Wedel. Robert Habeck feierte im Sommer am Kohlekraftwerk Eröffnung. Doch die Öko-Fernwärme läuft schleppend an. Das sagen die Energiewerke.
Mehr als ein halbes Jahr nach der feierlichen Eröffnung der Power-to-Heat-Anlage auf dem Gelände des Kohleheizkraftwerks in Wedel läuft die Versorgung von tausenden Haushalten im Hamburger Westen mit umweltfreundlicher Fernwärme noch nicht wie geplant. Bisher ist am neuartigen Kraftwerk an der Elbe erst sehr wenig Wind zu Fernwärme umgewandelt worden.
Auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion teilte der zuständige Hamburger Senat Ende November des Vorjahres mit: „Die Anlage wurde noch nicht in Betrieb genommen.“ Laut eines Artikels der Wochenzeitung „Die Zeit“ lief zu jener Zeit nicht einmal der Probedurchlauf, der vor der endgültigen Inbetriebnahme stehe, rund.
Wedel: Power-to-Heat-Anlage mit Problemen im Probebetrieb
Im November 2023 soll die komplexe Power-to-Heat-Installation, die überschüssige Windenergie in einer Art Wasserkocher verdampft und in Wärme transformiert, gerade einmal zwei Tage zu Testzwecken gelaufen sein. Eigentlich sollte die Anlage – der sogenannte Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz hat gut 31,5 Millionen Euro investiert – schon im Jahr davor den Probebetrieb starten, doch es habe technische und bauliche Probleme gegeben.
Bei der Eröffnungsfeier im Juni 2023 wurde zugesichert, dass durch die Erzeugung von Wärme dieser Art jährlich 100.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden können, und zwar durch weniger Verbrennung der Kohle am Wedeler Heizkraftwerk. Vor allem die Art und Weise der mangelhaften Kommunikation in der Folge stört nun auch die Wedelerin Kerstin Lueckow, die in unmittelbarer Nachbarschaft des alten Kraftwerks wohnt und sich als Sprachrohr der örtlichen Gegeninitiative einen Namen gemacht hat.
Einsparung von Kohle: „Wenn so etwas nicht klappt, kann gern darüber gesprochen werden“
„Wenn etwas nach solchen großen Ankündigungen nicht wie geplant klappt, kann aus meiner Sicht auch gern öffentlich darüber gesprochen werden“, sagt sie. Es sei eben Fakt, dass die Power-to-Heat-Anlage monatelang nicht gelaufen sei. „Da kann man sich ja durchaus schon veräppelt vorkommen. Wenn man so etwas vollmundig zusagt, dann sollte es auch eingehalten werden“, sagt Lueckow.
Denn: Bei der Zeremonie im Juni 2023 waren unter anderem Bundesumweltminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und seine Partei-Kollegen, Hamburgs Umwelt-Senator Jens Kerstan und Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt, am Wedeler Kohlekraftwerk zugegen, um einen Schritt in die ökologische Energiewende zu feiern.
Überschüssige Energie von Windrädern wird in solchen Anlagen in Wärme umgewandelt
Wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien kommt es inzwischen bundesweit immer wieder dazu, dass zu viel produzierter Strom nicht genutzt werden kann. Bislang werden zum Beispiel Windräder im Norden in windreichen Monaten ab Herbst oder bei Stürmen abgeschaltet, obwohl diese überschüssige Energie zum Beispiel in Anlagen wie in Wedel für die Wärmeerzeugung genutzt werden könnte.
Lueckow legte sich mit einer Wedeler Bürgerinitative über Jahre hinweg mit den Betreibern des ältesten Kohlekraftwerks Deutschlands an, das zwischen 1961 und 1965 erbaut worden war. Anschließend wurde es zwar schrittweise modernisiert, aber Streitthema waren immer wieder die von den Schornsteinen ausgestoßenen Ätzpartikel. Dieses Problem habe der Kraftwerksbetreiber, die Hamburger Energiewerke, glücklicherweise komplett in den Griff bekommen.
Kann das Kohlekraftwerk Ende 2025 wirklich in den Reservebetrieb gehen?
Nun drohen wegen der Verzögerungen bei der Erzeugung umweltfreundlicher Energie erneut Probleme am Kohlekraftwerk. Lueckow frage sich, ob jetzt wegen der Verspätungen in Wedel oder auch bei Hamburger Projekten überhaupt noch verlässlich bisher gemachte Ankündigungen eingehalten werden könnten und ob das Kohlekraftwerk – wie bisher geplant – Ende 2025 wirklich in den Reservebetrieb gehen könne.
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Auch die Wedeler SPD-Ratsfraktion hat einige Fragen an die Wedeler Verwaltung, die auf der kommenden Sitzung des Umwelt-, Bau- und Feuerwehrausschusses (UBF), an diesem Donnerstag, 11. Januar, gestellt werden. Die Verwaltung möge sich gegebenenfalls für die Beantwortung auch mit den Hamburger Energiewerken auseinandersetzen.
