Städte und Gemeinden fordern dringend, die Kreisumlage zu senken. Warum sich die Belegschaft völlig überlastet fühlt.

Kreis Pinneberg So viel Tumult und Protest war selten bei einer Sitzung des Finanzausschusses des Kreistages. Die Finanzpolitiker wurden regelrecht in die Zange genommen. Auf der einen Seite saß rund ein Dutzend Bürgermeisterinnen und Verwaltungschefs, die eine sofortige Senkung der Kreisumlage um etwa drei Punkte forderte.

Auf der anderen Seite standen etwa 70 Mitarbeitende der Kreisverwaltung und zeigten den Kreispolitikern die Rote Karte, weil diese 100 angeblich dringend notwendige Personalstellen nicht bewilligt hätten.

Kreis Pinneberg bekommt rund 16 Millionen Euro mehr vom Land

Die Begehrlichkeiten an die Kreispolitik hatten ihren Grund in einem unverhofften Geldsegen aus Kiel. So bekommt der Kreis Pinneberg aufgrund neuester Berechnungen sehr wahrscheinlich rund 16 Millionen Euro mehr an Schlüsselzuweisungen vom Land, heißt es in einer Vorlage der Verwaltung.

„So doll daneben lagen die Steuerberechnungen vom Land noch nie“, wundert sich auch Kreiskämmerer Jens Bollwahn. „Hätten wir das schon vor einem halben Jahr gewusst, wäre die Kreisumlage wohl schon bei der Verabschiedung des Haushalts im Dezember gesenkt worden.“

Bereits da hatte sich geballter Unmut unter den Bürgermeistern der Städte und Gemeinden breit gemacht, dass sich der Kreistag trotz eines Überschusses von 25 Millionen Euro in 2022 und einer Rücklage in ähnlicher Höhe weigerte, die Umlage von zurzeit 31,4 Punkten abzusenken.

Geringere Kreisumlage würde Elmshorn und Pinneberg um Millionen entlasten

Nun wiederholten die Verwaltungschefs ihre Forderung im Kreishaus mit Nachdruck. So solle der Kreis die unerwartete Einnahme von 16 Millionen Euro vollständig an die Kommunen ausschütten. Das wären umgerechnet etwa drei Punkte weniger Kreisumlage und würde die beiden größten Städte Elmshorn und Pinneberg um jeweils rund zwei Millionen Euro im Jahr entlasten.

Etwa ein Dutzend Bürgermeister aus den Städten und Gemeinden forderte eine sofortige Absenkung der Kreisumlage um etwa drei Punkte.
Etwa ein Dutzend Bürgermeister aus den Städten und Gemeinden forderte eine sofortige Absenkung der Kreisumlage um etwa drei Punkte. © Burkhard Fuchs

Einer nach dem anderen meldete sich zu Wort. Dirk Woschei aus Uetersen argumentierte, dass seine Kommune den Haushalt um 4,3 Millionen Euro nicht ausgleichen und 8,7 Millionen Euro Kredite aufnehmen müsste, um dringende Investitionen in Schulen und für die Feuerwehr zu leisten. Jeder Punkt weniger Kreisumlage würde Uetersen 250.000 Euro mehr in der Stadtkasse lassen.

Amtskollegin Sabine Kählert aus Tornesch bezifferte ihr Haushaltsdefizit auf 6,3 Millionen Euro. „Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, die Flüchtlingsunterkünfte zu finanzieren und die Schulen und Kindergärten vernünftig auszustatten.“

Bürgermeister in Rellingen, Pinneberg, Tornesch fordern geringere Kreisumlage

Marc Trampe (Rellingen) verwies auf die enorme finanzielle Rücklage, die der Kreis Pinneberg inzwischen angehäuft habe. Rund 90 Millionen Euro seien dies inzwischen. Aber dieses Geld dürfe der Kreis erst wieder in fünf Jahren anfassen.

„Sie haben das viele Geld in einen Banktresor gesteckt und den Schlüssel weggeworfen“, kritisierte Trampe, während die Städte und Gemeinden nicht wüssten, wie sie die Ganztagsbetreuung in den Schulen oder die benötigen Kita-Plätze aufbringen sollen. „Das Geld wäre besser vor Ort bei den Kommunen aufgehoben als in der Rücklage des Kreises.“

Als es den Städten und Gemeinden finanziell schlecht ging, hätten diese bis 2018 die mit 39 Punkten höchste Kreisumlage hingenommen. Jetzt sei der Kreis dran, sich solidarisch zu verhalten“, forderte Sabine Kählert.

