Reinbek. Bauausschuss empfiehlt, Allergopharma Zusammenführung des Betriebsgeländes zu ermöglichen. Dazu muss ein Weg verkauft werden.

Der Reinbeker Bauausschuss ist dem Wunsch des Arzneimittelherstellers Allergopharma gefolgt und empfiehlt, aus zwei Gewerbegebieten im Ortsteil Prahlsdorf eines zu machen. Mit Mehrheit beschlossen die Politiker die Änderung des Bebauungsplans Nr. 36 für das Firmenareal, das auf zwei benachbarten Grundstücken liegt. Zwischen diesen beiden liegt der öffentliche Fuß- und Radweg zwischen Herrengraben und Hermann-Körner-Straße, der auch als Schulweg genutzt wird. Ihn will das Unternehmen der Stadt abkaufen. Die Anwohner müssten dann Umwege von bis zu 200 Metern in Kauf nehmen.

Dagegen gibt es seit Monaten heftige Bürgerproteste. Deshalb beinhaltet der B-Plan auf Vorschlag der Fraktion Forum 21 ein Verkehrskonzept, dessen Kosten der Medizinhersteller tragen soll. Fraktionschef Heinrich Dierking, Vorsitzender des Bauausschusses, sagte: „Nur mit einem öffentlichen, städtebaulichen Verfahren und einem Verkehrskonzept kann ein befriedender Ausgleich zwischen den legitimen Anwohnerinteressen und den ebenfalls legitimen Interessen der Firma hergestellt werden.“

Der Weg trennt die beiden Produktionsareale

Das Reinbeker Unternehmen Allergopharma will auf dem US-Markt Fuß fassen. Auch dafür hat der Mutterkonzern Merck im Jahr 2014 rund 42 Millionen Euro in ein neues Produktionsgebäude investiert. Dies ist allerdings vom übrigen Betriebsgelände durch den öffentlichen Weg getrennt. Die Firma sagt, nur mit einem geschlossen Areal sei die Zulassung der US-Behörde für den Verkauf von Medikamenten zu bekommen. Die Zusammenführung der Grundstücke samt Einzäunung soll für eine bessere Kontrolle des Produktionsprozesses sorgen.

Allergopharma hatte schon vor der Erweiterung in 2014 mit der Stadt über den Weg gesprochen, aber versäumt, vertraglich Nägel mit Köpfen zu machen. Gehbehinderten Anwohnern will die Firma nun sogar elektrisch betriebene Rollatoren zur Verfügung stellen, wenn die Wege sich für sie um mehr als 50 Prozent verlängern.

Die Prahlsdorfer wollen den drei Meter schmalen und etwa 200 Meter langen Verbindungsweg zwischen Einkaufscenter und Wohngebiet behalten. „Wir sind sehr enttäuscht, dass die Politiker uns nicht vorher informiert haben, dass sie das Thema schon 2013 auf dem Tisch hatten“, sagte Anwohnerin Renate Bublitz. „Man fühlt sich nicht ernstgenommen“, ergänzte Nachbarin Jutta Wenzel. Anwohner Hans-Werner Stürmer kritisierte in der Fragestunde des Bauausschusses, mit dem Verkauf werde ein sicherer Fuß- und Radweg aufgehoben, „der Hunderten täglich als Ost-Westverbindung dient“.

Politiker geben Steuern und Arbeitsplätzen Vorrang

Die Anwohner bezweifeln, dass der Verkauf des Weges alternativlos sei. Ihr Sprecher Klaus Schumacher sagte, er habe hat mit der zuständigen US-Behörde, der Food and Drug Administration (FDA), Kontakt aufgenommen und dabei erfahren, dass sich Firmen vorab durch die Behörde beraten lassen können. Die Ergebnisse seiner Recherche ließ er den Politikern zukommen. „Es ging mir darum aufzuzeigen, dass man sehr leicht mit der FDA in Kontakt kommen und klären kann, ob der Weg ein störendes Hindernis ist“, sagte er. Schumacher vermutet auch, dass das Unternehmen mit einem zusammengelegten Grundstück einen höheren Verkaufswert für die Allergiesparte erzielen könnte. Schließlich habe der Mutterkonzern Merck entsprechende Verkaufsabsichten, über die Medien Ende 2015 berichtet hatten, nicht dementiert.

Geschäftsführer Marco Linari (l.) und der kaufmännische Leiter Thomas Ulmer in der neuen Produktionsstätte
Geschäftsführer Marco Linari (l.) und der kaufmännische Leiter Thomas Ulmer in der neuen Produktionsstätte © HA | René Soukup

„Es ist nicht so einfach, wie Sie das sehen“, entgegnete Allergopharma-Geschäftsführer Marco Linari, der die Sitzung als Zuschauer verfolgte. Die FDA prüfe keine baulichen Anlagen, sondern zuerst das Produkt. Eine Inspektion des Betriebsgeländes erfolge erst Monate nach der Einreichung des Produktdossiers und nur auf diesen konkreten Anlass bezogen. Falle die Prüfung dann positiv aus, könne das Produkt auf den amerikanischen Markt gebracht werden.

Etwaige Verkaufsabsichten dementiert das Unternehmen in einem Brief an die Stadt: Der Mutterkonzern habe die strategischen Überlegungen zur Zukunft von Allergopharma nach Überprüfung der attraktiven Wachstumsperspektiven Anfang 2016 eingestellt. Der Weg habe im Übrigen „keine nennenswerte Auswirkung auf den Unternehmenswert“. Allergopharma beschäftigt in Reinbek 460 Menschen und zahlt mehr als eine Million Euro Gewerbesteuern pro Jahr.

Grüne und FDP waren nicht überzeugt

Das Verkehrskonzept gab den Ausschlag für die Zustimmung von CDU und SPD zur Neuaufstellung eines geänderten B-Plans. „Begeistert von dieser Angelegenheit sind wir nicht“, sagte Ernst-Dieter Lohmann (CDU). Die Sicherung der Gewerbesteuern gehe aber vor. „Für uns steht an erster Stelle der Erhalt von Arbeitsplätzen“, sagte Volker Müller (SPD).

Nicht überzeugt waren Grüne und FDP. Für Anke Wiener (Grüne) sind die Argumente des Pharmaunternehmens „nur vage, nebulöse Behauptungen“. Auch für Bernd-Uwe Rasch (FDP) ist noch nicht klar, „ob der Weg eine Zulassung in den USA tatsächlich behindert“. Er forderte „belastbare Aussagen, damit die Bürger wieder Vertrauen fassen“.

Die Entscheidung fällt in der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 27. April.