Grüne, die ihn vor Kurzem noch für „verrückt gehalten“ hätten, und die CDU/CSU, die im Bundestag „gepennt“ habe.

Daniel Günther: Gute Beziehungen zu Hamburg, aber Absage an Nordstaat

Auch wenn angesichts der Debatte um die Verbringung des Hafenschlicks ein anderer Eindruck entstanden sein könnte: „Die Zusammenarbeit mit Hamburg ist exzellent“, lobte Günther. Exzellent, direkt und unkonventionell: Bürgermeister Peter Tschentscher und er schickten sich auch mal SMS hin und her, wenn es etwas klarzustellen gäbe. Anders als mit Tschentschers Vorgänger: „Olaf Scholz war nicht so freigiebig mit seiner Handynummer“, landete Günther die ersten Lacher.

Der CDU-Politiker nannte die Bedeutung des Hafens existenziell auch für Schleswig-Holstein. Selbstverständlich müsse der ausgebaggert werden, und der Schlick auch deponiert werden. Aber er müsse als Ministerpräsident die Leute in seinem Bundesland auch mitnehmen, wenn der Abfall aus Hamburg in Schleswig-Holstein landen soll. Da sei Sensibilität gefragt: „Ich muss Überzeugungsarbeit leisten.“

Tschentscher hatte erst im Januar, ebenfalls im Überseeclub, die Verklappung des Elbschlicks vor der Vogelschutzinsel Scharhörn eine Option genannt und damit vor allem in Schleswig-Holstein für Irritationen gesorgt. „Seien Sie sich sicher, darüber gibt es keinen Streit“, sagte Günther. „Da finden wir Lösungen.“ Bei aller Harmonie: Einem gemeinsamen Nordstaat erteilte Daniel Günther eine Absage. Schon auf der Diskussion liege „kein Segen“ angesichts der jeweiligen Identitäten, Verwurzelungen und Heimatverbundenheit.

Günther: Klimawandel existenzielle Bedrohung

Günther beobachtet „fundamentale Veränderungen des Lebens“, ausgelöst durch Pandemie, Krieg und Klimawandel. Viele Menschen sein zutiefst verunsichert. „Wir müssen ihnen Hoffnung geben und selbst mit Optimismus vorangehen.“ Stattdessen neigten viele Politiker zu Trübsal und dazu, die Krisen noch schlimmer zu reden. Dass Deutschland fest an der Seite der Ukraine stehe, sei „selbstverständlich“, sagte Günther. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, daran darf es keine Zweifel geben“, so Günther. Russland habe mit dem Angriff die Souveränität der Ukraine verletzt. Putin berufe sich dabei auf das Recht des Stärkeren. Das dürfe die westliche Welt nicht zulassen.

Der Klimawandel stelle eine existenzielle Bedrohung dar, sagte Günther. Für die Menschen, die Wirtschaft, die Infrastruktur. Wenn man weiter zuschaue, statt konsequent die CO2-Emissionen zu reduzieren, drohten auch in Teilen Deutschlands Sommer mit 47 Grad Wärme und mehr. Günthers Forderung: Deutschland müsse Vorreiter werden bei der Energiewende. „Wie wollen wir ärmere Länder, auf deren Kosten unser Wohlstand begründet ist, überzeugen mitzumachen, wenn wir nicht vorangehen?“, fragte der CDU-Politiker.

Günther wirbt für CCS

Er verspricht sich von einer Vorreiterrolle beim Klimaschutz zudem wirtschaftlichen Erfolg: Eine grüne Industrie könne der nächste deutsche Exportschlager werden. Leidenschaftlich warb Günther auch für CCS. Die Buchstaben stehen für Carbon Capture and Storage, also dafür, CO2 im Meer zu vergraben. Günther will zudem bereits freigesetztes Kohlendioxid aus der Atmosphäre zurückholen und in sichere Schichten im Boden unter der Nordsee pressen.

„Nach meinem Plädoyer für CCS hielten mich die Grünen zunächst für verrückt.“ Inzwischen hat das Land mit den Stimmen von Schwarz-Grün einer wissenschaftlichen Überprüfung des Verfahrens zugestimmt. Die Energiewende sieht Günther als „echte Chance“ für Norddeutschland: Wind gibt es reichlich, die Akzeptanz, ihn zu nutzen, sei hoch, der Ideenreichtum der Firmen groß. „Schleswig-Holstein ist hochattraktiv für die Industrie.“ Das mache süddeutsche Politiker nervös.

Das LNG-Terminal in Brunsbüttel sei innerhalb acht Monaten im Rekordtempo geplant, genehmigt und gebaut worden, lobte Günther. Er sprach von einer „brutalen Beschleunigung der Verfahren.“ Dieses Tempo müsse jetzt bei allen Infrastrukturmaßnahmen gemacht werden. Als ein Beispiel nannte er den Bau der Autobahn 20. Die wird seit Jahrzehnten geplant und beklagt.

Günther sieht direkte Demokratie als Hemmnis

Als Hemmnis für die Planungsbeschleunigung hat Günther die direkte Demokratie ausgemacht. Deshalb will Schleswig-Holstein die direkte Demokratie einschränken. „Wenn wir wieder schnell werden wollen, müssen wir die Strukturen verändern.“ Bürgerentscheide – zum Beispiel gegen den Bau von Kitas oder Windkraftanlagen – seien oft von Egoismus getrieben.

Die repräsentative Demokratie mit klaren Verantwortlichkeiten hingegen habe das Land groß gemacht und könne das Land auch wieder zu alter Stärke führen. Wem die Entscheidungen nicht passten, könne die Regierung ja auch wieder abwählen.

Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, statt mit der FDP mit den Grünen zu koalieren. Aber angesichts der gesellschaftlichen Konflikte habe die CDU es als sinnvoller empfunden, die Grünen an ihrer Seite zu wissen statt gegen sich. Schwarz-Grün habe eine „ganz andere gesellschaftliche Relevanz“, auch wenn es inhaltlich sehr große Unterschiede zwischen Schwarz und Grün gebe.

Günther kritisiert eigene Partei

Günther hat kein großes Verständnis für den Protest seiner Union. Die jetzt geplante Verkleinerung des Bundestages auf die ursprünglich vorgesehene Größe sei „ein Wert an sich“. Vielleicht wäre eine bessere Reform möglich gewesen als die von SPD, Grünen und FDP. „Aber wir hatten es als Union die vergangenen Jahre selbst in der Hand, einen anderen Vorschlag zu machen. Nur hat die CSU jede Lösung verhindert, so Günther. „Und wir haben es verpennt.“

Günther empfahl der früher erfolgsverwöhnten CSU, ein „bisschen optimistischer“ zu sein. „Ich gönne Markus (Söder) schleswig-holsteinische Ergebnisse“, sagte Günther, der bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt hatte.