Wedel. Wedeler möchten Fernwärme vom Heizkraftwerk gern auch selbst nutzen. Stadtwerke-Chef erläutert, was dagegen spricht.

Beim Thema Energieversorgung herrscht große Verwirrung – auch die Bundesregierung kann sich nicht geräuscharm auf eine gemeinsame Linie in Bereichen wie Gasheizung, Fernwärme oder den Zeitpunkt eines verbindlichen Heizungstausches festlegen. Gemeinden wie Wedel sollen einen kommunalen Wärmeplan erstellen. Doch worum geht es dabei eigentlich genau?

Viele Fragen zur Zukunft des klimafreundlichen Heizens sind noch offen. Wedels Stadtwerke-Geschäftsführer Jörn Peter Maurer hat nun in einer Mitteilung des Unternehmens Fragen dazu beantwortet und erläutert, wie der kommunale Versorger die Herausforderungen in Wedel angehen will.

Dabei geht es auch um das Heizkraftwerk in Wedel, das nun entgegen aller Beteuerungen doch bis Ende 2026 am Netz bleiben soll – und bis dahin durch die Verbrennung von Kohle die Umwelt erheblich belastet.

Wärmewende in Wedel: Stadtwerke-Chef Jörn Maurer beantwortet Fragen

In Wedel war vor dem von der Bundespolitik geplanten Verbot von Gasheizungen immer wieder die Idee aufgekommen, die Stadt an das Fernwärmenetz anzuschließen. Schließlich versorgt das Heizkraftwerk in Wedel bereits ohnehin den Hamburger Westen. Wedel könne sich doch einfach dort anschließen lassen.

Kraftwerk Wedel: Bei der Power-to-Heat-Anlage sind sechs Elektroden mit ihren Starkstromanschlüssen auf der Kesselanschlussbühne installiert. Mit einer Leistung von 80 Megawatt Leistung zählt diese Anlage nach Angaben der Hamburger Energiewerke zu den größten Deutschlands.
Kraftwerk Wedel: Bei der Power-to-Heat-Anlage sind sechs Elektroden mit ihren Starkstromanschlüssen auf der Kesselanschlussbühne installiert. Mit einer Leistung von 80 Megawatt Leistung zählt diese Anlage nach Angaben der Hamburger Energiewerke zu den größten Deutschlands. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Maurer: „Die Idee liegt tatsächlich auf der Hand! Wir haben bereits vor etwa vier Jahren, kurz nach meinem Amtsantritt in Wedel, erste Gespräche hierzu mit dem Hamburger Kommunalversorger Wärme Hamburg – heute fusioniert zu den Hamburger Energiewerken – geführt.“

Heizkraftwerk: Kein Anschluss von Wedel ans Wärmenetz möglich

Doch den Stadtwerken sei erläutert worden, dass ein Anschluss Wedels aus verschiedenen technischen Gründen nicht oder nur mit sehr großem Aufwand zu realisieren wäre.

„Denn die Temperaturen und der Druck in den Leitungen sind auf einen zig-kilometerlangen Wärmetransport in den Hamburger Westen konzipiert, nicht auf eine Versorgung im Wedeler Nahbereich“, so Maurer.

Power-to-Heat in Wedel: Zu sehen ist einer von zwei Elektrokesseln, die Wind in Wärme umwandeln und dann über Leitungen unter der Elbe nach Hamburg schicken.
Power-to-Heat in Wedel: Zu sehen ist einer von zwei Elektrokesseln, die Wind in Wärme umwandeln und dann über Leitungen unter der Elbe nach Hamburg schicken. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Sowohl Temperatur als auch Druck müssten mit hohem Aufwand gedrosselt werden, um im Wedeler Leitungsnetz aufgenommen werden zu können.

Der Wedeler Stadtwerke-Geschäftsführer Jörn Peter Maurer spricht über die kommunale Wärmeplanung in Wedel.
Der Wedeler Stadtwerke-Geschäftsführer Jörn Peter Maurer spricht über die kommunale Wärmeplanung in Wedel. © KERSTIN SEIPT

„Das wiederum würde diese Lösung ineffizient werden lassen. Zudem wollte Hamburg Wärme angesichts des absehbaren Laufzeitendes der Anlage verständlicherweise keine neuen Investitionen tätigen wollen“, sagt der Stadtwerke-Chef.

