Kiel . Der Parteivorstand um Daniel Günther hat der FDP eine Absage erteilt. Was aus Sicht der Union für ein schwarz-grünes Bündnis spricht.

Nach 2008 in Hamburg dürfte es jetzt ein zweites Mal eine schwarz-grüne Landesregierung im Norden geben. Der Vorstand der schleswig-holsteinischen CDU hat sich am späten Montagabend für ein Bündnis mit den Grünen ausgesprochen. Genauer gesagt: Er stimmte für die Aufnahme von Verhandlungen mit den Grünen um die beiden Spitzenkandidatinnen bei der Landtagswahl, Monika Heinold und Aminata Touré. Für Dienstagabend haben die Grünen einen außerordentlichen Parteitag einberufen, um über das Angebot der CDU zu beraten.

Während Ministerpräsident und CDU-Landeschef Daniel Günther bis in die vergangene Woche hinein an seinem Wunsch festhielt, mit der Jamaika-Koalition von CDU, Grünen und FDP weitermachen zu wollen, hatten Heinold und Touré schon am Wahlabend für eine schwarz-grüne Koalition geworben. „Wir stehen bereit für ein schwarz-grünes Bündnis, denn die Sondierungen für dieses Zweierbündnis haben uns deutlich gezeigt, dass es funktionieren kann“, hatte Touré das grüne Angebot an die CDU noch am Freitag im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt wiederholt. „Wir sind definitiv bereit, Verantwortung zu übernehmen.“

CDU will Bündnis mit den Grünen: Koalition der Wahlgewinner

Wenn es denn – wie jetzt erwartet – zu Schwarz-Grün kommt, bilden die beiden eine Koalition der Wahlgewinner: Günthers CDU hatte am 8. Mai überraschend stark um 11,4 Prunkte auf 43,4 Prozent zugelegt. Damit fehlte ihr nach dem Scheitern von AfD und Linken an der Fünfprozenthürde nur ein Sitz an der absoluten Mehrheit im Parlament. Die Grünen erzielten mit 18,3 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein überhaupt. Damit landete die Partei noch vor der SPD, die auf historisch schlechte 16 Prozent abstürzte.

Die FDP hat als einzige Partei aus der Jamaika-Runde bei der Landtagswahl verloren. Sie halbierte ihr Ergebnis von 2017 beinahe und sackte auf 6,4 Prozent ab. Damit erzielten die Freidemokraten nur einen Sitz mehr als der SSW.

Günther: "Haben uns Entscheidung nicht leicht gemacht"

Statt des Dreier-Bündnisses jetzt also Schwarz-Grün. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Günther lobte den alten Mitstreiter aus der Jamaika-Runde: „Wir verlieren mit der FDP einen vertrauensvollen Koalitionspartner.“ Die Minister Heiner Garg und Bernd Buchholz hätten großartig gearbeitet.

Die grüne Doppelspitze kommentierte das CDU-Votum so: „Wir freuen uns über die Entscheidung. Auf Grundlage unserer ersten Sondierungsgespräche gehen wir davon aus, dass wir eine gute gemeinsame Grundlage für ein schwarz-grünes Bündnis finden werden. Unser Ziel ist es, Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden“, so Heinold und Touré. Für die FDP sagte Fraktionschef Christopher Vogt: „Das ist natürlich eine herbe Enttäuschung für uns. Der Ministerpräsident verzichtet mit Schwarz-Grün freiwillig auf die umfangreiche Umsetzung seines Wahlprogramms, was den fehlenden Gestaltungswillen der CDU deutlich macht.“

Schwarz-Grün hat aus Sicht von Günthers CDU mehrere Vorteile

Während es zwischen CDU und FDP unstreitig mehr inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt – und die CDU in diesem Bündnis auch noch mehr Minister stellen würde, hat sich die Union für die Grünen entschieden. Nur: Warum? Das schwarz-grüne Bündnis entspricht zum einen dem Wunsch Daniel Günthers, eine Koalition mit breitem gesellschaftliche Rückhalt zu bilden. Mit diesem Argument hatte er bis zuletzt auch für eine Neuauflage von Jamaika geworben. Dann zahlt dieses Bündnis auf das Bild des modernen, offenen und liberalen Ministerpräsidenten ein. Schließlich verhindert die CDU mit der Koalition mit den Grünen eine klassische Lagerbildung mit einer bürgerlichen Regierung und einer linken Opposition angeführt von Aminata Touré.

Und dann verfügen CDU und Grüne über eine Zweidrittel-Mehrheit im Landtag. Damit können sie – auch ohne eine Oppositionspartei überzeugen zu müssen – die Verfassung ändern. Oder aber sie könnten ihren finanziellen Gestaltungsrahmen leichter ausweiten, entweder, in dem sich das Parlament von der Schuldenbremse verabschiedet oder in dem es beschließt, nicht ausgeschöpfte Corona-Notkredite in andere dringend nötige Maßnahmen „umzuleiten“.

Koalitionsvertrag soll "CDU-Handschrift tragen"

Günther kündigte an, als Wahlsieger den Koalitionsvertrag prägen und für eine „CDU-Handschrift“ sorgen zu wollen. Dass das Land mehr tun muss im Kampf gegen den Klimawandel und für eine Energiewende – darin sind sich CDU und Grüne grundsätzlich einig.

Komplizierter wird es bei den Details. Was wird aus der A20, an der seit Jahren gewerkelt wird? Wann soll Schleswig-Holstein klimaneutral sein – 2035 wie es die Grünen fordern oder 2045, was die CDU immer noch für ambitioniert hält. Wie vertragen sich Umweltstandards, Rechte von Naturschützern mit Planungsbeschleunigung und Bürokratieabbau? Streit lauert im Detail. Und im Großen – bei der Inneren Sicherheit. Der einfachere Weg wäre der mit der FDP gewesen.

Das letzte schwarz-grüne Bündnis im Norden hatte einen Gewinner: die SPD

Die hatte zuletzt am Sonntag intensiv für eine Koalition mit der CDU geworben: „Wenn Daniel Günther die inhaltliche Arbeit von Jamaika fortsetzen will, ginge das mit der FDP in einer Koalition der Modernität und gesellschaftlichen Mitte“, hatte Parteichef Heiner Garg dem Abendblatt gesagt. Ein kleiner Parteitag der FDP hatte zuvor der CDU einstimmig ein Koalitionsangebot gemacht. „Die inhaltlichen Schnittmengen von FDP und CDU sind groß“, warb Garg vergebens. Und so landet die FDP, wenn sich CDU und Grünen letztlich auch einigen, nach fünf Jahren schon wieder in der Opposition und an der Seite von SPD und SSW.

Kehren wir zurück an den Anfang: Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg stand und fiel mit CDU-Bürgermeister Ole von Beust. Er handelte sie aus, er führte sie, er hielt sie zusammen und nach seinem Rücktritt nach verloren gegangenem Volksentscheid zur sechsjährigen Grundschule dauerte es in der Zeit der großen Finanzkrise nur wenige Monate, bis das schwarz-grüne Bündnis 2010 nach gerade einmal zwei Jahren krachend auseinanderging. In der Folge landeten Grüne wie CDU in der Opposition, wovon sich die Union bis heute nicht erholt hat. Der große Gewinner war stattdessen die SPD. Die holte bei der Bürgerschaftswahl 2011 die absolute Mehrheit – unter dem Spitzenkandidaten Olaf Scholz.