Reinbek. Unternehmen Allergopharma will der Stadt einen öffentlichen Weg abkaufen, um expandieren zu können. Anwohner protestieren.

Etliche Reinbeker reagieren allergisch auf den Plan des Arznei-Herstellers Allergopharma, der Stadt einen öffentlichen Weg abzukaufen. Die Symptome: grimmige Mienen und mitunter eine leichte Gesichtsrötung, wenn darüber gesprochen wird. Medikamente dagegen gibt es nicht. Die einzige Möglichkeit, die Anwohner zu besänftigen, wäre der Verzicht auf das Vorhaben.

Das ist laut dem Unternehmen aber ausgeschlossen. Es hat bereits 40 Millionen Euro in eine neue Produktionsstätte investiert mit dem Ziel, den US-Markt zu erobern. Dafür wird eine Lizenz der dortigen Fachbehörde benötigt. Und die, so argumentiert die Firma, werde man nicht bekommen, wenn die neuen Räume von jenen, wo die Präparate analysiert werden, durch den schmalen Weg getrennt sind. „Uns wäre es auch am liebsten, wenn alles so bleiben könnte“, sagte Geschäftsführer Marco Linari auf einer Informationsveranstaltung der Stadt, zu der mehr als 100 Bürger gekommen waren. Aber die USA hätten scharfe Regularien. „Wir müssen das Gelände abschotten, sind uns sicher, dass man uns unter den jetzigen Bedingungen den Verkauf von Produkten dort untersagt.“

Testbetrieb in der neuen Produktion dauert bis zu 18 Monate

Rückblick: Das 1969 gegründete Unternehmen, das inzwischen zum Merck-Konzern gehört und 460 Mitarbeiter in Reinbek beschäftigt, entscheidet sich schon vor Jahren, die Produktionskapazitäten an der Hermann-Körner-Straße zu erweitern, um dann weltweit zu expandieren. Nach dem Kauf eines benachbarten Grundstücks folgt im Dezember 2013 der Spatenstich für das 40-Millionen-Euro-Projekt. Jetzt ist das 6000 Quadratmeter große Gebäude mit seinen zwei Etagen fertig. Demnächst soll der Testbetrieb beginnen. Der dauert bis zu 18 Monate. Solange dürfen die Präparate zur Diagnose und Therapie etwa von Heuschnupfen oder allergischem Asthma aus der neuen Anlage nicht verkauft werden. Bis zum Jahr 2018 ist ein Parallelbetrieb vorgesehen, dann soll die jetzige Produktionsstätte, die auf der anderen Seite des Weges und somit auf einem in sich geschlossenem Betriebsgelände liegt, umgebaut und anderweitig genutzt werden.

Ob die Präparate der neuen Produktion für den deutschen Markt zugelassen werden, darüber entscheidet das Landesamt in Kiel. Für den Einstieg in die USA benötigt Allergopharma jedoch grünes Licht der Food and Drug Administration (FDA). Zu deutsch: Behörde für Lebens- und Arzneimittel. Sie kontrolliert die Sicherheit und Wirksamkeit auch von importierten Produkten und hat offenbar andere Anforderungen an die Herstellungsanlagen als die Behörde hierzulande. Das meint zumindest die Reinbeker Firma mit dem Hinweis, dass die Vorschriften nicht so detailliert formuliert sind wie in Deutschland.

Anwohner schlagen vor, Gebäude mit einer Brücke zu verbinden

Anwohner glauben dem nicht. Einer von ihnen ist Klaus Schumacher. Er hat sich informiert und sagte auf der Veranstaltung: „Es gibt keine Vorschrift, die Produktion auf einem geschlossenen Areal durchzuführen.“ Die US-Behörde fordere lediglich, die Betriebsräume durch geeignete Maßnahmen vor dem Zutritt Unbefugter zu schützen. Schumacher und seine Mitstreiter kämpfen für den Erhalt des Weges. Dafür haben sie 190 Unterschriften gesammelt und schlagen vor, dass die Firma die beiden Gebäude durch eine Brücke verbindet. Diese Variante stieß beim Arznei-Hersteller auf wenig Gegenliebe, der auch keine anderen Alternativen sieht.

Außerdem wundern sich die Protestler, weshalb erst gebaut und danach der Wegekauf ins Visier genommen wurde. Linari spricht von „Fehlern, die 2012 gemacht wurden“. Er ist erst seit 2014 Geschäftsführer.

Über einen Verkauf des Verbindungsweges zwischen Wohngebiet und Bille-Center müssen die Kommunalpolitiker entscheiden. Einige von ihnen besuchten den Diskussionsabend, ein einheitliches Meinungsbild gibt es nicht. Das Unternehmen will Entscheidungsträger und Protestler zu zwei Treffen auf dem Betriebsgelände laden und sein Dilemma noch einmal verdeutlichen. Am kommenden Dienstag steht das Thema auf der Agenda im Bau- und Planungsausschuss.