Hamburg. Nach dem Wassereinbruch auf der Elbfähre “Tollerort“ wurde ein Verfahren gegen den Schiffsführer eingeleitet. Das sagt die Hadag.
Am Freitagvormittag war die Hadag damit beschäftigt, die Scherben des Vortags zusammenzukehren. Nicht nur im übertragenen Sinn, sondern buchstäblich. "Wir machen gerade die letzten Aufräumarbeiten", berichtete Hadag-Chef Tobias Haack, als ihn das Abendblatt am Telefon erreicht.
Am Donnerstagmorgen war die Bugscheibe der Hadag-Elbfähre "Tollerort" beim Zusammenstoß mit einer großen Welle zerborsten und ein beängstigender Schwall Elbwasser ins Unterdeck geschossen. Drei der insgesamt acht Passagiere, zwei Männer (32, 35) und eine 47 Jahre alte Frau, sind durch Glassplitter leicht verletzt worden.
Für die Hadag könnte es nun ungemütlich werden. Nach Abendblatt-Informationen erfuhr die Wasserschutzpolizei erst mittags, rund vier Stunden nach dem Ereignis, von dem Unglück, das bereits gegen 8.45 Uhr auf dem Weg der Linie 68 von Teufelsbrück zum Airbus-Anleger geschehen war. Und zwar nicht von der Hadag selbst, sondern durch das Internetvideo, das sich wie ein Lauffeuer verbreitet hatte.
Scheibe von Elbfähre zerstört: Vorfall war meldepflichtig
"Schiffsunfälle sind meldepflichtig. Wegen der verspäteten Meldung ist daher ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Schiffsführer (29) eingeleitet worden", heißt es dazu von der Polizei auf Abendblatt-Nachfrage. Hadag-Chef Haack wollte sich nur eingeschränkt zu den Vorwürfen äußern. "Es gibt vorgeschriebene Meldewege, die eingehalten werden müssen. Wir untersuchen jetzt, ob das auch so passiert ist", sagte er. "Grundsätzlich musste der Schiffsführer, als er am Anleger Airbus angelangt ist, dafür Sorge tragen, dass das Schiff gesichert ist. Die Fahrgäste sind selbstständig von Bord gegangen. Es gab keinen Zeitpunkt, zu dem Rettungskräfte nötig gewesen wären."
Tatsächlich begaben sich die drei leicht Verletzten mit Schnittwunden zum Airbus-Betriebsarzt. Der 32-Jährige musste zudem zwischenzeitlich zur ambulanten Versorgung mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden.
Passagier hatte Angst, nach draußen gezogen zu werden
"Ich war klitschnass von oben bis unten", berichtete der 32-Jährige. Er habe zunächst Angst gehabt, dass er beim Zurückfluten nach draußen gezogen werde. Darum sei er wie die anderen Fahrgäste nach hinten gerannt. Aber dann habe er gemerkt, dass das Wasser nach hinten abfloss. Er sei noch mal zurückgegangen, um nach einer Kollegin zu schauen.
Eine zweite Welle sei nicht durch die zersplitterten Scheiben geschwappt. Der Schiffsführer habe sogleich das Gas weggenommen. Dass er verletzt war, habe er erst gar nicht gespürt. Vermutlich habe er unter Schock gestanden. "Du blutest ja", hätten ihm seine Kollegen gesagt. Er habe Schnitte am Kopf und am Unterarm erlitten, sagte er.
Hadag will Schiffsführer auf die Meldewege hinweisen
Doch warum erfuhr die Polizei so spät von dem Unglück? "Wir weisen jetzt alle Schiffsführer noch mal darauf hin, wie die Meldewege zu laufen haben. Wir haben eine Betriebsleitstelle, die informiert war und in solchen Fällen auch unterstützt. Grundsätzlich ist aber jedem klar, wie die Meldewege aussehen", sagt Haack. Man gucke sich jetzt noch mal genau an, wie die Meldung abgelaufen sei. Der noch relativ unerfahrene Schiffsführer wurde von der Polizei bereits zu dem Unglück befragt.
Ob der 29-Jährige mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, wollte Haack auf Nachfrage nicht kommentieren. "Unsere Schiffsführer sind dazu angewiesen, mit angepasster Geschwindigkeit zu fahren. Zu dem gesamten Vorfall gibt es jetzt ein Ermittlungsverfahren, weshalb ich Diskussionen über die Angemessenheit der Schiffsgeschwindigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt für reine Spekulation halte", sagte der Hadag-Chef.
Polizei wertet Funkverkehr und Radarbilder aus
Die Hamburger Polizei teilte mit, dass sie sich jetzt einen "Überblick über die Gegebenheiten zum Unfallzeitpunkt" verschaffen werde. "Dabei werden unter anderem die sogenannten AIS-Daten und Videomaterial ausgewertet, aber auch der Funkverkehr und die Radarbilder werden überprüft", heißt es von der Polizei. Diese Auswertung müsse man nun erst einmal abwarten.
Bleibt die Frage, wie die Scheibe überhaupt zerbrechen konnte. Am Donnerstag hatte Haack noch versichert, dass die Sicherheitsscheibe "seeschlagfest" gewesen sei. Nach Abendblatt-Informationen gibt es daran mittlerweile Zweifel. "Es gibt verschiedene Stufen der Verglasung. Wir untersuchen, was mit dem Glas passiert ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen", sagte Haack.
Hadag erwartet eingeschränkten Betrieb am Freitag
Ab Freitagnachmittag wird derweil ein neuer Sturm über Hamburg erwartet. "Wir gucken uns immer an, wie das Wetter wird. Auch heute werden wir unser Fahrangebot anpassen und gucken, mit welchen Schiffen wir auf welchen Routen fahren können", sagte Haack. Die Windrichtung und Tidenlage sei am Freitag etwas verändert, Vorkehrungen habe man wie immer getroffen. "Wir versuchen, den Betrieb immer so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Wir informieren über unseren Twitter-Kanal, welche Linien bedient werden und welche nicht", sagte Haack. Ein zweites Besatzungsmitglied werde man trotz des erwarteten Sturms aber nicht einsetzen.
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Fest steht: Die "Tollerort" bleibt nun vorerst in der Hadag-Zentrale am Fischmarkt. "Das Schiff hat jetzt eine Notverglasung bekommen, damit es nicht ins Schiff reinregnet. Wir müssen abwarten, wann Material und Handwerker zur Verfügung stehen, um die Fenster auszutauschen", sagte Haack.