Wedel. Am ältesten Kohlemeiler der Republik gibt es nun eine der modernsten „Power-to-heat“-Anlagen. Da kam auch der Wirtschaftsminister.

Nach fünf Jahren Bauzeit ist die neue Wind-zu-Wärme-Anlage im Heizkraftwerk Wedel im Beisein von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fertiggestellt worden. „Das ist ein Meilenstein für die Hamburger Energiewende“, jubelte Kirsten Fust bei der offiziellen Einweihung. Sie ist Technische Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke, die das bislang ausschließlich mit Kohle betriebene Heizkraftwerk an der Elbe betreiben.

Erstmals wird hier Windstrom aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen, der sonst abgeregelt und nicht genutzt wird, zur klimaschonenden Wärmeerzeugung genutzt. 27.000 Hamburger Haushalte können damit künftig CO-2-frei heizen und duschen.

Robert Habeck setzt in Wedel „grünen Meilenstein“ für Energiewende

Und auch die Bürgerinnen und Bürger in Wedel könnten an dieses umweltfreundliche Fernwärmenetz angeschlossen werden, kündigte Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan auf Nachfrage von Petra Kärgel von der Grünen-Ratsfraktion in Wedel an. „Auch die Stadt Wedel soll davon profitieren. Wir sind offen für weitere Kooperationen.“ Sein Amtskollege aus Kiel, Umweltminister Tobias Goldschmidt, sagte: „Ich habe große Lust, mit Jens Kerstan darüber zu sprechen.“

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan freue sich auf den Nutzen der neuen Technologie.
Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan freue sich auf den Nutzen der neuen Technologie. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs,

Die offizielle Vorstellung und Begehung der Anlage vor etwa 100 geladenen Gästen und Medienvertretern verzögerte sich um mehr als eine Stunde. Bundesumweltminister Robert Habeck, der mit dem ICE aus Berlin nach Hamburg angereist war, hatte Verspätung.

Als er dann das letzte Stück über die Stadt- und Landesgrenze mit dem Auto absolvierte, war er froh, endlich mal wegen eines umweltfreundlichen Themas zu einem der ältesten Heizkraftwerke der Republik an die Elbe gerufen worden zu sein.

Bundeswirtschaftsminister Habeck: Sonst gab es oft Ärger hier in Wedel

„Sonst gab es oft Ärger hier“, erinnerte sich Habeck an seine Zeit als Umweltminister in Kiel. Damals musste er Anwohner wegen der Schadstoffausstöße des Kohlekraftwerks beruhigen. Ähnlich äußerte sich sein Amtsnachfolger Goldschmidt. Aber nun werde hier endlich die „Dekarbonisierung der Wärmeversorgung“ eingeläutet, die ohne den Ausstoß von Kohlendioxid auskomme, stellte Minister Habeck fest.

Allein in Wedel würden nun durch den Ersatz fossiler Brennstoffe durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger bis zu 100.000 CO2 im Jahr nicht mehr in die Atmosphäre ausgestoßen. Das werde bei der öffentlichen Diskussion um die Wärmepumpen-Heizungen oft vergessen: Fernwärmenetze seien „viel effizienter und verbraucherfreundlicher“ als jede Einzelbefeuerungsanlage eines Mietshauses.

„Noch brauchen wir hier den Dinosaurier, das Kohlekraftwerk in Wedel“

„Noch brauchen wir hier den Dinosaurier, das Kohlekraftwerk in Wedel“, ergänzte Minister Goldschmidt. „Aber mit Sieben-Meilen-Stiefeln verabschieden wir uns von der fossilen Welt, indem wir aus grünem Windstrom klimafreundliche Wärme erzeugen.“ 30 solcher Anlagen gebe es inzwischen in Deutschland, sagte Habeck. „Die hier in Wedel ist eine der größten.“ Viele weitere sollen folgen.

Die Anlagen erzeugen aus erneuerbaren Energien von Sonne, Wind, Geothermie oder Biomasse neue Wärme. Das sei viel effektiver als der „Umweg“, fossile Energieträger erst durch Wasserstoff in grüne Energie umzuwandeln.