Power-to-Heat-Anlage ist nur für den Hamburger Wärmebedarf ausgelegt

Inwiefern das alte Kohlekraftwerk irgendwann einen modernen Nachfolger erhält, vermag nur Hamburg Wärme zu sagen. Die in Betrieb genommene Power-to-Heat-Anlage sei lediglich zur Unterstützung des Hamburger Wärmebedarfes ausgelegt.

Wedel: Betriebsleiter Jakobus Gäth (2. v. l.) zeigt Klimaschutz-Bundesminister Robert Habeck im Juni die neue Power-to-Heat-Anlage.
Wedel: Betriebsleiter Jakobus Gäth (2. v. l.) zeigt Klimaschutz-Bundesminister Robert Habeck im Juni die neue Power-to-Heat-Anlage. © Burkhard Fuchs

Gespräche über mögliche Synergien würden aber weiterhin geführt. „Wir müssen eigene Erzeugungskapazitäten für die Fernwärme aufbauen und das machen wir seit Jahren kontinuierlich. Schon 1990 haben wir unser erstes Blockheizkraftwerk an der Bekstraße in Betrieb genommen. Mittlerweile sind es zehn BHKW-Anlagen“, sagt er. Aktuell ist das Fernwärme-Leitungsnetz in Wedel circa sieben Kilometer lang.

Power-to-Heat-Anlage ist nur für den Hamburger Wärmebedarf ausgelegt

„Wärme-Inseln“ gebe es laut Maurer am Steinberg, am Langenkamp und an der Bekstraße. Etwa 100 Fernwärme- plus circa 80 sogenannte Wärme-Contracting-Kunden nutzen das Wärmeangebot der Stadtwerke Wedel. Maurer: „Weil viele Mehrfamilienhäuser dazugehören, kommen wir bis dato auf rund 900 Haushalte.“

Welche ökologisch sinnvollen Alternativen gibt es aus Maurers Sicht für die Erdgas-Heizung? Neben der zentral erzeugten Fernwärme sei es die dezentral, im Gebäude selbst installierte Wärmepumpe, so der Stadtwerke-Chef. Im Optimalfall werde diese mit Ökostrom betrieben.

Doch gerade der Umbau in älteren Häusern sei mit umfassenden Sanierungsmaßnahmen verbunden. Das sei teuer, sofern überhaupt Handwerker gefunden werden können. Die Stadtwerke würden daher auf einen deutlichen Ausbau der Fernwärme sorgen.

Wärmepumpen sind teuer – Stadtwerke Wedel setzen auf Fernwärme

„Das ist teuer – wenn man denn überhaupt Handwerker für den Umbau findet. Die Stadtwerke Wedel setzen daher auf einen deutlichen Ausbau der Fernwärme. „Das zukünftige Fernwärmenetz wird nicht jeden Haushalt in Wedel versorgen können. Für ein Einfamilienhaus in Einzellage, weit entfernt vom Innenstadtbereich, wäre der Netzausbau unverhältnismäßig teuer“, erklärt Maurer. Solch ein Wärmenetz könne bezahlbare Wärme nur in dichter besiedelten Ortsteilen liefern.

Solche Fernwärmeleitungen werden unterirdisch verlegt. Auch in Wedel werden bereits gut 900 Haushalte über Fernwärme geheizt (Symbolbild).
Solche Fernwärmeleitungen werden unterirdisch verlegt. Auch in Wedel werden bereits gut 900 Haushalte über Fernwärme geheizt (Symbolbild). © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Der erste Schritt für die Planung ist gemacht: Die Stadtverwaltung hat in diesem Jahr die Arbeiten an einem kommunalen Kälte- und Wärmeplan begonnen. Darin werden beispielsweise Daten über Wärmebedarf und Energieverbräuche von Gebäuden und weitere energie-relevante Prognosen und Daten festgehalten. Für die meisten Kommunen ist solch ein Plan in diesem Jahr bundesweit verpflichtend.

