Hamburg/Kiel. „Zeynep“ ist mit heftigen Orkanböen über den Norden gefegt. Hamburg erlebte eine schwere Sturmflut. Gehweg am Sandtorkai abgesackt.
Das Orkantief „Zeynep“ hat bei seinem Weg über Deutschland drei Todesopfer in Niedersachsen und NRW gefordert und zahlreiche Schäden verursacht. In Hamburg und Schleswig-Holstein blieb es bei Leichtverletzten und Sachschäden. Zum Sturm mit Böen jenseits von 140 Kilometern pro Stunde kam an der Nordseeküste eine schwere Sturmflut hinzu. Hamburg erlebte sogar erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser.
Nach Angaben das Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie erreichte die Elbe am Pegel St. Pauli gegen 5.30 Uhr 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser. Dadurch wurden nicht wie üblich nur der Fischmarkt, sondern auch die Große Elbstraße sowie Teile der Hafencity und Speicherstadt überflutet.
Am späten Sonnabend wird in Hamburg die nächste Sturmflut erwartet. Am Sonntag gibt es tagsüber laut Deutschem Wetterdienst (DWD) im Flachland zunächst eher starke bis stürmische Böen. Teilweise soll es länger regnen. „Richtig turbulent und mitunter auch gefährlich könnte es dann in der Nacht zum Montag werden“, sagte Adrian Leyser von der Wettervorhersagezentrale des DWD über Sturmtief „Antonia“: Schwere Sturmböen oder sogar orkanartige Böen sind nicht ausgeschlossen. „Die ohnehin durch die vorangegangenen Stürme in Mitleidenschaft gezogenen und in teilweise stark aufgeweichten Böden stehenden Bäume können dabei leicht umstürzen“, sagte Leyser. Erst ab Dienstag beruhigt sich das Wetter wieder.
Sturmflut Hamburg: Männer aus treibendem Auto gerettet
In der ebenfalls unter Wasser stehenden Speicherstadt musste die Feuerwehr am frühen Sonnabendmorgen zwei Männer retten, die mit ihrem Auto eingeschlossen waren. Sie seien stark unterkühlt gewesen und wurden vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht. Für den frühen Abend warnte der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor einer weiteren Sturmflut mit etwa zwei Metern über dem mittleren Hochwasser.
An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste lief das Wasser früher in der Nacht und weniger hoch auf. In Dagebüll (Kreis Nordfriesland) und Büsum (Kreis Dithmarschen) gab es mit 2,92 und 2,86 Metern über dem mittleren Hochwasser jeweils eine schwere Sturmflut. Die nordfriesischen Halligen erlebten Landunter mit schwerer Brandung.
Am Sonnabendabend musste die Hamburger Polizei einen Gehweg in der HafenCity absperren. Der Gehweg am Sandtorkai war plötzlich abgesackt, vermutlich ein Schaden der vorangegangenen Flutnacht.
Orkanböe mit 143,3 Kilometer pro Stunde in Büsum
Hooges Bürgermeisterin Katja Just berichtete von einer unruhigen Nacht. „Es war sehr beeindruckend, weil sehr viel Kraft im Wasser war. Es war eine richtige Brandung.“ Die vergleichsweise hohe Ockenswarft, auf der sie wohnt, sei etwa zur Hälfte im Wasser gewesen. Ab einem Pegelstand von 7,38 Metern laufe die Hallig voll, das Hochwasser habe 9,04 Meter erreicht.
"Das war irre", sagte Hildegard Rugenstein, wenige Stunden nachdem sie ihre erste Sturmflut auf Hallig Hooge erlebt hat. Sie ist erst seit knapp einem Jahr Pfarrerin auf der kleinen Nordseeinsel, der wahrscheinlich kleinsten Kirchengemeinde Deutschlands.
"Das ganze Haus wackelte" – Orkantief fegt über Nordseeinsel
"Ich bin beeindruckt, wie präzise und korrekt die Wettervorhersage ist", sagte sie. Die Wellen seien teilweise über die Deichkrone geschwappt. Dennoch habe sie zu keinem Zeitpunkt Angst verspürt, das Naturereignis habe sie eher fasziniert. "Das hatten mir die Hallig-Leute aber schon vorher gesagt. Man hat keine Angst, man hat Respekt."