Habeck: Schleswig-Holsteiner sollen die Energiewende nicht allein tragen

Zudem würde hier der Anfang dafür geschaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein nicht mehr allein die Energiewende in Deutschland finanzieren müssten, kündigte Minister Habeck an. Denn der erzeugte Windstrom, der aufgrund überlasteter Netze sonst verpufft und nicht ins Netz eingespeist werden darf, belaste hierzulande trotzdem die Strompreise.

Zeit für die Basis, Zeit für Selfies: Robert Habeck  mit Dagmar Süß (v.l.), Bärbel Sandberg und Petra Kärgel (alle von den Grünen Wedel).
Zeit für die Basis, Zeit für Selfies: Robert Habeck mit Dagmar Süß (v.l.), Bärbel Sandberg und Petra Kärgel (alle von den Grünen Wedel). © Privat | Privat

Durch die neue Nutzung des bislang abgeregelten Windstroms würden die hiesigen Haushalte entlastet. „Nutzen statt abschalten“, sei das Motto, so Habeck. „Dieses Problem soll für die Schleswig-Holsteiner gelöst werden.“ Auch durch gesetzliche Regelungen, versprach der Bundeswirtschaftsminister.

So funktioniert die neue „Power-to-heat“-Anlage

Die neudeutsch „Power-to-Heat“ genannte Anlage im Heizkraftwerk Wedel funktioniere ähnlich wie ein Tauchsieder zu Hause, erklärte die Technische Leiterin Kerstin Fust. Der abgeregelte Windstrom heize zwei große Kessel, die mit jeweils 23.000 Litern Wasser gefüllt seien, auf bis zu 138 Grad Celsius auf.

Das heiße Wasser würde dann in das Fernwärmenetz in den Hamburger Westen gespeist. Allerdings erst dann, wenn es auch genügend Abnehmer dafür gebe, was wohl erst im Herbst der Fall sein werde, wenn es wieder kälter werde, erklärte die Geschäftsführerin. „Wir brauchen den abgeregelten Windstrom und wir brauchen genügend Abnehmer und Wind.“

Die Investitionskosten von 31,5 Millionen Euro hat der Netzbetreiber 50Hertz getragen. Dieses Geld wolle er in fünf Jahren durch die Vergütung für den abgeregelten Windstrom wieder reinholen, sagte der Geschäftsführer Stefan Kapferer.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besuchte am Donnerstag die neue Wind-zu-Wärme-Anlage im Heizkraftwerk Wedel an der Elbe mit Kiels Umweltminister Tobias Goldschmidt, Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan und Geschäftsführer Stefan Kapferer vom Netzbetreiber 50-Hertz, begrüßt von Kirsten Fust, der Technischen Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besuchte am Donnerstag die neue Wind-zu-Wärme-Anlage im Heizkraftwerk Wedel an der Elbe mit Kiels Umweltminister Tobias Goldschmidt, Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan und Geschäftsführer Stefan Kapferer vom Netzbetreiber 50-Hertz, begrüßt von Kirsten Fust, der Technischen Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs,

„Wir schlagen hier zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Power-to-Heat-Anlage trägt zum einen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung bei und stärkt zum anderen die Systemsicherheit der Stromversorgung insgesamt, indem mehr erzeugter erneuerbarer Strom auch tatsächlich verbraucht wird.“ Das sei nicht nur klimapolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich der richtige Weg. „Heute ist ein guter Tag für die Energiewende.“

Das Kohlekraftwerk wird wohl erst im Jahr 2026 abgeschaltet

Den Anwohnern, die seit Jahren wegen der schlechten Luft durch das Kohlekraftwerk klagen, versprach Geschäftsführerin Kisten Fust, dass es spätestens 2026 abgeschaltet werde. „Vielleicht auch schon 2025.“ Das hänge davon ab, wie schnell die Ersatzanlage auf der Dradenau fertiggestellt werden könnte, für die zurzeit ein Fernwärmetunnel unter der Elbe gebaut wird. Bis dahin könnten durch die neue Wind-zu-Wärme-Anlage bis zu 50.000 Tonnen Kohle im Jahr eingespart werden.