Wärmepumpen sind teuer – Stadtwerke Wedel setzen auf Fernwärme

Möglicherweise könne das Konzept „bereits Ende 2023 vom Rat verabschiedet werden“, wenn alles nach Plan verläuft. Es folgt ein Transformationsplan, 2025 könnte es wirklich losgehen. Erst jedoch müssten die endgültigen Ergebnisse der Planungen abgewartet werden.

Allerdings: „Aufgrund der Bebauungsstruktur, des Alters der Gebäude und der Bebauungsdichte werden sich zumindest technisch große Teile von Wedel für eine Fernwärmelösung anbieten. Wie umfassend dann der Ausbau der Fernwärme wirtschaftlich sinnvoll erfolgen kann, hängt auch von dem Umfang und der Art der Förderung durch den Bund und das Land Schleswig-Holstein ab“, sagt Maurer.

Stadtwerke-Chef fordert finanzielle Unterstützung für den System-Bau

Er kritisiert: „Allen Beteiligten und politischen Entscheidern müsste eigentlich klar sein: Der vollständige Umbau eines sicheren, technisch einwandfrei funktionierenden, weil permanent gepflegten und instand gehaltenen fossilen Energiesystems kann nicht ohne umfassende finanzielle Hilfen gelingen.“

Die staatlich regulierten Netzentgelte für die Strom- und Gasnetze seien so berechnet, dass das Geld gerade eben reiche, um den sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten, so der Geschäftsführer.

Maurer: „Parallel einen flächendeckenden Neubau eines neuen Energieversorgungssystems mit neuen Wärmeleitungen und ökologischer Energieerzeugung zu finanzieren, wird so ganz sicher nicht möglich sein.“ Politik und die Ministeriumsbürokratie in Berlin würden die Sache nicht leichter machen, mahnt Maurer.

Jeder könne sehen, „welch schwere Geburt das Heizungsgesetz ist“

Jeder könne in den Nachrichten verfolgen, welch schwere Geburt das Heizungsgesetz ist. Der Stadtwerke-Chef: „Wir begrüßen sehr, dass das Gesetz aus dem Wirtschaftsministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes noch nicht beschlossen wurde und so mehr Zeit bleibt, über unsere Verbände und Interessenvertretungen unsere Expertise einzubringen.“

Diese sei jedoch erstaunlicherweise bei den Bundesministerien in der Vergangenheit etwa bei „Fragen rund um die Gasspeicherumlage, die Dezemberhilfe und die Energiepreisbremse“ von erstaunlich geringem Interesse gewesen. Jörn Maurer erstaunt es ebenfalls, wie wenig abgestimmt die Positionen von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wirken.

Neue Heizung in Wedel? Nach Möglichkeit lieber warten

Er empfiehlt, Wedelern, die eine neue Heizung brauchen, noch nach Möglichkeit ein Jahr zu warten, ehe sich abzeichnet, welche Lösung möglich sein könnten.

Maurer: „Leider bewegen wir uns gerade in einer kritischen Phase des Übergangs, in der teilweise jetzt bereits Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen, ohne die entsprechend Entscheidungshilfe in der Hand zu haben.“

Wärmewende: Wärmepumpe von Obdachlosenunterkunft kann auch Standort wechseln

Ein gutes Beispiel sei der zuletzt im Rat beschlossene Bau einer Wärmepumpe an der Obdachlosenunterkunft am Steinberg. „Hier liegen wir mit unserer Fernwärme in unmittelbarer Nähe, aber erst mit den abschließenden Planungen und der Realisierung einer „großen Fernwärmelösung“ können wir einen entsprechenden Fernwärmeanschluss gewährleisten.“

Doch: Die dort eingesetzte Technik könne bei einem späteren Fernwärmeanschluss auch in anderen städtischen Immobilien weiterverwendet werden, erklärt Maurer.