In der Nacht habe sie wie viele der Inselbewohner kaum geschlafen. "Ich fand es wahnsinnig laut", erklärte die Pfarrerin. Im Laufe des Abends hatte der Deutsche Wetterdienst in Kiel, Hamburg, auf Sylt und auf Helgoland Windstärken zwischen neun und elf gemessen, in Büsum wurde eine Orkanböe mit 143,3 Kilometer pro Stunde festgestellt. In Hamburg lagen die Windgeschwindigkeiten nach DWD-Angaben um 100 Kilometer pro Stunde.
"Diese gewaltige Kraft habe ich hier auch gespürt und gehört", so Rugenstein. Ihre Wohnung sei erstaunlich windgeschützt. Allerdings habe es genügt, die Haustür einen Spaltbreit zu öffnen. "Dann wackelte das ganze Haus", so die Pfarrerin. Dennoch habe sie zu keinem Zeitpunkt Angst verspürt, das Naturereignis habe sie eher fasziniert.
Hunderte Sturm-Einsätze in Hamburg
Entsprechend meldeten die Feuerwehren und Polizei im Norden Tausende Einsätze. Die Regionalleitstelle West in Elmshorn hatte am Freitagabend getwittert, das Telefon klingele alle zwei Minuten. Nach NDR-Angaben zählten die Leitstellen allein in Schleswig-Holstein mehr als 2800 Einsätze.
Die Hamburger Feuerwehr berichtete am Morgen von Hunderten Sturm-Einsätzen. Im ganzen Norden blieb es zumeist bei Sachschäden, umgestürzten Bäumen, umherfliegenden Gegenständen und beschädigten Gebäuden. Erst in der Nacht zu Donnerstag hatte Sturmtief „Ylenia“ zu Hunderten Einsätzen von Feuerwehren und Rettungsdiensten geführt.
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In einer abschließenden Sturmbilanz sprach der Hamburger Feuerwehr von 1475 Einsätzen im Zusammenhang mit Zeynep. Von sechs bis 18 Uhr am Sonnabend habe es 823 Sturmeinsätze gegeben.
"Dank der 86 Freiwilligen Feuerwehren im gesamten Hamburger Stadtgebiet, sowie dem Technischen Hilfswerk konnte nicht nur zeitnah den Bürgerinnen und Bürgern geholfen werden – es gelang auch gemeinsam den regelhaften Betrieb der städtischen mobilen Infrastruktur wie Straßen, Rad- und Gehwege, U- und S-Bahngleise, sowie Fernbahngleise wieder herzustellen", heißt es von der Feuerwehr.
Sturm deckt das Dach eines Reihenhauses ab
Am AKN-Bahnhof Meeschensee in Norderstedt erfasste ein Triebwagen nach Feuerwehrangaben einen umgestürzten Baum und sprang im Bahnhofsbereich aus dem Gleis. Verletzt wurde niemand. Ebenfalls in Norderstedt deckte der Sturm das Dach eines Reihenhauses auf einer Fläche von 350 bis 400 Quadratmetern ab.
In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus im Stadtteil Eilbek am Freitagabend Teile der Fassade ein. Insgesamt seien im Giebelbereich rund 25 Quadratmeter Mauerwerk abgefallen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Zuvor hatte im Stadtteil Bahrenfeld ein Kind viel Glück, als ein großer Baum auf den Bahrenfelder Steindamm fiel. Das Kind war mit einem Fahrrad unterwegs und wurde nach Angaben der Feuerwehr nur leicht verletzt. Zwei Autos wurden von dem Baum getroffen.
Generell hatten die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes, der Feuerwehren und der Polizei offensichtlich gewirkt. Weder in Schleswig-Holstein noch in Hamburg wurde bis zum Vormittag von Schwerverletzten oder gar Toten berichtet. Der DWD hatte zuvor die Menschen aufgefordert, Türen und Fenster geschlossen zu halten, sich möglichst nicht draußen aufzuhalten und sich von Bäumen, Gerüsten und Hochspannungsleitungen fernzuhalten.
