Reinbek. Arbeitsplätze oder Anwohnerzufriedenheit? Streit um Kauf eines öffentlichen Weges durch Allergopharma. Reinbeks Politiker sind gefragt.

Für den 2. März hat sich prominenter Besuch in Reinbek angekündigt. Dann kommt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zur Einweihung des neuen Produktionsgebäudes der Firma Allergopharma. Das 42-Millionen-Euro-Projekt an der Hermann-Körner-Straße schafft die Voraussetzungen, damit die Expansionspläne des Arznei-Herstellers aufgehen – unter anderem der Einstieg in den US-Markt. Doch ob die Präparate tatsächlich den Weg von Stormarn über den großen Teich finden und Grund zum Feiern besteht, ist derzeit noch ungewiss.

Denn um die Lizenz der zuständigen US-Behörde zu erhalten, muss der Stadt ein öffentlicher Weg abgekauft werden, der bisher die neue Anlage vom übrigen Betriebsgelände trennt. Das sagt zumindest Allergopharma. Anwohner wollen das verhindern und versuchen, die Argumente der Gegenseite zu entkräften. Die Entscheidung fällen die Politiker. Sie stecken in einem Dilemma, wollen einerseits das Gewerbe stärken mit der Hoffnung auf mehr Arbeitsplätze in der Stadt, es sich aber auch nicht mit den Bürgern verscherzen. Die Situation ist diffus, und die Sache zieht sich hin.

Anwohner schlagen Brücke als Alternative vor

Auf der jüngsten Sitzung des Bau- und Planungsausschusses sollte über das Thema gesprochen werden. SPD und CDU sahen dafür keine Notwendigkeit und strichen mit der Mehrheit ihrer Stimmen den Tagesordnungspunkt. „Weil noch Fakten zusammengetragen werden müssen, damit man sich ein abschließendes Bild machen kann“, sagte Sozialdemokrat Baldur Schneider. Geredet wurde dafür umso mehr in der vergangenen Woche auf einer von der Verwaltung organisierten Diskussionsveranstaltung. Dort bekamen beide Seiten die Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen. Zu einer Annäherung kam es aber nicht.

Wollen die Mitarbeiter des Unternehmens samt Proben von dem Gebäude mit Analyseräumen zur neuen Produktion gelangen, müssen sie den Verbindungsweg zwischen Wohngebiet und Bille-Center queren. „Der Materialfluss ist jedoch auf dem Gelände zu gewährleisten“, sagt Allergopharma-Geschäftsführer Marco Linari über die Richtlinie der Food and Drug Administration (FDA). Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel kontrolliert die Sicherheit und Wirksamkeit von importierten Produkten. Der Chef von 460 Mitarbeitern in Reinbek fürchtet, dass die FDA unter den jetzigen Bedingungen kein grünes Licht gibt für den Verkauf von Allergopharma-Produkten in den USA. Diese Meinung teilen laut Linari auch Berater. Er spricht von einem „qualifizierten Bauchgefühl“.

Zusätzliche Arbeitsplätze wären in Gefahr

Die Protestler sehen das anders. Ihrer Meinung nach gibt es keine Vorschriften für die Produktion auf einem geschlossenen Areal. Sie schlagen als Alternative den Bau einer Brücke zwischen den Gebäuden vor und nennen zwei Werke einer Firma in Bovenau und Hamburg als Beispiel, wo die US-Behörde keine Bedenken hatte. Für Allergopharma sind andere Lösungen als der Kauf des Weges nicht machbar, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Die Gegner des Wegekaufs um Wortführer Klaus Schumacher sammelten im vergangenen Jahr 190 Unterschriften. Zudem trugen sich bei einer Online-Petition 153 Personen ein. Im November 2016 hatte sie eine Verwaltungsvorlage in Alarmstimmung versetzt. Bestandteil jener war die Entwidmung des Weges. Anders als bei einem Bebauungsplan wären die Bürger nicht beteiligt worden. Diese Variante fiel bei der Politik durch.

Eines ist sicher: Produziert Allergopharma, einer der weltweit größten Hersteller von Medikamenten zur Behandlung von Allergien, nicht in Reinbek für den US-Markt, wird der Mutterkonzern Merck das Vorhaben an einem anderen Standort verwirklichen. Die Chance auf zusätzliche Arbeitsplätze in der Stadt wäre vertan.

Firma lädt Bürger für Montag zu einer Ortsbegehung

Heinrich Dierking (Forum 21) sagt: „Die Firma ist für den Wirtschaftsstandort Reinbek unverzichtbar.“
Heinrich Dierking (Forum 21) sagt: „Die Firma ist für den Wirtschaftsstandort Reinbek unverzichtbar.“ © HA | René Soukup

„Wir unterstützen zwar Gewerbe, aber es gibt ein Glaubwürdigkeitsproblem“, sagt FDP-Fraktionschef Bernd Uwe Rasch. „Ohne Beweise, dass der Wegekauf notwendig ist, stimmen wir nicht zu.“ Das gilt auch für die Grünen. Der Fraktionsvorsitzende Günther Herder-Alpen: „Die Argumente des Unternehmens sind nicht überzeugend.“ Forum-21-Politiker Heinrich Dierking sagt: „Die Firma ist für den Wirtschaftsstandort Reinbek unverzichtbar. Prinzipiell unterstützen wir ihr Ansinnen.“

Die frühere Geschäftsführung hatte es vor Jahren versäumt, den Wegekauf an den Neubau der Produktion zu koppeln. Linari, seit 2014 im Amt, setzt weiterhin auf den Dialog mit den Bürgern. Sie sind am kommenden Montag zu einer Ortsbegehung geladen, die Politiker zu einem späteren Zeitpunkt.