Bei der Energiewende rückt die Frage nach der Geschwindigkeit immer mehr in den Fokus. EU-Kommissar Oettinger fordert ein Tempolimit.

Büdelsdorf. Der EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger, hat sich für ein Tempolimit bei der Energiewende ausgesprochen. „Wir brauchen eine Geschwindigkeitsbegrenzung beim weiteren Ausbau von Wind- und Solaranlagen“, sagte Oettinger auf dem Energieforum Schleswig-Holstein am Donnerstag in Büdelsdorf bei Rendsburg vor rund 550 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Oettinger begründete dies vor allem damit, dass eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Strom gesichert sein müsse. Dies sei insbesondere für die Industrie in Deutschland entscheidend.

Ob sich mit Wind und Sonne Strom erzeugen lasse, „das entscheidet für Christenmenschen der liebe Gott und sonst der Wetterfrosch“, mahnte Oettinger. Es sei deshalb fraglich, wieweit die erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit gewährleisten könnten. Denn: Strom lasse sich noch nicht richtig speichern. Oettinger reagierte mit seinen Forderungen auch auf die Diskussion um ehrgeizige Ziele der Bundesländer beim Ausbau erneuerbarer Energien. Werden die Pläne verwirklicht, läge der Ökostromanteil bis 2020 bundesweit bei rund 50 Prozent. Die schwarz-gelbe Bundesregierung strebt 35 Prozent an.

+++ Gegenwind aus dem Norden: Altmaier in der Kritik +++

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte bereits eine Begrenzung beim Anlagenausbau angeraten. Dabei ging es auch um Quoten für einzelne Länder, die den Ausbau im Norden gefährden könnten. Im windreichen Schleswig-Holstein waren die Ideen auf harsche Kritik gestoßen. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sagte: „Ich warne davor, den Ausbau der Energiewende zu bremsen.“ Er wolle vielmehr die Ausweisung der neuen Windeignungsgebiete im Norden beschleunigen, „damit dort möglichst schnell die ersten Windkraftanlagen gebaut werden können“. Dazu brauche man den „schnellstmöglichen Netzausbau“. Seit Jahren klaffe eine Lücke zwischen dem Ausbau der Netze und der Anlagen.

Weil Netze nicht aufnahmefähig genug waren, um Ökostrom einzuspeisen, fielen im Norden 2010 bereits Kosten für Entschädigungszahlungen im zweistelligen Millionenbereich an. Sündenbock in der Diskussion ist häufig der niederländische Netzbetreiber Tennet, zuständig für den Netzausbau im Norden. Martin Fuchs, Vorsitzender der Geschäftsführung von Tennet Deutschland, sagte: „Wir sind der Prügelknabe der Nation. Dabei engagiert sich kaum einer so sehr für den Netzausbau wie wir.“ Dass der Netzausbau nicht so schnell voranschreite wie der Ausbau von Wind- und Solaranlagen liege vor allem an langwierigen Genehmigungsverfahren.

Bis 2015 will Schleswig-Holstein seine Öko-Stromproduktion von derzeit rund 4000 Megawatt mit Onshore-Windanlagen auf 9000 Megawatt erhöhen. Sollte der Netzausbau nicht schnell genug vorankommen, um Strom, der im Norden nicht verbraucht wird, abzutransportieren, sei dann mit Kosten etwa in Höhe von rund 100 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen im Norden zu rechnen, warnte Fuchs. Ähnlich wie von Altmaier gefordert, müssten Anlagenbau und Netzausbau synchronisiert werden. „Der Netzausbau bestimmt das Tempo der Energiewende“, betonte der Tennet-Geschäftsführer.

Rund 600 Netzkilometer soll das staatliche Unternehmen an der Ost- und Westküste in Schleswig-Holstein neu bauen, dazu kommt der Netzanschluss für den Offshore-Bereich. Auf See sollen bis 2020 Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 10 000 Megawatt installiert werden. Bisher sind es Fuchs zufolge nur rund 170 Megawatt. Tennet habe bereits Netzanschlüsse mit Kapazitäten für 460 Megawatt installiert – mehr als bisher nötig. (dpa)