Nur AfD beantragte, Kreisumlage sofort rückwirkend zu senken

„Wir brauchen heute ein klares Signal, dass Sie die Kreisumlage senken werden“, sagte Urte Steinberg (Pinneberg). „Am Ende sitzen wir alle im ziemlich gleichen Boot“, ergänzte Thomas Beckmann (Quickborn).

Die Kreispolitiker nahmen diese Botschaft fast stoisch und weitgehend wortlos hin. Einzig CDU-Fraktionschefin Heike Beukelmann äußerte sich zu den Forderungen. Die genaue Höhe der Steuergelder aus Kiel stünde noch gar nicht fest. Zudem gebe es aus Elmshorn die Forderung, der Kreis möge die Grundschulbetreuung bezahlen. „Somit spricht die kommunale Familie nicht mit einer Stimme“, sei ihr Eindruck.

Eine Entscheidung dazu fällte der Finanzausschuss nicht. Nur die AfD beantragte, die Kreisumlage sofort rückwirkend zu senken. Doch dieser Antrag wurde abgelehnt, da dafür „keine Dringlichkeit“ bestünde.

Mitarbeitender der Verwaltung haben 50.000 Überstunden angesammelt

Das betraf auch die Personalausstattung, bei der statt der benötigten 1140 Vollzeitstellen nur 1047 bewilligt worden seien, las Personalratsvorsitzender Ralf Ramcke den Kreispolitikern die Leviten. Hinzu kämen weitere 50 Stellen, die nicht finanziert seien. „Macht insgesamt also 150 Stellen, die wir aber brauchen, um unsere Aufgaben vollumfänglich erfüllen zu können.“

So sei die Verwaltung zum Beispiel nicht in der Lage, die illegale Ablagerung von Abfällen zu überwachen, die geforderte Inklusion in den Kitas auf den Weg zu bringen oder die Sozialen Dienste für die Kinder-und Jugendbetreuung zu finanzieren.

Personalratsvorsitzender Ralf Ramcke las der Kreispolitik die Leviten, weil diese angeblich 150 fehlende Personalstellen nicht finanziert habe.
Personalratsvorsitzender Ralf Ramcke las der Kreispolitik die Leviten, weil diese angeblich 150 fehlende Personalstellen nicht finanziert habe. © Burkhard Fuchs

Zugleich hätten die Mitarbeitenden 50.000 Überstunden angesammelt, die weder abgebummelt noch ausgezahlt werden könnten, rügte Personalratschef Ramcke. Viele Kollegen arbeiteten am Limit und wüssten nicht mehr, „wie sie ihre Arbeit schaffen sollen“, sagte Ramcke. Die psychische Belastung und Arbeitsüberlastung führten zu einem hohen Krankenstand. Einige könnten einfach nicht mehr und weinten vor Frust und Stress, sagte er. „Die Enttäuschung ist groß.“

Beukelmann: Verwaltung könne ohnehin vakante Stellen nicht besetzen

Auch hier war es wieder Heike Beukelmann, die von kreispolitischer Seite in die Bütt ging. Die CDU-Fraktionschefin erinnerte daran, dass es die Verwaltungsspitze selbst gewesen sei, die der Kreispolitik die Personalausstattung bis zum Nachtrag im Herbst als „auskömmlich“ beschrieben habe.

Zumal die Verwaltung ohnehin viele vakante Stellen monatelang nicht besetzen könnte. „Da sollten Sie sich bei Ihren Kollegen beschweren“, sagte Beukelmann und forderte die Verwaltung auf, stattdessen das Angebot von Online-Dienstleistungen endlich zu verbessern.

Alle Statements der beiden betroffenen Lager wurden mit großem Beifall der Zuhörerschaft begleitet, wobei die Bürgermeister die Verwaltungsmitarbeiter und diese umgekehrt die Kommunen unterstützen. Bei der nächsten Kreistagssitzung im Mai dürfte es hoch hergehen.