Deutsche Bahn: Viele Strecken auch am Sonnabend gesperrt
Erhebliche Einschränkungen gab es im Verkehr. Die Deutsche Bahn und andere Verkehrsdienstleister wie Nordbahn, Metronom und AKN Eisenbahn GmbH hatten bereits am Freitagnachmittag oder am frühen Abend den Zugverkehr im Norden ganz oder teilweise eingestellt. Am Sonnabend lief der Verkehr auf ersten Strecken wieder an. Viele Strecken im Norden blieben aber gesperrt. „Es verkehren keine Fernverkehrszüge nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin bis mindestens 18 Uhr“, teilte die Bahn am Sonnabend mit. Einschränkungen und Ausfälle gab es auch bei der Hamburger U-Bahn und bei den S-Bahnen.
Es komme zu Verspätungen und Zugausfällen, teilte die Deutsche Bahn (DB) am Sonnabendabend mit und riet weiterhin dazu, Reisen in die betroffenen Regionen zu verschieben. „Vermeiden Sie Reisen von und nach Hamburg und Bremen“, hieß es.
Etliche Schiffsverbindungen zu den Inseln und Halligen fielen aus, wie die Reedereien mitteilten. Am Sonnabend gab es wieder ein eingeschränktes Angebot, die Linie zu den Halligen verkehrte noch nicht wieder. Auch die Elbfähre von Glückstadt nach Wischhafen hatte ihren Betrieb bis einschließlich Samstag eingestellt. Am Hamburger Flughafen hielten sich die Auswirkungen des Sturms in Grenzen. Es seien nur wenige Flüge gestrichen worden, sagte eine Sprecherin. Am Sonnabendmorgen fielen mehrere Abflüge aus.
Nach Sturmflut und Orkan: Deiche werden auf Schäden untersucht
Nach der schweren Sturmflut wurden die Deiche und Schutzbauwerke an Nordsee und Elbe soweit möglich bereits auf Schäden untersucht. Es sehe auf den ersten Blick ganz gut aus, sagte der stellvertretende Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, Michael Kruse, am Sonnabendmorgen zur Situation an den schleswig-holsteinischen Elbdeichen.
Die Nordseeinsel Wangerooge hat etwa 90 Prozent ihres Badestrands bei dem Sturm verloren. „Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand“, sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr am Sonnabendmorgen. Rein touristisch gesehen bedeute dies fast einen "Totalschaden".
Mindestens sechs Wochen werde es dauern, den Strand wieder aufzuschütten, sagte Fangohr. Der Sand dafür komme von einer Sandbank vor der Insel. Schon nach den vergangenen Stürmen seien etwa 60 Prozent des Strandes weggespült worden, nun sei stellenweise überhaupt kein Sand mehr da. "Das ist auch eine Kostenfrage", so Fangohr. Er rechnet mit Kosten von mindestens 350.000 Euro allein für die Aufschüttung. "Wenigstens zu Ostern sollten wir aber wieder einen Teil des Strands aufgeschüttet haben", so Fangohr.
Schwerer Sturmflutschaden am Strand von St. Peter-Ording
Am Strand von St. Peter-Ording hat Orkan „Zeynep“ in der Nacht zu Sonnabend schwere Schäden an den Stegkonstruktionen verursacht. Sowohl die zentrale Seebrücke als auch der Steg zur Strandbar 54° Nord wurden beschädigt. Tourismus-Direktorin Katharina Schirmbeck sagte zu Abendblatt.de: "Der Steg zur Strandbar ist zu Beginn und in der Mitte auf vielen Metern völlig zerstört - auch die Versorgungsleitungen."
Damit ist der Zugang unmöglich geworden. Die Bar ist saisonal derzeit geschlossen, aber die Reparatur dürfte Wochen dauern, so Schirmbeck. Den Schaden könne man noch nicht beziffern, er sei aber immens. Die gesamte Holzkonstruktion der Strandbar soll sowieso aus Sicherheitsgründen 230 Meter in Richtung Küste verlegt werden. Allerdings sollte die alte Konstruktion erst nach der Eröffnung des Neubaus abgerissen werden. Nun besteht Zeitdruck.
Die zentrale Seebrücke, die zum Strand führt, ist im ersten Teil noch begehbar. Wegen des Flutschadens ist sie nun im Bereich des Strandes gesperrt. "Man kommt dort also weiterhin ans Wasser", so Schirmbeck.