Sylt ist nicht nur die Insel der Reichen und Schönen, es ist auch die Insel ohne Geburtshilfestation und mit Wohnraummangel. Der Bewerberkreis für einen neuen Bürgermeister ist bisher überschaubar.

Westerland/Sylt. Sylt – allein schon der Name ruft Bilder von Champagner, Meeresschaum und Ferraris in der Sonne wach. Sylt ist Deutschlands einziger Promi-Hotspot. Aber das ist nur die eine Seite. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Einheimische, der Wegzug vieler Insulaner, die Schließung der Geburtshilfestation – die Insel der Reichen und Schönen hat auch ihre massiven Probleme.

Wer hier Bürgermeister werden will, muss das wissen. Im Dezember wird der Nachfolger (oder die Nachfolgerin) der langjährigen Bürgermeisterin Petra Reiber gewählt, die Mittfünfzigerin tritt als Oberhaupt der Gemeinde Sylt nicht mehr an. „Sylt ist speziell und hat eine mediale Außenwirkung wie eine deutsche Großstadt“, sagt Reibers Stellvertreter Carsten Kerkamm. „Es geht nicht nur darum, die Verwaltung zu leiten, es geht darum, Sylt zu präsentieren.“ Reiber, die seit 1991 Bürgermeisterin von Westerland war und seit 2009 der Gemeinde Sylt ist, macht zurzeit eine Reha.

Bislang ist die Zahl der Kandidaten für die Wahl übersichtlich: Für die CDU hat Bernd Reinartz im Juli den Hut in den Ring geworfen. Er ist bislang der einzige von einer Partei nominierte. Einige andere hätten ihre Kandidatur angekündigt, aber halt nur angekündigt, sagt Kerkamm.

Viele Kandidaten „wenig qualifiziert“

Zuletzt sorgten angebliche Kandidaturpläne der früheren Fürther Landrätin und CSU-Rebellin Gabriele Pauli für Wirbel. Für eine Kandidatur hat sich die 57-Jährige allerdings noch nicht entschieden, auch wenn sie Sylt schon als „sehr spannend und interessant“ bezeichnet hat.

„Ich bin durchaus enttäuscht, dass insgesamt so wenig qualifizierte Kandidaten sich beworben haben“, sagt Kerkamm. Es gebe auch manche klamaukige Absichtserklärung – Pauli schließt er dabei aber ausdrücklich aus. Für sich selbst winkt er ab, da er als Bürgermeister nicht mehr „nur“ ehrenamtlich tätig sein könnte. Für ein Ehrenamt wäre er sofort angetreten: „Für mich ist Bürgermeister auf Sylt ein Traumjob.“

Vielleicht schrecken ja neben der großen Öffentlichkeit auch die Probleme. Regelmäßig findet sich auf Sylt die teuerste Immobilien-Adresse Deutschlands. Ein 100-Quadratmeter-Haus in List etwa, noch nicht mal der nobelste Inselort, kann schon mal zwei Millionen Euro kosten. Da zieht so mancher Einheimische lieber aufs Festland.

Das merkt auch die Freiwillige Feuerwehr Westerland. Wenn Sylter fortziehen, „leiden wir auch drunter“, sagt Wehrführer Jörg Elias. „In den Randdörfern haben wir erhebliche Mängel an Feuerwehrkräften. Da kratzen wir ganz gewaltig an der Mindestmitgliederstärke, in Westerland geht es gerade noch.“

Ist der Tourismus an allem schuld?

Weniger Insulaner – das heißt auch immer weniger Sylter Kinder. Mangels Nachwuchs wurde die Grundschule in Morsum geschlossen, der Kindergarten in Kampen folgt, zum Jahresbeginn hatte es die Geburtshilfestation an der Westerländer Nordseeklinik erwischt. Werdende Mütter müssen nun, wollen sie keine Hausgeburt erleben, aufs Festland. Die medizinische Versorgung etwa in Flensburg sei zwar tipp-topp, sagt Kerkamm, aber die psychische Belastung für die Mutter sei hoch, wenn sie vor der Geburt allein in Flensburg ausharre, während der Vater daheim ältere Kinder hüte.

Ist nun der Tourismus an allem schuld, sind es die Reichen, die die Wohnungen aufkaufen, die Preise treiben und im Winter lieber in Düsseldorf sind, während die Straßenzüge von Sylt mancherorts im Winter dunkel bleiben?

Das Vorurteil, dass auf Sylt keiner mehr wohne, jedenfalls nicht richtig, sei „völliger Blödsinn“, findet Kerkamm. Sylt brauche eine Sensibilisierung für die Balance zwischen Tourismus und Einheimischen, aber: „Tourismus ist das Entscheidende.“ Die Insel lebt davon.

Politiker mit Sinn für Sylts Probleme gesucht

In den letzten zehn Jahren fielen die Besucherzahlen nahezu identisch aus, berichtet Jutta Vielberg von Sylt Marketing. 2013 waren es 6,4 Millionen Übernachtungen und fast 840.000 Gäste. Damit bleibe Sylt eine Trauminsel und habe „auch über die Inlandsgrenzen hinaus eine Strahlkraft, wie sie nur wenige touristische Destinationen besitzen“.

Strahlkraft hat etwa das traditionelle Krebsessen bei Baumanns in Kampen, wo in der Vergangenheit Promis wie Sabine Christiansen, Vicky Leandros und Wolfgang Joop sich im Blitzlichtgewitter sonnten. Immer wieder locken Polo, Weltcups im Windsurfen, Sansibar und Buhne 16. Auch die Sylter selbst stehen zu ihrer Insel. Doch zu einer anderen als der der Urlauber.

Kürzlich war im Heimatmuseum in Keitum eine Ausstellung mit Fotografien von Theodor Möller zu sehen. Das kam an bei den Einheimischen, wie die Leiterin der Söl'ring-Museen, Dörte Ahrens, sagt. „Die Weite und die Kargheit, da finden sich die Insulaner auch wieder.“ Sprachkurse im Söl'ring seien beliebt, auch Familienforschung. „Die Verflechtung der Familien untereinander ist ganz wichtig. Die kennen sich sozusagen seit Hunderten von Jahren, sind auch miteinander verwandt, das ist ein sehr verlässliches Netzwerk.“ Für Ahrens scheinen sie wie eine „Parallelgesellschaft im positiven Sinn, die ursprüngliche Gesellschaft“. Wer künftig an ihrer politischen Spitze steht? Es sollte ein Politiker mit Sinn für die Probleme der Trauminsel sein.