Wedel. Noch vor dem Bürgerentscheid spricht sich Politik-Allianz für das Bauprojekt aus – und erntet Kritik von den Wedel-Nord-Gegnern.

Die Entscheidung liegt nun bei den wahlberechtigten Wedelern. Am Sonntag, 8. Oktober, findet der Bürgerentscheid zur Bebauung des Entwicklungsgebietes Wedel Nord statt. Doch wie schon zuvor ehemalige Wedeler Politiker, die sich viele Jahre mit dem Projekt beschäftigt hatten, ist nun auch die politische Mehrheit im aktuellen Rat für eine Fortführung der Bauplanungen.

Die Bürgerinitiative „Nein zu Wedel Nord“ hatte zuvor ausreichend Unterschriften für den entscheidenden Bürgerentscheid gesammelt. Entweder es kommt zu einem zweijährigen Planungsstopp – das ist das Anliegen der Wedel-Nord-Gegner – oder die Planung wird weitergeführt.

Wedel Nord: Dauer-Zoff um Megaprojekt mit 1000 Wohnungen

Die Investoren Semmelhaack und Rehder möchten auf 53 Hektar Land im Norden der Stadt bauen – auf größtenteils ehemaligen Baumschulflächen sollen in zwei Bauabschnitten bis zu 1000 Wohnungen entstehen. Im ersten soll zunächst knapp die Hälfte davon gebaut werden.

In einer gemeinsamen Mitteilung sprechen sich die Wedeler Ratsfraktionen CDU, SPD und FDP sowie Die Linke, die nach Verlusten bei der Kommunalwahl keinen Fraktionsstatus mehr hat, für das Instrument des Bürgerentscheids aus. Dies sei auf der Ratssitzung am 13. Juli mehrheitlich beschlossen worden. Die Grünen und die WSI – die Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Inititative – stimmten für den sogenannten Abhilfebeschluss, der direkt zum Planungsstopp geführt hätte.

Bürgerinitiative sammelt mehr als 2200 Unterschriften

Dazu sagt Steffen Haubner, Sprecher der Bürgerinitiative Nein zu Wedel Nord: „Der Bürgerentscheid wurde nicht von CDU, SPD, FDP und der Linken ‘beschlossen’, sondern von mehr als 2200 Wedelerinnen und Wedelern mit ihren Unterschriften durchgesetzt.“

Es läge in der Natur der Sache eines Bürgerentscheids, dass er sich gegen die Beschlusslage der Politik richten würde, so Haubner. „Der Bürgerentscheid wurde notwendig, weil wir als Bürgerinitiative ebenso wie Tausende Bürgerinnen und Bürger kein Vertrauen in die Entscheidungsträger in Sachen Wedel Nord haben“, erklärt er.

Wedel Nord: „Es wäre ratsam, die Zeit für eine Überarbeitung zu nutzen“

Die Fraktionsvorsitzenden Julia Fisauli-Aalto (CDU), Stefan Grasedieck (SPD), Nina Schilling (FDP) und Dr. Detlef Murphy von den Linken heben den basisdemokratischen Gedanken des Bürgerentscheides hervor, positionieren sich inhaltlich aber klar.

„Es ist für alle Parteien nicht nachvollziehbar, warum in den nächsten zwei Jahren keine Planungen für Wedel Nord erfolgen sollen. Vielmehr wäre es ratsam, die Zeit zu nutzen, um neue Komponenten zu den Themen Verkehrsführung, Schulen, Kitas, Klima und Zielgruppen in eine Überarbeitung einfließen zu lassen“, heißt es in der Mitteilung.

Gegner von Wedel Nord sind von einigen Aussagen der Befürworter überrascht

Das überrascht Angela Drewes, Vorsitzende der WSI. „Wir als WSI sind schon erstaunt über die Argumentation der Wedel-Nord-Befürworter. Auf der einen Seite unterstützen sie angeblich den Bürgerentscheid als ein basisdemokratisches Mittel. Auf der anderen Seite stellen sie klar, dass die Inhalte des Bürgerentscheids aus ihrer Sicht unsinnig sind und tun sogar so, als würde die WSI das genauso sehen.“

Das stimme bekanntermaßen nicht: „Die WSI steht klar hinter den Forderungen der Bürgerinitiative zum Planungsstopp in Wedel Nord.“ Haubner ist ebenso irritiert: „Wenn es nun heißt, diese Position sei für alle Parteien nicht nachvollziehbar, so unterschlägt das zudem die Meinung der WSI und der Grünen, dass ein ,Augen zu und durch’ völlig unverantwortlich wäre.“ Dies sei zudem eine Meinung, der sich inzwischen auch Bürgermeister Gernot Kaser angeschlossen habe.

Wedel: Bezahlbarer Wohnraum in gut durchdachtem und großzügigem Baugebiet

Laut den Verfassern des Schreibens sei die eigentliche Planungsarbeit mit entscheidenden Beschlüssen bislang noch nicht erfolgt. Wedels Politik sowie die Verwaltung hätten laut den Fraktionen jeden Gestaltungsspielraum, um die beste Lösung für dieses Bauvorhaben, im Sinne der Wedelerinnen und Wedeler zu entwickeln.

Das möchte Haubner so nicht stehen lassen: „Wenn in der Pressemitteilung der Parteien nun der Eindruck erweckt wird, es gebe noch gar keine Planung, so muss das verwundern und wirft die Frage auf, wie der detaillierte Rahmenplan überhaupt entstanden ist.“

Wedel Nord-Gegner: Es gibt keine „vernünftige Verkehrsanbindung“

Wie ein neuer Stadtteil ohne vernünftige Verkehrsanbindung funktionieren solle, sei nach jahrelanger Diskussion ebenso ungeklärt wie das Problem der Infrastrukturkosten. „Um nur zwei Punkte zu nennen“, sagt er.