Auch das Abendblatt hat den Energiewerken vorab Fragen gestellt, etwa, ob es schon ein Zeitfenster für die endgültige Inbetriebnahme der Anlage gebe. Sprecherin Friederike Grönemeyer sagt: „Die Power-to-Heat-Anlage ist mit Beginn der Heizperiode in den Probebetrieb gegangen. Sie wurde erstmals im November an zwei Tagen (22. und 23.) von 50 Hertz angefordert und erfolgreich gefahren. Der Probebetrieb wurde im vergangenen Monat abgeschlossen. Im Dezember ist die Anlage mehr als 170 Stunden gelaufen.“
Power-to-Heat-Anlage werde „maßgeblich in der Heizperiode betrieben“
Es sei zudem wichtig zu wissen, dass Wärmebedarf gegeben sein müsse, damit die gewünschte Leistung in das Fernwärmenetz auch tatsächlich eingespeist werden könne. Deshalb sei laut Grönemeyer der Probebetrieb im Herbst gestartet worden und aus diesem Grund „wird die Anlage maßgeblich in der Heizperiode betrieben“.
Wird oder wurde bereits wie angekündigt der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid reduziert? „Sobald die Power-to-Heat-Anlage läuft, sparen wir Kohle ein und senken damit die CO2- Emissionen. Eine genaue Auswertung des Anlagenbetriebs und den damit verbundenen Einsparungen von Kohle und CO2-Emissionen erfolgt im Unternehmen in regelmäßigen Intervallen, liegt aber derzeit noch nicht vor. „
„Jahresbetriebsstunden hängen stark vom Wetter sowie der Anlagenverfügbarkeit und -fahrweise ab“
Generell lasse sich jedoch sagen: „Die Power-to-Heat-Anlage in Wedel stärkt die Systemsicherheit der Stromversorgung, auf Anforderung von 50Hertz wird sie von uns gestartet. Daher hängen die Jahresbetriebsstunden stark vom Wetter sowie der Anlagenverfügbarkeit und -fahrweise ab. Beides ist nur schwierig zu prognostizieren“, erklärt Grönemeyer.
Anhand der Redispatch-Daten von 50 Hertz aus den vergangenen Jahren seien rund 1.500 Betriebsstunden und etwa 120 GWh pro Jahr möglich. Mit Redispatch ist die Anpassung der Einspeisungsleistung durch einzelne Kraftwerke gemeint. Laut 50Hertz würden die Hamburger Energiewerke in der Regel bei jedem Redispatch angefordert.
Heizkraftwerk Wedel: Durch Power-to-Heat soll CO2 und Kohle gespart werden
„In unseren Prognosen gehen wir aktuell von einer jährlichen Einsparung von etwa 100.000 Tonnen CO2-Emissionen und einer Einsparung von 50.000 Tonnen Kohle aus. Diese Angaben beziehen sich auf angesetzte 1000 Betriebsstunden“, so die Energiewerke-Sprecherin. Laut Grönemeyer kann der für Ende 2025 avisierte Termin für den Reservebetrieb des Wedeler Kohlekraftwerks gehalten werden.
Die Wedeler Sozialdemokraten, federführend Wolfgang Rüdiger und Rainer Hagendorf, der aus der Grünen-Fraktion zur SPD gewechselt ist, möchten in ihrem am Donnerstag gestellten Antrag wissen, ob die Verwaltung Kenntnis von den Verzögerungen hatte und wann diese im Ja-Fall die Politik darüber informiert habe. Auch Details zu den technischen und baulichen Problemen möchte die SPD genannt bekommen.
Darüber hinaus soll die Verwaltung in Wedel die Politik über die Dauer des Probebetriebs und den Startzeitpunkt des Regelbetriebs informieren und in Erfahrung bringen, ab wann die zugesagte Reduzierung der Kohleverbrennung um 100.000 Tonnen jährlich eingehalten werden könne.
Nach Betonwerk-Schließung: Läuft das Kraftwerk trotzdem im Sommer weiter?
Das zum Jahreswechsel geschlossene Betonwerk von Xella sei vom Heizkraftwerk mit Wärme versorgt worden. Die Energiewerke Hamburg hätten als Betreiber wiederholt für die Sommermonate angegeben, dass durch einen Stillstand des Kraftwerks alternativ das Betonwerk mit einem Hilfserzeuger, betrieben mit Öl, versorgt hätte werden müssen.
Die SPD hat nun die Hoffnung, dass nun wenigstens in den Sommermonaten wegen der bedauerlichen Schließung des Betonwerks weniger Kohle verbrannt werden könnte. Gegenüber dem Abendblatt betont Sprecherin Grönemeyer, dass die Schließung keine Auswirkungen auf den Sommerfahrplan des Kraftwerks habe.
Dazu hätten die Sozialdemokraten gern Informationen über mögliche Verschiebungen im Zeitplan beim Bau des Energieparks Hafen in Hamburg und des Fernwärmetunnels unter der Elbe, die nach Fertigstellung die Nutzung der Kohle in Wedel endgültig überflüssig machen sollen.
Laut Bundesumweltamt lag die sogenannte Jahresabgasfracht des Kohlekraftwerks Wedel im Jahr 2022 bei exakt 1,27 Millionen Tonnen CO2, 755.000 Kilo Schwefeloxiden, 734.000 Kilo Stickoxiden und 13 Kilo Quecksillber. Da laut Lueckow oft Westwinde vorherrschten, würden diese umweltschädlichen Abgase neben Teilen Wedels vor allem auch im Hamburger Westen verteilt werden.