Kiel. Ministerpräsident Daniel Günther zeigt sich offen für die CO2-Speicherung in der Nordsee. Nun kippte der Landtag sein Nein zu CCS.
Eigentlich schien das Thema längst erledigt – mit dem Nein des schleswig-holsteinischen Landtags zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid. Die Abstimmung liegt gerade mal ein paar Monate zurück, und alle Parteien im Landtag waren sich im Sommer noch einig. Ihre Botschaft: Wir lehnen CCS, also Carbon Capture and Storage, übersetzt die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, entschieden ab.
Jetzt, in der Landtagssitzung am Freitag, gab’s die Rolle rückwärts. Statt dem kategorischen Nein gibt es bald Expertenanhörungen. Experten wie Klaus Wallmann vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, der die CCS-Risiken für gering und die Technologie für beherrschbar hält. Der Landtag hat auch beschlossen, „die Erarbeitung der Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung konstruktiv zu begleiten“. Was nicht anderes heißt: Das Nein zu CCS ist gefallen.
CO2-Speicherung im Meer: Günther entfacht Debatte neu
Es war der Ministerpräsident selbst, der die Debatte neu entfacht hat – zum Ärger von SPD, SSW und zumindest Teilen der mitregierenden Grünen. Daniel Günther hatte sich plötzlich öffentlich interessiert gezeigt, die umstrittene Technologie doch nutzen zu wollen. „Wir müssen diese Debatte jetzt führen, auch wenn klar ist, dass es viele Vorbehalte gibt“, so Günther.
Er hatte die Diskussion in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ eröffnet. Und so war es auch der Ministerpräsident, der CCS in der Landtagssitzung am Freitag verteidigte – und der grüne Umweltminister Tobias Goldschmidt lieber schwieg.
Günther: "Wir wollen kein CO2 auf dem Festland speichern"
„Klar ist, dass wir kein CO2 auf dem Festland speichern wollen“, hatte Günther im Vorwege betont. „Die für die Speicherung geeigneten Flächen liegen ausschließlich in der Außenwirtschaftszone, also mindestens zwölf Seemeilen vor der Küste.“ Die Verpressung von verflüssigtem CO2 würde weit draußen in der Nordsee passieren, in Tonschichten in zwei bis drei Kilometer Tiefe unterhalb des Meeresbodens.
Daniel Günther: „Die Forschungen sagen, dass von diesen Speicherungen keine Gefahr ausgeht – selbst wenn CO2 austreten sollte, wären die Auswirkungen sehr gering und räumlich eng begrenzt.“ So hatte der CDU-Politiker schon vor der öffentlichen Debatte für seine Idee geworben, während die Grünen zunächst an den Beschluss aus dem Sommer erinnerten. Deren Fraktionschef Lasse Petersdotter sagte vor der Landtagssitzung: „Dieser Beschluss gilt.“
Erreichen der Klimaneutralität hat „absolute Priorität“
Für Günther hat die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und das Erreichen der Klimaneutralität bis 2024 „absolute Priorität“, wie er am Freitag sagte. Es brauche aber auch eine Lösung für die trotz aller Anstrengungen weiter anfallenden CO2-Emissionen. Und so kommt CCS ins Spiel, also die Einkofferung von verflüssigtem Kohlendioxid im Meeresboden.
Norwegen nutzt solches Verfahren bereits seit mehr als 25 Jahren, Dänemark startet jetzt damit. Daniel Günther schließt eine Verbringung an Land oder auf See innerhalb der 12-Meilen-Zone aus, unterstützt aber den Weg der Bundesregierung, die rechtliche Voraussetzungen zur Erprobung der Technologie in der Nordsee zu schaffen.
Deutlich zurückhaltender als der Ministerpräsident ist da der grüne Fraktionschef Lasse Petersdotter. Die Grünen hätten nach dem Vorstoß Günthers zwei Möglichkeiten gesehen: sich zu empören und eine Anti-CCS-Kampagne zur Kommunalwahl im Mai zu starten – oder sich der Diskussion zu stellen, auch wenn man die Risiken der Technologie sehe. „Aber wohin soll denn das Kohlendioxid, das trotz aller Anstrengungen übrig bleibt?, fragte Petersdotter.
- Geplante Zentralklinik: Für Günther ein "Leuchtturmprojekt"
- Der Norden plant 110 Millionen Euro extra für Kliniken ein
- Umweltschützer protestieren auf Borkum gegen Gasbohrungen
SPD kritisiert CCS-Debatte im Landtag
SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller versuchte die Differenzen zwischen den Regierungspartnern in der CCS-Frage herauszuarbeiten. Ins Visier nahm Losse-Müller dabei vor allem Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter: „Man kann ihnen die Schmerzen ansehen.“ Schwarz-Grün traue sich aber nicht zu, die anstehenden großen Probleme in der Klimakrise zu lösen. Stattdessen setze die CDU auf CCS. „Aber die von Ihnen gestartete Diskussion ist ein reines Ablenkungsmanöver. Sie suchen nach Entschuldigungen, um die jetzt vordringlichen Aufgaben nicht anzugehen. Jede CCS-Debatte im Landtag nimmt uns Zeit, um über die eigentlichen Aufgaben zu sprechen. Jeder Euro, der in CCS Projekte geht, kann anderswo nicht investiert werden“, kritisierte der SPD-Fraktionschef.
Oliver Kumbartzky von der FDP forderte plakativ, sich für „neue Technologien zu öffnen, statt sich auf Straßen festzukleben“. CCS könne helfen, die CO2-Einsparziele schneller zu erreichen und die Emissionen zu reduzieren. Und so nannte Kumbartzky die CCS-Initiative Günthers „begrüßenswert“.
SSW erinnert an geschlossene Ablehnung der CO2-Speicherung
Christian Dirschauer vom SSW erinnerte an die geschlossene Ablehnung der CO2-Speicherung durch den Landtag vor einem halben Jahr. „CCS ist teuer, energieintensiv und verlängert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“, so Dirschauer. Den Einsatz der Technologie nannte der SSW-Politiker ein Feigenblatt für eine „versäumte Klimaschutzpolitik. Die Treibhausgase müssen reduziert werden“, so Dirschauer.
Zunächst hatte der SSW einen Dringlichkeitsantrag in die Landtagssitzung eingebracht, um CCS noch zu stoppen. Beschlossen wurde hingegen der Antrag von CDU und Grünen, Wissenschaftler zu hören und die CCS-Initiative des Bundes „konstruktiv zu begleiten“, so CDU-Fraktionschef Tobias Koch.