Haubner echauffiert sich: „Warum konnten diese Fragen denn bisher nicht beantwortet werden? Trotzdem will man jetzt einfach darüber hinweggehen und den Startschuss geben. Am Beispiel des Wedeler Hafens sieht man, wohin so etwas führt.“

Das Neubaugebiet Wedel Nord entlang des Steinbergs und Voßhörntwiete.
Das Neubaugebiet Wedel Nord entlang des Steinbergs und Voßhörntwiete. © HA Grafik | Frank Hasse

Die Unterstützer des Bauvorhabens halten dagegen: „Bezahlbarer Wohnraum für Familien, der Traum von den eigenen vier Wänden, altersgerechtes Wohnen und die Kombination von Wohnen und Arbeiten, um nur einige Vorteile zu nennen, können nur in einem gut durchdachten und großzügigen Wohngebiet umgesetzt werden.“

„Unsere gemeinsame Überzeugung ist es, dass Wedel Nord benötigt wird“, heißt es. Sie möchten bis zum Bürgerentscheid gemeinsam die Wedelerinnen und Wedeler informieren. Informationen zu den geplanten Aktivitäten kämen in Kürze.

Wedel-Nord-Gegner: Es dürfe kein ,Weiter so’ geben

WSI-Chefin Drewes dagegen appelliert an die Wedeler Bürger: „Offensichtlich ist den Befürwortern von Wedel Nord immer noch nicht klar, dass sich aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger ein ‘Weiter so’ in unserer überschuldeten und überlasteten Stadt verbietet. Ein städtisches Wachstum mag ja richtig und erwünscht sein. Aber ohne ein schlüssiges und durchkalkuliertes Wachstumskonzept bringt es die Stadt in noch größere Schwierigkeiten.“

Die Befürworter von Wedel Nord hätten noch nicht verstanden, dass durch Zuwachs an Bevölkerung mehr Verkehr auf den Straßen entstehe, dass die Stadt mehr Kita- und Schulplätze benötige und dass auch die soziale Infrastruktur (Sportstätten, Ärzte) zusätzlich belastet werde, zählt die Vorsitzende auf.

Die Stadt könne sich Wedel Nord nicht leisten

Es gebe Berechnungen darüber, welche zusätzlichen Mittel im städtischen Haushalt eingeworben werden müssen, um ein Wachstum in der Größenordnung von Wedel Nord dauerhaft zu finanzieren. „Diese Mittel sind bekanntermaßen leider nicht vorhanden. Ganz im Gegenteil, Wedel muss sparen. Es gibt keine Lösung, wie die zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollen“, meint Drewes.

Sie glaubt, dass es letztendlich nur über Steuererhöhungen für alle möglich sein werde, diesen neuen Stadtteil mit städtischer Infrastruktur zu versorgen. „Das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in ihre politischen Vertreter ist leider ob vieler politischer Fehlentscheidungen in Wedel gesunken. Wie soll man auch vertrauen, wenn den Bedenken der Bürger so wenig Beachtung geschenkt wird?“, poltert sie.

Drewes sagt: „Wir möchten alle Bürgerinnen und Bürger auffordern: Informieren Sie sich und nutzen Sie am 8. Oktober Ihr demokratisches Recht auf eine Abstimmung zu Wedel Nord.“

Bürgerentscheid zum Streit-Objekt Wedel Nord: Briefwahl über Bauprojekt startet

Eine Stimmabgabe für den Bürgerentscheid ist per Briefabstimmung bereits jetzt möglich. Es muss einen Grund geben, weshalb die Stimme nicht am 8. Oktober in einem der sieben Wahllokale abgegeben werden kann. Dieser muss jedoch nicht im Detail angegeben werden.

„Der Grund muss nicht genauer benannt werden, weshalb die Briefabstimmung von vielen auch als bequemere Alternative zum sonntäglichen Gang zum Abstimmungslokal genutzt wird“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Teilnahme am Bürgerentscheid zu Wedel Nord auch online möglich

Wer diese Variante nutzen möchte, kann die Briefabstimmungsunterlagen, die dann postalisch zugestellt werden, mit einem ausgefüllten Vordruck ab sofort beantragen. Die einfachste Variante ist jedoch das Ausfüllen eines Bogens auf www.wedel.de oder eine Anfrage per E-Mail an wahlen@stadt.wedel.de.

„Die Nutzung dieser digitalen Möglichkeiten entlastet die Mitarbeitenden des Wahlbüros sehr und kann zu einer beschleunigten Beantwortung der per Post eingegangenen Anträge führen“, sagt Stadtsprecher Sven Kamin.

Rathaus Wedel öffnet den Raum Wolgast für den Bürgerentscheid

Bei der anderen Variante können die Vordrucke ans Rathaus geschickt oder zu den Öffnungszeiten im Raum Wolgast abgegeben werden. Dort kann nach Vorlage des Personalausweises auch der Vordruck selbst abgeholt werden, sofern die Zusendung nicht funktioniert. Der Raum sei auch barrierefrei über die Kantine zu erreichen.

Die Abstimmungsbenachrichtigungen zum Bürgerentscheid werden voraussichtlich von Montag, 4. September, an in den Wedeler Haushalten eingehen. Für Rückfragen stehen die Mitarbeitenden des Wahlbüros unter Telefon 04103/707 370 zur Verfügung.

Wer sich als Abstimmungshelferin oder Abstimmungshelfer am 8. Oktober bewerben möchte, kann sich an das Wahlbüro wenden. Es werden noch Helfer und Reservisten gesucht. Mehr Informationen: www.wedel.de/rathaus-politik/kommunalpolitik/wahlen-und-abstimmungen/wahlhelfende-werden-gesucht.