Deutschlands prominenteste Urlaubsinsel braucht einen neuen Bürgermeister und sucht daher Bewerber. Bis zum Oktober können Interessierte ihre Bewerbung einreichen. Die Wahl findet am 14. Dezember statt.

Westerland. Söl’ring wird nicht verlangt, dennoch könnten Grundkenntnisse dieses Sylter Dialekts nicht schaden. Ebenso sollte Ekke Nekkepen, der nordfriesische Meergott, zumindest namentlich bekannt sein: Die Großgemeinde Sylt sucht einen neuen Bürgermeister, und (fast) jeder kann sich bewerben. Petra Reiber, 55, hat sich aufgerieben. Nach fast 24 Bürgermeisterjahren wird sie Ende April kommenden Jahres ausscheiden. Damit wird der Traumjob auf Deutschlands schönster, teuerster und prominentester Ferieninsel frei. Die Bewerbungsfrist endet am 27. Oktober. So steht es in einer Stellenanzeige, die dieser Tage in großen deutschen Tageszeitungen erschien.

Wer Lust auf einen beruflichen Neuanfang verspürt und dort arbeiten will, wo die Schickeria Schampus schlürft, hat also noch ein bisschen Zeit, um Sylt unter die Lupe zu nehmen. Zumindest theoretisch. Die CDU, mit Abstand stärkste Fraktion in der Sylter Gemeindevertretung, hat bereits ihre Fühler ausgestreckt. „Wir wollen schon im Mai einen Kandidaten nominieren“, sagt Fraktionschef Wolfgang Jensen.

Dass Reiber nicht mehr weitermacht, ist seit 2012 bekannt. Schnell gab es einen Interessenten für die Nachfolge: Carsten Kerkamm, Anwalt und CDU-Gemeindevertreter. Doch im Januar machte er einen Rückzieher. Als hauptamtlicher Bürgermeister hätte er seine Anwaltstätigkeit aufgeben müssen, und dazu konnte er sich nicht durchringen. Seitdem ist die CDU wieder auf der Suche. „Wir haben bisher mit vier Bewerbern gesprochen“, sagt Fraktionschef Jensen.

Abschrecken lassen muss man sich dadurch nicht. Der neue Bürgermeister wird am 14. Dezember nicht von den Gemeindevertretern, sondern von den Syltern gewählt. Ein knackiger Wahlkampf in der Adventszeit – und am Ende winkt der Bürgermeisterjob. Wer sich vorstellt, dass er den größten Teil seines Arbeitstages in die Nacht verlegen und mit den Promis Party machen kann, der irrt allerdings. „Von der Bandbreite ist der Job auf Sylt härter als in einer vergleichbar großen Kommune auf dem Festland“, hat Petra Reiber in einem Interview mit den „Kieler Nachrichten“ unlängst festgestellt. „Ich hätte auch nie gedacht, dass ich gegen ein Bordell kämpfen, einen Flughafen kaufen oder mich in die Qualitätsanforderungen der Geburtshilfe einlesen muss. Das sind Themen, die von der Dimension einen großstädtischen Charakter haben.“ Insofern ist Sylt schon eine besondere Herausforderung. Rund 14.000 Einwohner hat die Großgemeinde, die aus Westerland, Sylt-Ost und Rantum besteht. 60 Prozent der Inselfläche und 70 Prozent der Insulaner gehören dazu. Im Sommer lässt der Tourismus die Bevölkerung anschwellen. Bis zu 150.000 Menschen leben dann auf der Nordseeinsel, dessen spitze, schlanke Form wie das Produkte eines Bleigießens in der Silvesternacht wirkt.

Wolfgang Jensen findet es deshalb wichtig, dass Reibers Nachfolger auch medial wirken kann. „Er ist das Aushängeschild der Insel, er muss ein gutes Bild vermitteln können“, sagt er. In der Tat gibt es wohl kaum einen zweiten Bürgermeister einer 14.000-Einwohner-Gemeinde, der so unter Beobachtung überregionaler Medien steht wie der Sylter Verwaltungschef.

Petra Reiber hat das mehrfach zu spüren bekommen. Als ihr 1997 der Ehemann abhanden kam, beteiligte sich ganz Deutschland an der Suche. Nach gut einem Jahr brachte eine Fahndung in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ die Gewissheit: Der Mann war einfach nur abgehauen, weil er es als Hausmann an der Seite der vergleichsweise glamourösen Bürgermeisterin nicht mehr ausgehalten hatte.

Ein Medientraining wäre also nicht schlecht für die Kandidaten. Erst einmal müssen aber die Hausarbeiten gemacht werden. Erstens: Grundvoraussetzungen prüfen. Man darf am Wahltag nicht jünger als 27 und nicht älter als 62 sein und muss das Wahlrecht haben. Zweitens: Bewerbungen an die Sylter Fraktionen schicken und hoffen, dass eine von ihnen die Kandidatur unterstützt. Das hilft im Wahlkampf. Wenn das nicht klappt, müssen Türklinken geputzt werden. 135 Sylter Unterstützerunterschriften braucht man, um als Einzelbewerber an den Start gehen zu können. Was springt dabei heraus? Sylt zahlt dem Bürgermeister ein Bruttomonatsgehalt von rund 6500 Euro und stellt eine Sechs-Zimmer-Dienstwohnung am Strandübergang Himmelsleiter. Das klingt wie Urlaub. Da sollte selbst ein gelegentlicher Ausbruch von Ekke Nekkepen zu verkraften sein – dem Meergott, der laut Sage hin und wieder Unheil über die Insel bringen soll.